62. Kapitel

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„Schlecht geträumt?", fragt er mit einem belustigen Ausdruck im Gesicht. Lou legt sich ihre Hand auf die Brust, kontrolliert ihre Atmung.

„Oh ja."

„Möchtest du mich nicht erleuchten?", fragt er interessiert, als er sie sanft auf die Beine zieht und mit ihr ins Badezimmer geht, um sich und sie zu duschen.

Lou schüttelt den Kopf. Er würde ausrasten. Ausrasten, weil sie noch immer ein solches Bild von ihm hat. Das darf nicht passieren. „Nein, besser nicht. Die Erinnerung verblasst auch schon wieder, ich könnte dir nur grob des Thema nennen.", lügt sie. An sich hat sie recht. Die meisten Träume werden vergessen. In diesem Fall ist es aber nicht so.

Lou wäscht ihr Gesicht, versucht die Gedanken an den Traum auszublenden. Es klappt nicht. Ob sie ihre Mitmenschen schon in Gefahr bringt, nur weil sie auf die Universität geht? Was ist, wenn Lucius noch mehr als sonst überreagiert?

Lou macht sich Sorgen, wünscht sich, diese würden verschwinden. Aber das klappt nicht. Sorgen werden immer bleiben, sie sind ein ständiger Begleiter seit das abstrakte Denken im Kindesalter beginnt.

Nachdem sie sich geduscht hat und das weiße Kleid angezogen hat, wartet sie auf Lucius, der sich zuerst noch die Haare in einen lockeren Zopf binden muss. Eines muss man ihm lassen: Ein schöner Mann ist er schon.

Nachdem sie gemeinsam frühstücken, erhebt sich Malfoy vom Esstisch und reicht ihr die Tasche, welche ein Hauself gebracht hat.

„Du siehst gut aus, in dem Kleid...Lass uns gehen, ich kann kaum erwarten, dich heute Nachmittag wiederzusehen." Er lächelt gezwungen, weil er schon den ganzen Morgen über angespannt gewesen ist. Das Unwohlsein darüber, sie fast allein zu lassen, nimmt ihn mit.

Lou nickt, kann ihre Freunde nicht mehr zurückhalten. Sie lächelt breit und nimmt die Handtasche an. Soll er sich doch schlecht fühlen. Wegen ihm fühlt sie sich dauerhaft schlecht! Sie muss aufhören, Mitleid mit ihm zu haben und sich über seine Gefühle Gedanken zu machen.

„Danke, Lucius. Ich komme.", sagt sie vergnügt, während Malfoys Mimik zu Eis gefriert.

Ein Hauself appariert neben die beiden. Er kommt Lou fremd vor. Das muss Garnu sein. Er verbeugt sich tief, ehe er wie erwünscht unsichtbar wird. Das ist also ihr Hindernis... irgendwie muss sie den Hauselfen in den nächsten Tagen loswerden, sodass Flumpi mit ihr kommt. Wenn die Hauselfen sich abwechseln würden, hätte sie dieses Problem nicht. Mal schauen, wer sie morgen begleitet und ob sie Glück hat.

Die junge Frau nimmt den ausgestreckten Arm von Lucius an und lässt sich aus dem Haus führen. Dabei schaut sie immer mal wieder zurück, nur um festzustellen, dass sie von dem Hauself nichts sehen kann.

Lucius schleift sie halb mit sich und hält an der Grenze, an der Zauberer und Hexen apparieren können, an. Er dreht sie, wie so oft, zu sich und schaut ihr tief in die Augen. „Lou... du weißt, du bedeutest mir alles. Enttäusche mich nicht."

Erneut kann Lou die Angst in seinen Augen erkennen. Es fühlt sich wie bei einem Abschied. Ein Abschied, verbunden mit einer Drohung.

„Das werde ich nicht, Lucius. Ich werde mich benehmen und das tun, was du möchtest."

„Ich hoffe es.", entgegnet er schon fast kühl, weil er sichtlich versucht die Angst zu verbergen und sich zu verschließen.

Ohne lange zu warten appariert Lucius mit ihr vor das Universitätsgebäude. Neben sich hören sie noch ein Plopp. Das muss die Hauselfe sein.

Lou schaut sich um. Überall um sie herum laufen Studenten auf das Gelände. Alles sieht so aus, wie bei der Besichtigung. Mit dem Unterschied, dass damals Semesterferien waren und es deutlich leerer gewesen ist.

Viele beziehen Zimmer auf dem Universitätsgelände, nur die wenigsten kommen von Außerhalb. Deshalb wundert sie sich auch, wie viel hier los ist. Aber was hat sie auch erwartet? Bei einer der bekanntesten Unis der Zaubererwelt, am einem Tag, an dem viele Semester beginnen? Leere gar sicher nicht.

Gerade möchte sie sich in Gang setzen und sich an den Weg zu ihrem ersten Vortrag erinnern, als Lucius sie am Arm zurückzieht.

„Nicht so schnell, Liebes.", murmelt er in ihr Ohr, nachdem er sie an sich heran gezogen hat. Um sie herum bildet sich eigener Platz: Die Hexen und Zauberer weichen ihnen aus. Es muss wohl ein seltsames Bild gehen, Lucius Malfoy mit einer jungen Hexe hier zu sehen. Als er dann auch noch in aller Öffentlichkeit seinen Mund auf ihren presst, verzieht Lou das Gesicht. Wie widerlich, vor aller Öffentlichkeit. Damit zeigt er deutlich, wem sie gehört. Die Botschaft wird sich schnell herumsprechen, da ist sie sich sicher. Niemand wird es wagen, sie anzurühren.

Er macht sie zum Außenseiter, in dem Moment, in dem er sie hier küsst. Lou hat keine andere Wahl, als den Kuss zu erwidern. Alles wäre nur noch viel peinlicher. Sie hofft inständig, dass die anderen Studierenden nicht denken, sie sei nur die Schlampe von ihm.

Lucius bittet um Einlass, den Lou ihm aber nicht gewährt. Das geht zu weit. Vor anderen Menschen gehört sich das nicht. Sollte Malfoy selbst das nicht besser wissen als sie?

Endlich, es kommt ihr vor wie eine Ewigkeit, lässt er von ihr ab. Alle schauen sie an, tun so, als würden sie es nicht tun. Wäre Lucius irgendwer anders, der sie geküsst hätte, wäre das gar nicht aufgefallen. Nur weil er so bekannt ist, schaut jeder zu ihnen.

Lou spürt die Wärme in ihren Wangen. Sie schenkt Lucius einen bösen Blick, voller unterdrückter Wut.

Anstatt ähnlich auf ihren Blick zu reagieren, lächelt er abgehoben und zufrieden. Alles läuft genauso wie er es will. So hat er es bestimmt vorgesehen.

Sie spürt dieses Brodeln sich, weiß nicht, was sie nun tun soll. Einfach hier stehen bleiben? Nein, das ist keine gute Idee. Umso schneller sie von Lucius weg ist, desto besser.

Den Arm von ihm streift sie von sich ab und dreht sich um, geht so normal wie möglich von ihm weg.

Und jetzt?

Jetzt steht sie inmitten eines riesigen Platzes, weiß nicht, wohin sie soll. Es ist, als wäre sie das erste Mal hier. Ihr Orientierungssinn ist wie weggewischt. Der Stundenplan mit den Raumnummer hilft ihr auch nicht, wenn sie die Räume nicht mehr kennt. Verdammt, wozu hat sie dann überhaupt die Besichtigung gemacht?

Verzweifelt schaut sie sich um. Sollte sie einfach in das größte Gebäude gehen und sich herumfragen? War da nicht ein Sekretariat? Es könnte ihr weiterhelfen.

Lou lässt die Schultern sinken. Es wäre doch schrecklich peinlich, dort nach dem Weg zu fragen.

Die Handtasche an sich gedrückt, steht sie wie verloren da.

„Wusste ich es doch! Meine in Zauberkunst-versessene-fast-Verlobte ist wirklich da.", dringt eine erheiternde, helle Stimme an ihr Ohr. Gänsehaut geht durch ihren Körper, als sie sich zu der ihr bereits bekannten Person umdreht.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now