96. Kapitel

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Auch an diesem Tag laufen nur wenige wohlhabende Reinblüter umher, an deren Arm eine wunderschöne Frau hängt.

Lou fühlt Stolz in sich aufflammen. Von all diesen reichen Damen, die eine Erziehung erhalten haben, die in diesen Kreisen üblich ist, hat er sich für sie entschieden. Es ist erstaunlich, dass er sich in sie verliebt hat. Warum hat er das eigentlich? Was ist an ihr so besonders, dass es Wert ist geliebt zu werden?

Lou hat die Hand auf dem Arm von Lucius, den er ihr hinhält und schaut sich um. Die Atmosphäre ist nicht mehr so schlimm. Sie fühlt sich nicht vollkommen alleine und unpassend, weil Lucius da ist, den sie kennt und vertraut.

Er sagt kein Wort und setzt sich in Bewegung. Dafür merkt Lou jedoch, wie seine Haltung noch gerader wird. Sie versucht es ihm gleich zu tun, seinen Anforderungen gerecht zu werden. Er soll sich in der Öffentlichkeit nicht blamieren, weil sie die einzigen Höflichkeitsformen nicht beherrscht.

Sie möchte so wirken, als würde sie zu Lucius passen. Jeder soll sehen, dass sie zusammengehören. Früher wollte sie es noch nicht - aus welchen Gründen auch immer.

„In welches Geschäft gehen wir?", fragt sie und bemüht sich dabei, möglichst hoch und weiblich zu sprechen. Lucius soll beeindruckt von ihr sein, auf sie Stolz sein. Neben seiner Autorität und Macht fühlt sie sich wie ein Kind. Er steht auf einer höheren Stufe als sie.

„In das beste der gesamten Zauberwelt. Ich habe einen Termin vereinbart, dementsprechend werden wir die einzigen dort sein.", antwortet er und läuft weiter durch die breite Gasse.

Lou nickt und denkt an die Schneiderei in der Winkelgasse zurück. Sie wäre gerne dorthin gegangen um allen zu zeigen, wem sie nun gehört... Obwohl Lucius sie nicht ganz besitzt. Es ist nicht rechtens, ein Mensch als seinen Besitz anzusehen, wobei Lou eindeutig zu ihm gehört.

Die beiden laufen an dem Café vorbei, in welchem sie beim letzten Mal dem Zaubereiminister von Norwegen und dessen Frau begegnet sind.

Lucius zieht sie weiter zu einem Laden, über dem ebenfalls goldene Lettern zu finden sind. „Glanzvolle Hochzeitsmoden für elegante Damen", lautet der Name des Geschäft. Vor der Tür befindet sich schon wieder eine Person, die auf sie wartet. Es erinnert sie an den Kellner, der vor der Tür des Cafés gestanden hat.

Die Person ist wieder einmal ein Mann. Es scheint so, als würden die meisten reinblütigen Frauen nicht arbeiten und nicht mal diejenigen, die für sie arbeiten könnten, sind weiblich. Lou wundert das sehr. Wollen die Ehemänner etwa, dass andere Männer ihre Frauen anfassen? Insbesondere bei etwas, wo die Damen gemessen werden müssen?

Lucius nickt ihm steif zu und betritt mit ihr das Geschäft. Der Mann teilt ihnen etwas von einer Miss Munkins mit, die kurz darauf vor dem Tresen erscheint. Die schöne, dünne Frau lächelt Lou und Lucius an. Lou mustert sie ganz genau. Es arbeiten also doch Frauen in Berufen, bei denen die Männern nicht wollen, dass ihre Ehefrauen oder Verlobten von Männern bedient werden.

Die Frau führt die beiden durch die Reihen des Geschäfts. Überall hängen reich verzierte Kleider. Die meisten davon sind weiß. Nur ein paar haben den Ton eines Hellblau oder Dunkelblau, wie es üblich ist in die höheren Schichten der Zaubereigesellschaft. Lucius zeigt emotionslos auf ein paar Kleider, während Lou nur an seinem Arm hängt und ihm dabei zuschaut.

Sie würde sich schon gerne ihr Kleid selbst aussuchen, aber Lucius muss eher wissen, was angemessen ist. Schließlich hat er schon einmal geheiratet... bedauerlicherweise... und kennt die Standards der Reinblüter besser.

„Ich darf doch dann mitentscheiden, wenn ich sie anhabe, oder?", fragt sie ihn, als die Frau gerade die Kleider sortiert und die Frage nicht hören kann.

Lucius mustert sie daraufhin mit erhobener Braue und nickt langsam. „Es ist nicht üblich, aber ich werde deine Entscheidung mit hinein fließen lassen. Immerhin habe ich schon die Vorauswahl getroffen. Die endgültige Entscheidung darf bei dir liegen."

Lou lächelt und beugt sich zu ihm vor, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Lucius lächelt dadurch das erste Mal seitdem sie in der Gasse sind.

Nachdem Lucius zwanzig potenzielle Kleider herausgesucht hat, weist er sie an, sie anzuprobieren. Miss Munkins hilft ihr dabei. Lou fühlt sich seltsam, als sie ihr ihren benah nackten Rücken zukehrt. Die Frau muss die Brandmale sehen. Obwohl Lou Lucius liebt, war nicht okay, was er mit ihr gemacht hat. Anscheinend kümmert es die Frau nicht, denn sie erwähnt es nicht mit einem Wort. Stattdessen zwingt die Lou in die Kleider. Alle haben eins gemeinsam: Sie sitzen eng. Selbst sie spürt es, obwohl sie in den letzten Tagen bestimmt 5kg losgeworden ist und ihr diese enorme Gewichtsabnahme nicht gut getan haben kann.

In dem Ankleideraum ist kein Spiegel, sodass sie immer hinaus zu Lucius treten muss, der das Kleid von Anfang an bewertet und ihr erst dann Platz vor dem Spiegel macht. Wenn auch die Brautkleider sehr übertrieben sind, so gibt es doch einige, die ihr gut stehen. Lou hätte gerne ein schlichteres, weißes Kleid, doch wie erwartet muss sie sich mit diesem Wunsch abfinden.

Lucius gibt einzelne Kommentare ab, hört ihr aber auch wie versprochen zu, wenn ihr ein Kleid ganz und gar nicht gefällt.

Sie verbringen einige Stunde in dem Geschäft. Lou hätte nicht gedacht, dass Lucius als Mann doch so anspruchsvoll sein könnte was Kleidung angeht. Anderseits hätte sie es sich auch denken können, schließlich könnte man sein Haus mit dessen Einrichtungen als Kunstwerk betrachten.

Am Ende einigen sie sich auf ein hellblaues Kleid mit Spitze, welches reich verziert ist und breit nach unten fällt. Es weist goldene Akzente auf, die zu dem Hellblau passen. Es ist nicht das, was sie sich gewünscht hat, anderseits ist das, was er sich wünscht, zum großen Teil auch ihr Wunsch. Er soll zufrieden sein, er soll glücklich sein: Denn an dem bisherigen Tag ist er es offenbar nicht gewesen.

Die Schneiderin vermisst noch die richtigen Größe von ihr, wobei sie immer wieder zusammenzuckt, notiert sich diese und näht das Kleid passend. Glücklicherweise muss sie nur wenige Änderungen vornehmen und es dauert nicht so lange. Währenddessen berät der Mann sie zu den passenden Schuhen.

Ist das erledigt, packt Lucius das Kleid und die Schuhe ein und geht mit ihnen an die Kasse. Den sündhaft teuren Preis bezahlt er ohne mit der Wimper zu zucken und geleitet Lou anschließend aus dem Laden.

Sie treten in die Fußgängerzone und apparieren wieder zurück zum Malfoy Manor. Dort angekommen dreht Lou Lucius zu sich, der sich sichtlich entspannt als sie weg aus der Öffentlichkeit sind. „Danke für das Kleid, Lucius."

Ein Lächeln entsteht auf seinen Zügen. Sie könnte nicht sagen, ob es ehrlich ist oder nur ihretwegen aufgezwungen. Lou schüttelt den Kopf. Sie darf nicht daran denken! Es macht sie nur selbst traurig.

„Gerne doch, meine Liebe.", Er streichelt ihr über den Kopf und wirkt seltsam verträumt. „Du bist anders und dennoch die Gleiche. Es verwirrt mich...", gesteht er sich flüsternd ein.

Lous Hand führt zu seinem Kinn und hebt es so weit an, dass er ihr in die Augen sehen kann. „Ich bin die gleiche Person. Der einzige Unterschied ist, dass ich meine Gefühle nicht mehr wegsperre und sie jetzt richtig zum Vorschein kommen." Ein Lächeln stiehlt sich auf ihr Gesicht. „Es war gut, dass du es mir den Trank gegeben hast. Sonst hätte ich das nie erkannt." Ihre Finger streichen sanft über die raue Haut an seinem Kinn.

Lucius sieht sie mit Schmerz in den Augen an. Sein Gesicht ist verzogen, seine Nasenlöcher geweitet und sein Atem unregelmäßig. „Wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht,... dass du mich vorher geliebt hast..." Er schweigt. Seine Augen beginnen erneut rötlich zu werden und wegen anbahnender Tränen zu glänzen.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now