1. Kapitel

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Dabei hat alles doch so gut angefangen. Eine neue Heimat, ein neues Umfeld – alles perfekt. Es gab nie ernstzunehmende Probleme in ihrem bisherigen Leben. Natürlich waren da die größeren und kleineren Probleme der Pubertät, doch auch dies schien überwunden und weit entfernt. Das, obwohl sie in der Zaubererwelt gerade mal erwachsen ist und sie so betrachtet vielleicht sogar noch mitten in der Pubertät ist.

Erfüllt von dem neuen Geruch der Heimat, das eigentlich viel eher ein Gefühl ist, schließt sie für einen Moment die Augen und denkt an die Zeit zurück, als sie genau an diesem Punkt gestanden hat, um Schulsachen für Beauxbatons zu kaufen. Es war ihre erste Zeit in England, denn eigentlich ist sie Norwegerin und stolz darauf. Warum ihre Eltern unbedingt in der Winkelgasse die erste Ausrüstung kaufen wollte, hat den Hintergrund, dass ihr Vater Brite und der Überzeugung ist, dass es nur in der Winkelgasse den besten Zauberstabmacher der Welt gibt. Wie schon ihr Vater sollte sie auch ihren ersten und hoffentlich einzigen Zauberstab von Ollivander erhalten.

Wie sich später herausstellte, war das eine gute Entscheidung. Sie liebt ihren Zauberstab über alles und möchte ihn nicht missen. Mit anderen Zauberstäben, beispielsweise mit denen ihrer Freunde, hat sie auch schon einmal Übungen unternommen, in Form von gegenseitigem Austauschen der Zauberstäbe. Was bei diesen Spielchen in der ersten Klasse teilweise herausgekommen ist, war überraschend und gefährlich zugleich. Lou und ihre Freundinnen mussten immer enorm aufpassen, dabei nicht erwischt zu werden. Schließlich wurde das weniger gerne gesehen. Mit anderen Worten: Ein Schulverweis oder zumindest eine Mahnung wären die Folgen gewesen. Ihre Freunde wurden sogar einmal erwischt, erhielten eine Mahnung und mussten dazu noch den Rest des Jahres das Schloss putzen. Immerhin hatte es auch was Gutes: Danach war es wirklich überall sauber.

Ein weiterer positiver Punkt war, dass Lou selbst nicht mithelfen musste. Zwar hatte sie in dieser Nacht eigentlich vor mitzumischen, jedoch fiel sie durch einen Krankheitsfall leider aus... Oder im Nachhinein wohl eher zum Glück, da ihre Freunde das Jahr über zieeeeemlich viel zu tun hatten.

Dass die Aufsichtspersonen sie in der Nacht erwischt haben, hat noch einen positiven Faktor. Denn danach haben sie es nie wieder gewagt so etwas zu tun und damit aufgehört.

Wenn sie das heute betrachtet, war das auch gut so. Nicht auszumalen, was alles hätte passieren können! Besonders bei ihr, denn die Zauberstäbe scheinen sich geradezu gegen sie zu sträuben und sie kommt nur mit sehr Wenigen gut oder überhaupt aus.

Ein Lächeln stiehlt sich auf ihr Gesicht bei der Erinnerung. Wie ihre alte Freundin Hanna einmal aus versehen die Haare einer Mitschülerin abgefackelt hat... köstlich.

Bei der Erinnerung erstirbt ihr Lächeln wieder. Ihre Freundinnen... Wie sehr sie sie doch vermisst. Dabei ist es doch erst vier Wochen her, dass sie ihren Abschluss mit Bestnoten feierlich auf einer Bühne von der Schulleiterin entgegengenommen hat! Nur vier Wochen sind vergangen, seit sie in den Armen von Hanna, Minka und Katharina gelegen hat, geweint hat und sie dazu gezwungen hat, Kontakt zu halten.

Schließlich ist mit dem Abschluss ein Lebensabschnitt beendet worden und nun steht sie hier, um den Nächsten zu beginnen. Mit diesem neuen Abschnitt trennt sie sich zumindest räumlich mit ihren Freunden. Sie sehen sich nicht mehr jeden Tag in der Schule und allgemein sind sie sehr weit voneinander entfernt. Hanna kommt aus Deutschland und lebt auch noch weiterhin dort, Minka aus Russland und nur Katharina stammt, wie sie, aus Norwegen. Obwohl das auch keinen großen Unterschied mehr macht, schließlich hat Lou sich dazu entschlossen, ihr weiteres Leben vorerst in England zu verbringen. Ihrer Meinung nach hat sie hier die besten Möglichkeiten und außerdem hat sie zahlreiche Angebote in England erhalten. Lou war eine Musterschülerin, Jahrgangsbeste und ist noch immer zielstrebig und wissbegierig. Ihre Lehrer sagten immer, sie könnte Großes erreichen und erfolgreich werden, wenn sie weiterhin so bleibt.

Und genau das will sie.

Etwas erreichen.

Das ist auch der Grund dafür, weshalb sie nun hier steht und an die vergangenen Jahre zurückdenkt. Mit einem Grinsen und der Aussicht auf eine rosige Zukunft, setzt sie sich in Bewegung und hört auf das große Bankgebäude von Gringotts wie eine Besessene anzustarren. Mit einem leichten Kopfschütteln setzt sie sich in Bewegung eines Kleiderladens, um sich für ihr Studium die verschiedenen Klamotten maßschneidern zu lassen. Mit einem erfrischendem Lächeln, das all ihre Freude über diesen neuen Teil ihres Lebens ausstrahlt und die Gedanken um ihre zurückgelassenen Freunde und Eltern vergessen lässt, geht sie darauf zu und betrachtet dabei die Zauberer und Hexen, die an ihr vorbeigehen, nicht oder zumindest nur kaum. Sie nimmt lediglich eine große Familie mit vielen kleinen Kindern wahr, die mit großen Augen auf die verschiedensten Läden zeigen. Das heißt, eigentlich deuten sie nur auf ein einzelnes Geschäft: Weasleys Zauberhafte Zauberscherze

Das Lächeln wird noch größer als sie die Begeisterung in den Augen der Kinder sieht. Ob solche Zauberkinder wie sie es sind, eines Tages auch so begeistert ihrem Unterricht lauschen werden? Wohl kaum, aber die Hoffnung stirbt zuletzt und außerdem versucht sie später einmal, nach ihrem Studium, eine gute Professorin zu sein, zu der die Schüler aufblicken. Ob das mal der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Lou wird zumindest ihr Bestes dafür geben.

Ihr Blick wendet sich auch von dieser Familie und sie öffnet endlich die große Tür.

Im Laden angekommen sieht es nicht viel anders aus als davor. Reges Treiben findet darin statt, schließlich beginnen in zwei Wochen wieder die Schulen und die Kinder benötigen noch Dinge für das bevorstehende Schuljahr. So kommt es, dass in der Schneiderei zu dieser Zeit nur baldige 1. Klässler die Kunden sind, mit Ausnahme von ihr und einem älteren Mann, der ihren Blick auf sich zieht.

Er steht vor ihr, unterhält sich mit einem anderen Herrn in seinem Alter, etwa um die 40 Jahre alt. Zu ihr ist er nur mit dem Rücken gewandt und dennoch spürt sie die Ausstrahlung, die dieser Kerl hat. Nicht hell, nicht dunkel, irgendetwas dazwischen und zeitgleich auch nicht dazwischen.

Das ergibt keinen Sinn.

Zwar steht er so da wie ein Herrscher, erhaben, groß, stolz und angespannt und allgemein eher düster, jedoch ist ein krasser Gegensatz dazu seine Haare. Und zu den langen hellblonden Haaren bildet wiederum seine schwarze, hochwertige Kleidung einen Kontrast, der ihr sofort ins Auge sticht.

Der Mann ist reich gekleidet, hat eine solche Ausstrahlung und so kommt es, dass Lou ihn als ziemlich arrogant einstuft. Zwar kann sie seine Stimme und das Gesagte nicht hören, da das Gekreische der Kinder sie übertönen, aber er wirkt wie Einer, mit dem man sich besser nicht anlegt.

Letztlich ist das aber auch nur ein Vorurteil und Lou hat ihn noch nicht mal von vorne gesehen. Außerdem ist es ihr ehrlich gesagt auch egal, wie oder wer er ist.

Denn es ist unwichtig, da es nichts zur Sache spielt.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now