24. Kapitel

1.1K 61 13
                                    

Sie dreht den Kopf zu ihm, will ihm sagen, dass sie das nicht will. Doch wie würde er auf diese Abweisung reagieren? Nicht gut, soviel ist klar.

Lou beschließt, es zu ignorieren und sich auf das Essen und Trinken zu konzentrieren. Ob sie zu gierig ist, sodass es nicht mehr höflich ist, interessiert sie nicht.

Sie nimmt das Glas, schenkt sich ein und führt es zu ihrem Mund, trinkt als gäbe es kein Ende mehr.

Lucius Hand auf ihrem Oberschenkel verkrampft sich, er hält sie fester. Währenddessen beobachtet er sie ganz genau. Es ist so erfrischend, tut in ihrer Kehle weh, als sie es herunterschluckt. Als sie absetzt und einmal aufseufzt, nimmt er ihr vorsichtig das Glas aus der Hand. „Haben dich deine Eltern denn gar nicht erzogen?", fragt er ohne zu blinzeln und schaut ihr direkt in die Augen.

„Natürlich. Nur nicht nach diesen Standards." Außerdem weißt du dich auch nicht zu benehmen. Schließlich wäre sie sonst nicht hier. Das, was er ihr antut, ist mehr als nur unhöflich. Es ist verachtend. Da hilft auch kein Knigge-Kurs mehr.

Er hebt die Braue, schaut dann auf seinen Teller vor sich. „Ich muss dir wohl mehr beibringen, als ich angenommen haben.", murmelt er. So als wäre er abwesend.

„Warum hast du denn was dagegen?", nimmt sie ihren ganzen Mut zusammen. „Wir sind doch hier... zuhause..., betont sie abfällig, „... also sollten wir uns darum doch nicht kümmern. Vor anderen würde ich das natürlich nicht machen. Außerdem habe ich seit 24 Stunden oder so schon nichts mehr getrunken.",

Ein hinterhältiges Grinsen entsteht auf seinen Zügen. „Du fühlst dich hier also wohl. Erzähl mir mehr davon."

Sie seufzt leicht, spürt wie seine Finger ihre Haut durch die Hose streicheln, Kreise ziehen. „Ich fühle mich nicht wohl.", sagt sie dann ehrlich, hält die Luft an. Es ist die Wahrheit. Wird er sie wieder dafür bestrafen? „Es ist mir nur egal." Mit diesen Worten schaut sie ihm in die Augen. Woher dieser plötzliche Mut kommt, weiß sie nicht.

Seine Hand verkrampft sich noch mehr, krallt sich in ihr, von Stoff umgebenes, Fleisch. „Verstehe. Aber warum ist es dir egal? Bin ich dir egal?"

Lou weitet die Augen. Nein, nein. So hat sie das nicht gemeint... Obwohl es stimmt. Ganz unrecht hat er nicht. Hätte sie keine Angst vor ihm, wäre er ihr egal.

„Nein", sagt sie mit halbwegs fester Stimme. „Schließlich werde ich vermutlich dein restliches Leben lang mit dir verbringen." Den bitteren Unterton verkneift sie sich mit aller Mühe.

Mein Leben lang?", er hebt noch die andere Braue. „Du wirst nur mit mir leben, solange ich lebe?"

Lou zuckt mit der Schulter. Ihr gefällt es nicht. „Nun ja... wie soll ich denn noch bei dir sein, wenn du gestorben bist?", fragt sie vorsichtig. Falls er länger als sie lebt und er sie vorher nicht umbringt. Er ist sehr viel älter. Wahrscheinlich ist es, dass er vor ihr stirbt.

Sie presst die Zähne aufeinander, als er sich noch fester in sie krallt. Am liebsten würde sie aufschreien. Was hat er denn jetzt schon wieder? Anders geht es doch nicht! Oder soll sie 20 Jahre an seinem Grab verbringen? Es würde sie nicht wundern, wenn er ihr das befehlen würde.

„Entweder ich oder keiner.", knurrt er, seine Stimme ist sehr tief und vibriert. Ausnahmsweise nicht kalt oder gespielt freundlich. Ein Schauder läuft über ihren Rücken.

Sagen das nicht immer die Leute, die nach einer Trennung den ehemaligen Partner umbringen? Ist er auch so einer?

Jetzt bekommt sie es richtig mit der Angst zu sein. Der Typ ist vollkommen krank, stellt sie mal wieder fest.

„Wenn ich sterbe, dann stirbst du mit mir.", sagt er entschlossen. „Wenn ich weiß, dass ich nur noch wenige Tage zum Leben habe, dann bringe ich dich um. Und wenn ich überraschend sterbe, dann tust du es selbst.", knurrt er, lässt keine Widerrede zu.

Lous Gesichtszüge entgleisen. Er... er will sie umbringen? Aber er hat doch gesagt, dass er sie liebt!

Sie soll nur leben, wenn er an ihrer Seite ist. Das ist mehr als nur barbarisch. Was soll das denn bringen? Hat er Angst, sie würde sich nach seinem Tod jemand anderes suchen? Was kümmert es ihn, danach existiert er doch eh nicht mehr! Es wird für ihn so sein, wie bevor er geboren wurde. Sie glaubt nicht an ein Leben nach dem Tod. Sie werden sich nach dem Tod nicht wieder treffen. Es gibt für sie keinen Himmel, Hölle, Wiedergeburt etc.

Er will mich umbringen., dieser Gedanke geht immer und immer wieder durch ihren Kopf. Er hat das ausgesprochen, was sie nie gewagt hat, auch nur zu denken. Sie hat es vermutet, es war so ein Gefühl. Ein Gefühl, das Wirklichkeit wird.

Beängstigend.

Am liebsten würde sie schnellstmöglich weglaufen und sich unter einem Bett verstecken. Wie ein kleines Kind.

Sie kann nur hoffen, dass er überraschend stirbt, ein Unfall oder so oder von jetzt auf gleich im Schlaf. Denn sie selbst wird sich nicht umbringen, auch wenn er das will. Was denkt er auch?

Oh, ich bin jetzt gestorben. Du bringst dich jetzt bitte auch um. Wie ich das überprüfen will? Achso, das geht gar nicht. Aber du wirst das schon tun.

Es ergibt sehr viel Sinn, wirklich... nicht.

Lou ist zu überfordert, um etwas zu sagen. Sie schaut Malfoy an, so als hätte er ihr befohlen, in seine Kacke zu packen, sie zu essen und ihn danach zu küssen.

Sie ist einfach sprachlos, vollkommen.

Wenn sie könnte, würde sie wie eine Statue auf die Seite kippen und vom Stuhl fallen. Sich am besten noch den Kopf aufschlagen und auf diese Weise sterben.

Würde er sich dann eigentlich auch umbringen? Wenn sie vor ihm stirbt? Oder gilt das nur für sie? Falls ja, dann hat er wirklich komplett den Vogel abgeschossen.

Entweder ich oder keiner. Gilt das nur für einen Todesfall, oder auch wenn sie flüchtet?

„Hast du das verstanden?", fragt er hart nach, sein Brustkorb hebt und senkt sich.

Sie sieht entgeistert zu ihm, die nackte Angst und Panik ist in ihren Augen geschrieben. Langsam, ganz langsam nickt sie. Lou tut das, was er will. Innerlich rebelliert sie, muss vor ihm aber gehorsam sein.

„Sprich es aus!", sagt er lauter, seine Augenlider zucken.

„Ich habe es verstanden.", gibt sie nach einigen Minuten des Schweigens mit extrem zittriger Stimme von sich.

Seine Faust knallt auf die hochwertige Tischplatte. „Formuliere es richtig! Was wirst du tun, wenn ich sterbe?"

„Ich-...", sie schluckt. Es ist kaum über ihre Lippen zu kriegen. „Wenn du stirbst, dann bringe ich mich um."

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now