90. Kapitel

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Lucius zieht sie ohne Gnade weiter, interessiert sich nicht für ihre Bedürfnisse. Es fühlt sich für sie so an, als würde er ihr den Arm beim lebendigen Leibe ausreißen. Gut, nicht ganz so schlimm, aber es schmerzt.

Sie wagt nicht, ihn darauf anzusprechen und etwas dagegen zu unternehmen. Was er wohl mit ihr vorhat? Will er sie foltern? So wie er es schon mehrmals getan hat?

„Beeil dich, Mädchen.", schnauzt er sie an. Lou verfällt in einen joggenden Zustand und hält mit ihm an, als er vor der Haustür steht. Diese schwingt auf und dahinter befindet sich Garnu, der den Kopf zu Boden gesenkt hat und allem Anschein nach einen Wutausbruch seines Herrn fürchtet.

Lou kann ihn so gut verstehen. Dieser Hauself hat sie zwar verraten, weil Lucius durch ihn wusste, dass Jack überhaupt existiert, aber sie kann ihn verstehen. In der Missgunst von Lucius Malfoy zu stehen, kann das Leben zur Hölle machen. Trotzdem entwickelt sie Antipathie zu dem Elfen. Zeitgleich weiß sie aber auch, dass sie nicht anders gehandelt hätte. Solange Jack unbeschadet davonkommt, kann Lou den Wutausbruch von Malfoy ertragen.

Schließlich hat sie ihn verdient.

Lucius eilt zur Treppe. Anstatt wie sonst immer hoch zu laufen, drängt er sie die Stufen hinab.

Die beiden erreichen eine Tür, die zu einem Keller führt.

Mit einem Schlüssel neben der Tür öffnet er sie und stoßt sie hinein.

Er selbst folgt ihr und macht von außerhalb das Licht an.

Der große, dunkle Raum erhellt sich. Es ist feucht, kalt und leer. Außer die Glühbirne gibt es nichts, das den Keller erhellt. Er ist vollkommen leer, die Wände sind kahl und Lou schaut sich ängstlich um. Was hat er hier mit ihr vor? Hier gibt es doch nichts! Will er sie einsperren?

Mit großen Augen schaut sie ihn an. Sie will zurückweichen, aber sie darf nicht.

„Schau mich nicht so an. Meine Gnade hast du dir verspielt.", sagt er kühl und streckt dann seine Hand aus. „Und nun gib mir deinen Zauberstab. Du hast sowieso keine Chance, ob mit oder ohne."

Lou schluckt und schaut hinab zu ihrem Hosenbund. Sie hat nicht einmal daran gedacht, sich mit dem Zauberstab zu wehren! Es hätte ja eh nichts genützt.

Malfoys Blick wird dringender, drohender. Sie umfasst den Zauberstab mit der Hand und legt ihn zitternd in seine. Es bringt nichts, eine erneute Flucht zu versuchen. Es bringt nichts, bis auf das eigene Verderben.

Lucius umgreift den Zauberstab sofort und betrachtet ihn. „Gut so..." Mit diesen Worten bricht er ihn mit einem lauten Knacksen in der Mitte durch.

Lou entweicht die Luft. Sie fühlt, wie ein Stück ihres Herzens sich löst und schaut wie hypnotisiert auf die beiden Enden ihres Zauberstabs. Das ist das schlimmste, was ein Zauberer einem anderen antun kann! Das Zerstören eines Zauberstabs ist das Zeichen dafür, dass die betroffene Person nicht mehr als Mitglied der zaubernden Gesellschaft angesehen wird. Er nimmt ihr damit symbolisch alle Rechte, die eine Hexe besitzt.

Lucius Malfoy schaut stoisch auf die Enden und steckt sie dann in seine Manteltasche ein. „Ich werde den Zauberstab vollständig vernichten. Es wird Zeit, dass du dir deines Platzes bewusst wirst. Dieser ist an meiner Seite, jedoch untergeordnet." Lucius schließt seinen Mantel und mustert Lou einige Minuten lang.

Sie kann nicht sprechen, nichts sagen, sich nicht wehren. Sie ist hilflos. Und Malfoy genießt es.

„Dir ist die Erlaubnis zur Universität zu gehen von jetzt an entzogen. Damit hättest du rechnen sollen, bevor du es getan hast. Du wirst diese Erlaubnis nie wieder erhalten."

Er schaut auf seine Finger und widmet ihr nicht einmal seine Aufmerksamkeit. Er redet gegen seine Hände, während er ihr den letzten Rest Freiheit und Leben nimmt.

„Du wirst genauso wenig eine Ausbildung anfangen. Stattdessen wirst du in meinem Haus bleiben. Bis ans Ende deiner Tage. Festlichkeiten oder andere Termine, an denen du mich begleiten musst, sind davon ausgenommen. Du darfst höchstens in den Garten gehen. Deine Langeweile ist mir egal. Und zu deiner Information: Wir werden in einer Woche heiraten. Ich bereite alles vor, ebenso wie den Trank, den du regelmäßig einzunehmen hast. Bis dahin wirst du hier drin bleiben. Ich kann dir nicht mehr vertrauen." Er macht eine Pause, damit sie sich noch schlechter für ihre Taten fühlt.

Lou läuft es kalt den Rücken runter und ihre Härchen am Arm stellen sich auf. Das liegt nicht an der Kälte, sondern an der Angst vor ihrer Zukunft.

„Eine erneute Flucht ist vollkommen zwecklos und unmöglich. Ich werde dich immer finden. Erinnerst du dich an den Trank, getarnt als Getränk, den ich dir vor ein paar Tagen gegeben habe? Er war dazu da, dass du positive Gefühle für mich entwickelst und ich spüre, wo du dich befindest.", sagt er leise und dreht sich dann um, um zu gehen.

„Du zerstörst mein Leben, du zerstörst mich.", haucht Lou, woraufhin Lucius kalt auflacht.

„So wie du mir, so ich dir. In dem Moment, in dem du mir alles Wichtige genommen hast, hast du mich umgebracht."

„Aber das hast du doch davor mit mir gemacht!", versucht sie sich verzweifelt zu erklären.

„Ich bin aber der Stärkere von uns beiden. Akzeptiere das endlich!" Nachdem er diese Worte ausgesprochen hat, öffnet er die Tür vor sich, geht hindurch und schließt sie von außen ab.

Es dauert nur Sekunden, bis das Licht ausgeht und Lou in vollkommener Finsternis in dem kalten, dreckigen und feuchten Keller steht, der einer großen Zelle gleich kommt.

Sie schluchzt voller Verzweiflung und tastet sich vor zu einer Wand. Als sie diese berührt, lässt sie sich daran hinabsinken. Sie spürt, wie ihre Kleidung von der Nässe kalt wird, aber sie kann nichts dagegen tun. Es ist Freitag... Sie wird ihn in einer Woche heiraten! Ihren Peiniger! Und bis dahin muss sie hier drin bleiben, wenn er bis dahin nicht den Trank aufgetrieben oder eine andere Lösung gefunden hat.

Lou hat das Verlangen zu weinen, hält sich aber mit aller Kraft zurück. Wer weiß, wann sie wieder etwas zu essen und zu trinken bekommt! Es ist nicht gut, in einer solchen Situation Flüssigkeit zu verlieren.

Sie zieht die Beine an sich und legt ihren Kopf darauf. Noch nicht einmal eine Matratze gibt es hier!

Die Dunkelheit stellt eine Gefahr für sie da. Was, wenn es hier Ratten oder andere Viecher gibt? Lou verzieht das Gesicht.

„Bitte, bitte Lucius... hol mich hier raus, gib mir mein altes Leben zurück.", flüstert sie flehend, als sie schon lange Zeit in diesem Keller ausgeharrt hat. Sie kann nicht sagen, ob es 30 Minuten oder bereits sieben Stunden sind. Ihr Zeitgefühl ist schon jetzt vollkommen verschwunden. Sie friert außerdem und zittert. Dazu kommt ihre unbequeme Sitzposition.

Wie soll sie das aushalten?

Dazu noch die folgenden Jahre der Unterdrückung?

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt