52. Kapitel

908 54 6
                                    

Lou seufzt. War ja klar, dass er das hier als Vorwand nimmt, um über dem Mann zu reden, der ihr die Unschuld genommen hat. Was verspricht er sich denn davon? Dass sie offener ihm gegenüber ist, weil sie ihm wohl gestimmt ist? Oder erwartet er, dass sie die Wahrheit sagt, weil es sonst unangenehm für sie werden könnte?

So betrachtet könnte Lou auch einfach nichts sagen, denn er würde ihr hier nichts tun. Daheim ja. Aber nicht hier.

Sie schüttelt entrüstet über sich selbst den Kopf. Hat sie das Malfoy Manor gerade als ihr Zuhause bezeichnet?

„Nein? Du wirst darum nicht vorbeikommen. Das verspreche ich dir.", sagt er, während Lou erneut mit dem Kopf schüttelt.

„So war das nicht gemeint. Ich habe nur über einen Gedanken von mir den Kopf geschüttelt, weil er so... unwirklich und falsch ist. Ich weiß nicht genau, wie ich ihn beschreiben soll."

Lucius lächelt und schaut nachdenklich auf das Glas Wasser hinab. „Ich denke, man kann Gedanken nicht beschreiben. Es sind keine Bilder oder Gefühle, auch wenn beides mit den Gedanken zusammenhängt. Aber diejenigen, die wir meinen, kann man nur benennen und erläutern. Erleuchte mich bitte über deine Gedankenwelt und lass mich an deiner Entrüstung teilhaben." Lucius' Blick wandert zu seinen Fingern. Provokativ streicht er mit dem Daumen über den Verlobungsring. Lou findet das mehr als nur unhöflich. Alleine schon aus dem Grund, weil er sie nicht ansieht. Sie verzieht das Gesicht. Nein, sie möchte wahrlich nicht darüber mit ihm sprechen. Er wird sich nur bestätigt fühlen. Hatte er nicht gesagt, dass es bald ihr Zuhause sein würde? Hat er recht? Ist es ihr Zuhause?

Sie fühlt sich dort nicht wohl, davon kann wirklich nicht die Rede sein. Sicher ist sie dort auch nicht. Es ist nur der einzige Ort, an dem sie sein kann. Nicht sein kann im Sinne des Geistes, sie kann also nicht so sein, wie sie wirklich ist. Aber sie kann dort körperlich sein.

Kann?

Sie muss dort sein. Wegen Lucius. Also ist Zuhause der falsche Begriff dafür. Viel eher ist es ein Gefängnis. Ein Gefängnis, dessen Zellen einmal wunderbar warm und weich sind und von jetzt auf gleich wieder kalt, dunkel und ungemütlich sind. Es gibt keine Regelmäßigkeit, andauernd muss man in Angst leben, dass die gute Zeit nicht gleich wieder vorbei ist.

„... Oder aber ich werde nicht daran teilhaben. Je nachdem, was deine Gedanken sind. Spanne mich nicht weiter auf die Folter. Erzähle es mir. Vielleicht hat es ja auch mit diesem Mann zu tun...", beendet er seine Aussage mit einer lieblichen Stimme, mit der er vermutlich auch zu Kindern sprechen würde, gekünstelt versteht sich. So fake.

Lou holt tief Luft, verschränkt die Füße unter dem Stuhl. Ein Hautfetzen ihrer Unterlippe zieht sie mit ihren Zähnen am Oberkiefer ab, wofür sie von Lucius einen missbilligenden Blick erhält. Sie setzt zum Sprechen an: „Ich habe darüber gedacht... Ich habe meinen Gedanken vergessen. Wie du weißt sind Gedanken unglaublich komplex und schnell."

„Soll das eine Ausrede sein?", fragt Lucius in einem strengeren Ton nach, senkt den Kopf auf ihre Höhe und durchbohrt sie förmlich mit seinen Blicken.

„Nein ist es nicht.", erwidert Lou ehrlich. „Ich weiß es nicht. Es hat nur davon gehandelt, dass ich das Malfoy Manor kurzzeitig als mein... Zuhause angesehen habe."

Lucius' Miene hellt sich bei ihren Worten innerhalb von Millisekunden wieder auf und er nickt zufrieden, lehnt sich auf dem polierten Holzstuhl zurück. „Gut... Und das ist also ein Grund dafür, erzürnt und enttäuscht über sich selbst zu sein?"

„Ja", antwortet Lou schlicht.

„Wie du siehst verarbeitet unser Gehirn Informationen, die nicht bis in unser Bewusstsein dringen. Oder zumindest nicht vollständig und sofort. Dein Unterbewusstsein hat deinen Geist, dein Bewusstsein, das das Produkt eines ständigen Austausches zwischen externer Wahrnehmung und innerer Emotionen ist, darauf hingewiesen, dir eine Erleuchtung gegeben. Du hast nicht damit gerechnet und warst dementsprechend überrascht. Du darfst es nicht leugnen, gestehe es dir ein, nehme es wahr.", sagt er völlig von sich selbst überzeugt, dreht weiter offen an seinem Ring herum.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now