44. Kapitel

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Sie kaut auf ihrer Unterlippe herum. „Es ist das beste...", sie möchte gerade weiterreden, als Lucius die Hand hebt, um sie zu unterbrechen.

Abwartend schaut sie zu ihm, als er sie emotionslos ansieht. „Meinetwegen... das ist eine gute Idee. Ich werde darauf zurückkommen und alles dafür in die Wege leiten. Unter einer Bedingung: Sage mir, wer der Dreckskerl ist."

„Du hättest doch auch was davon...", sagt sie vorsichtig. „Warum erpresst du mich dann?"

„Weil ich zwei Fliegen mit einer Klamme schlage will.", sagt er ohne den Blick von ihr abzuwenden. „Also? Ich höre?"

Er gibt nicht auf. Das ist das größte Problem an allem. Sollte sie lügen, irgendetwas sagen und tun? Sie weiß es nicht. Es ist zum Verrückt-Werden! Wenn sie es nicht sagt und er dementsprechend nicht einwilligt, dann kommt sie vom Bett nicht los und kann Flumpi nicht befreien. Ohne die Hauselfe kann sie alles vergessen. Sie benötigt nicht unbedingt seine Zustimmung zum Trank. Sie ist sich sicher, dass er auch einsieht, dass es die beste aller Möglichkeiten ist. Wenn ihr erster Fluchtplan schief gehen sollte, dann wird er es ihr bestimmt von sich aus einflößen.

Sie muss ihm also den Namen sagen. Doch sie kann nicht, es geht einfach nicht. Der Junge war ein Mitschüler von ihr. John, heißt er. Wo er jetzt ist, weiß sie nicht mal. Sie haben keinen Kontakt mehr, obwohl sie in Frieden auseinander gegangen sind. Die Erinnerung an den jeweils anderen und die gesamte Story ist einfach zu peinlich, als dass sie noch großartig viel miteinander reden wollten.

Was soll sie jetzt tun? Angestrengt denkt sie darüber nach, ehe sie sich zu einer Antwort wagt. „Sein Name ist John. Ich weiß nicht wo er ist.", sagt sie bemüht ruhig. Malfoy hebt die Braue, seine Nasenflügel werden größer, sein Atmen schneller. Ein Zeichen für eine sich anbahnende Wut. „Rege dich bitte nicht auf. Ich habe ihn damals geliebt, ja. Aber jetzt nicht mehr." Gezwungen schaut sie in seine Augen, damit er die Ernsthaftigkeit in den ihren sehen kann.

Dennoch mahlen seine Kiefer. Malfoy scheint zu überlegen. „Aber er hat es getan. Und woher soll ich wissen, ob du lügst?", knurrt er

„Ja, ich habe ihn geliebt. Einen Monat lang. Ich war ein dummes Kind. Es ist nicht nur seine Schuld. Heute würde ich das nicht mehr wagen zu tun, ich betrüg-"

„Darum geht es nicht.", wirft er mit einer plötzlichen Schärfe in seiner Stimme ein. „Du hättest heute auch gar nicht die Chance dazu. Es geht mir darum, dass jemand mein Eigentum angefasst hat!"

„Aber das war vor deiner Zeit. Damals habe ich noch nicht die gehört, niemand konnte das erahnen.", flüstert sie bemüht ruhig und versucht ihn zum Abreagieren zu bringen. „Bitte... es ist vergangen."

„Warum willst du mir dann nicht seinen vollständigen Namen nennen, wenn es doch nicht so schlimm ist?", fragt er und überkreuzt die Hände vor seinem Schritt. Diese Geste erinnert sie nochmal zusätzlich an die vergangenen Ereignisse. Sie wendet den Blick von ihm ab, schaut wieder nur zur Decke. „Weil ich Angst habe.", sagt sie ganz ehrlich und betet für sich, dass er nicht wieder ausrastet. „Ich habe Angst um ihn."
„Also liebst du ihn doch.", stellt er fest, ein Knirschen seiner Zähne ist zu hören.

„Nein", sagt sie mit festerer Stimme. „Ich empfinde nichts mehr für ihn. Aber ich habe dennoch Angst um ihn. Das hätte ich auch um jeden anderen. Wir waren sehr gut befreundet und sind in Frieden auseinander gegangen, als wir gemerkt haben, dass wir zu voreilig und kindisch waren. Ich würde auch um meine größten Feinde Angst haben, wenn du mir damit drohst, sie auf grausame Art und Weite zu töten."

„Du siehst mich als Monster an.", sagt er tonlos. Die ineinander verschränkten Hände lösen sich sofort voneinander. In sein Gesicht kehren wieder Emotionen, die er versucht, zurückzuhalten und zu verdrängen. Dadurch sind seine Gesichtszüge verzerrt, zeigen von dem inneren Schmerz. Lous Atem beschleunigt sich. Ihr Brustkorb bebt. „Was soll ich denn anderes denken?", haucht sie kaum hörbar.

Lucius ballt die Hand zusammen. Ob es vor Wut auf sie oder Selbsthass ist, weiß sie nicht. Ehrlich gesagt will sie es auch nicht wissen. Sie weiß nur, dass es schlecht ist. Entweder für sie oder für ihn. Sie sollte aufhören, so mit ihm zu reden. Andererseits ändert sich sonst nie etwas. Er muss es begreifen.

„Du hast es mehr als deutlich gesagt... ich habe mich bemüht nach unserem Gespräch im Bad. Deswegen bin ich auch zu dir runter gekommen. Es tut mir leid... Ich will das Menschliche in dir sehen. Lucius...", Tränen der Verzweiflung kullern ihre Wange hinab, sie gibt ein Schluchzen von sich. Ihr Mund tut vom Weinen weh, weil sie ihn mit aller Kraft zusammenpresst, um besser oder überhaupt sprechen zu können. „Ich sehe dich nicht als Monster. Aber ich sehe das, was du mir zeigst, als Monster an. Ich könnte dich ja lieben oder zumindest mögen. Aber nicht das was du zeigst, sondern was du bist. Bitte... sei wie du bist und verschließe dich nicht. Du musst vor mir nicht den Starken und Mächtigen spielen. Du kannst sein wie du wirklich bist. Ich bitte dich darum. Du bist doch ein ehrenwerter Mann, der von fast allen geachtet wird. Warum stehst du nicht zu dem, was du bist?"

Er gibt ein Schnauben von sich. Seine Augen glänzen erneut voller Tränen. „Ich stehe zu dem, was ich bin.", sagt er hart. Er schleudert es ihr geradezu entgegen. Obwohl Lou spürt, dass es nicht an sie gerichtet ist, erschüttert es sie. „Ich bin ein Monster, ein Versager. Ich bin kein guter Mensch. Ich bin böse. Innerlich ist mir bewusst, dass du mich so nicht lieben kannst. Weshalb denkst du, verschließe ich mich, verdränge das alles? Ich kann es nicht ablegen. Es ist ein Teil von mir geworden. Ein Schutz! Ein Schutz vor mir selbst. Wir hatten dieses Gespräch doch schon mehrmals! Ich hasse mich selbst. Und das nicht nur wegen dir und meiner Dummheit bezogen auf dich. Du wirst es nie verstehen."

Lou weint weiter. Aus Mitleid. Er spricht die Wahrheit. Er hasst sich selbst... Sie fühlt sich an sich selbst erinnert, als sie ein Teenager gewesen ist und sich Vorwürfe wegen der gescheiterten Beziehung gemacht hat. Obwohl das bei ihm noch viel schlimmer ist und tiefer geht. Es ist nicht nur eine Phase wie es bei ihr gewesen ist. Er ist gebrochen. Und wenn sie glaubt, was er gesagt hat, dann liegt es nicht nur an ihr. Was sind das noch für andere Faktoren, die eine Rolle spielen?

In diesem Moment ist er einfach nicht mehr Lucius Malfoy für sie. Er ist nicht der Mann, der ihr so viel Leid antut. Er ist ein Mensch mit Problemen. Mit Problemen, welche er verdrängt und damit nur noch alles schlimmer macht. Sowohl für andere, als auch für sich selbst.

„Dann erzähle mir davon.", sagt sie in der lieblichsten Stimme, die sie aufbringen kann. Auch wenn es falsch ist, möchte sie ihn trösten, beruhigen und für ihn da sein. Nicht einmal aus egoistischen Gründen. Ihre eigenen Gefühle sich verwirrt, durcheinander. Sie weiß nicht mehr, was sie glauben soll und was nicht. Malfoy ist nicht nur böse. Man kann nicht nur böse oder nur gut sein. Das geht gar nicht. Beide sind so verzweifelt. Es ist etwas, das sie verbindet. Zwar sind sie aus unterschiedlichen Gründen verzweifelt, aber es ist immerhin eine Gemeinsamkeit. Die erste, die Lou bisher erkennen kann.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now