34. Kapitel

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Lou atmet tief aus. Sie schaut hoch in das Gesicht Malfoys, welcher sie mit kalter Miene in sein Schlafzimmer trägt. Dort kniet er sich hin und lässt sie sich erheben. Die junge Frau wagt es nur sehr langsam, aufzustehen. Jede kleinste Bewegung schmerzt und lässt sie die Sterne sehen.

Als sie es endlich aus seinen Armen geschafft hat, legt sie sich mit dem Bauch auf das Bett. Ein letztes Seufzen von ihr aufgrund der Schmerzen und der unbequemen Position ist zu hören, bevor sie den Kopf zu ihm dreht.

Malfoy steht am Bett, nimmt ihr vorsichtig den Mantel ab. Er legt ihn sich um den Arm. Mit einem Schnipsen von ihm erscheint ein Hauself.

„Was kann Flumpi für Master tun?", fragt eine piepsige Stimme, die Lou zu dem kleinen Wesen, gewickelt in einem Vorhang, schauen lässt. Sie steht einige Meter von Malfoy entfernt. Dieser lässt den Beutel und den Mantel auf dem Boden fallen.

„Räume das ein!", befielt er noch harscher wie zu Lou. „Und versorge ihre Wunden. Ich denke, sie hat ihre Lektion gelernt."

Oh ja, das hat sie. Zeit, dass er die seine lernt.

„Komm dann zu mir, du minderwertiges Wesen. Ich habe etwas bei einem alten Freund von mir zu erledigen."

Mit einer Handbewegung lässt er sich seinen Gehstock zufliegen, der irgendwo gestanden haben muss und jetzt wieder bei seinem rechtmäßigen Besitzer ist. „Wohin gehst du?", fragt Lou. Es ist nicht so, als würde sie sich für ihn interessieren oder ihn gar vermissen. Jedoch spielt es eine Rolle für das, was sie vorhat. Wenn er nicht da ist, wird es einfacher gehen... und hoffentlich schmerzloser.

Lou muss sich schütteln. Sollte sie diesen Schritt tatsächlich schon nach dem zweiten richtigen Tag bei ihm wagen? Anderseits könnte man sich auch fragen, was noch alles in den nächsten Jahren passieren soll, wenn sich schon so viel Schreckliches in den letzten Stunden ereignet hat. Da wäre es besser, dem vorzeitig ein Ende zu setzen. Mit ihm darüber reden kann sie ja auch nicht.

Malfoy wirbelt seinen Gehstock herum und schaut sie noch einmal an, eher er zu sprechen ansetzt: „Zu einem alten Freund. Wegen seines Mädchens muss ich einen Schwur machen. Im Gegenzug wird er es für uns tun. Oder hast du unsere... Abmachung etwa schon vergessen?"

Lou läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Stimmt ja, den Schwur, der sie dazu verpflichtet, sich das Leben zu nehmen, wenn er stirbt. Wenn sie daran denkt, würde sie am liebsten kalt auflachen.

Aber was meint er mit diesem anderen Mädchen? Sind seine Freunde genauso krank wie er und machen das Gleiche mit unschuldigen Frauen? Es würde sie nicht wundern, wenn es so wäre. Weshalb sollte er auch sonst mit ihnen befreundet sein? Verrückte Personen haben auch nur verrückte Freunde.

„Gut", murmelt sie und hofft, er würde lange wegbleiben. Wer weiß, vielleicht würde der weibliche Hauself ihr dabei helfen. Vermutlich eher weniger, schließlich wäre die arme Kreatur dann maustot. Apropos Maus: Was ist eigentlich mit dem Animagus, dessen Namen sie noch immer nicht kennt?

Malfoy nickt ihr einmal kalt zu, eher er sich schwungvoll umdreht und den Raum verlässt. Das Aufschlagen seines Gehstocks auf dem Boden ist zu hören. Die Tür fällt ins Schloss. Ein Klicken ertönt.

Das Zeichen dafür, dass er abgeschlossen hat. Sie ist mal wieder gefangen.

Doch das spielt sowieso keine Rolle mehr. Der Weg zum Badezimmer ist für sie noch immer frei. Und letztlich ist das der einzige, den sie noch braucht.

Die Hauselfe beeilt sich, die Kleidung in einen großen, schwarzen Kleiderschrank an der Wand zu räumen. Immer mal wieder wirft sie Lou einen ängstlichen Blick zu. Wie es wohl sein muss, auch noch unter der Terrorherrschaft Malfoy arbeiten und nicht nur leben zu müssen, möchte sie gar nicht wissen.

Gerade als sie auf die nackte Lou zugehen will, hält sie inne und schaut panisch zu ihr. „Ich muss gehen, Miss. Er ruft mich."

Lou runzelt die Stirn. Eigentlich kommt ihr das ganz recht, schließlich würde Flumpi vermutlich das, was sie vorhat, verhindern wollen. Wenn sie nicht da ist, ist es nicht unbedingt schlecht.

Ohne eine Antwort abzuwarten, disappariert die Hauselfe, sodass Lou vollkommen alleine ist.

Sie atmet einmal tief ein uns aus, hat aufgehört zu weinen. Nach einigen Minuten, in denen sie ihre Möglichkeiten abgewogen hat und dennoch zum gleichen Ergebnis gekommen ist, erhebt sie sich langsam und schwerfällig. Nackt, wie sie ist, schleppt sie sich ins Bad, öffnet müde die Tür. Im Spiegel sieht sie sich sofort als sie eintritt.

Eine ungewöhnlich blasse Lou blickt ihr entgegen. Sie hat verstrubbelte Haare, die Wunden und das Blut an ihren Wangen sind noch immer zu sehen. Bevor sie es tut, könnte sie sich eigentlich noch duschen. Hat sie das gerade ernsthaft gedacht? Wasser in ihren Wunden ist vielleicht nicht ganz so gut und außerdem: Warum sollte sie sich davor nochmal waschen? Sie sieht gerade vollkommen scheiße aus. Und es interessiert sie ehrlich gesagt nicht die Bohne. Es gibt anderes, das viel wichtiger für sie sein sollte.

Vorsichtig dreht sie sich um und dreht den Kopf zum Spiegel, besieht sich das, was er ihr am Rücken angetan hat. Ein Fehler. Sofort schließt sie die Augen und atmet tief durch. Es sieht schrecklich aus. Obwohl er sich deutlich Mühe gegeben hat. Es ist einfach nur abartig.

Mit einem letzten Blick in den Spiegel, dreht sie sich um, holt von dem Holztisch im Schlafzimmer den Stuhl und schleppt ihn ins Badezimmer.

Auf den einbrechenden Schmerz vorbereitet dreht sie sich schwungvoll und versucht alle Kraft aufzuwenden, die ihr noch bleibt. Dann schleudert sie den Stuhl mitten in den riesigen Spiegel.

Das Glas splittert sofort, bricht und fällt in Scherben hinab. Sie fliegen bis zu ihr, obwohl sie ein paar Meter davon entfernt steht. Vor ihr liegen sie. Nur ungern möchte sie dort hinein treten, deshalb lehnt sie sich vor, um eine möglichst große Scherbe zu bekommen. Ihr Kreislauf spielt verrückt, sie sieht kurz wieder die blauen Flecken, ehe sie wieder richtig steht. Mit einem Blick an die nun leere Wand hält sie die scharfe Scherbe höher, streckt ihr Handgelenk vor. In ihr kommt die Frage auf, wie man das überhaupt macht. Funktioniert das so? Wo muss sie ansetzen? Muss sie viel Druck aufwenden? Geht das überhaupt so leicht? Könnte sie so etwas überleben?

Lou schluckt. Was ist, wenn es nicht funktioniert? Was ist, wenn sie es nicht kann? Zweifel kommen auf. Mit diesen Zweifel Tränen. Ist sie überhaupt stark genug dafür? Die Entschlossenheit, die sie eben noch mitgerissen hat, verschwindet.

Malfoy ist es doch nicht wert, dass sie zu solchen Mitteln greift! Oder doch?

Sie weiß es nicht, weiß nichts. Ein lautes, verzweifeltes Schluchzen ist zu hören. Lou weiß einfach nicht mehr, wie es weiter gehen soll. Es ist so schwer! Alles hier. Wenn sie hier irgendwann mal rauskommen sollte, dann wird sie froh sein, es nicht getan zu haben. Aber es jetzt abzublasen, wäre viel zu spät! Er wird den Stuhl und die vielen Scherben sehen und wissen, was sie vorhatte. Mit einem Zauber könnte sie den Spiegel nicht reparieren. Schließlich hat er ihren Zauberstab.

Wie wird er wohl darauf reagieren?

Sollte sie es alleine, weil es schon zu spät zur Umkehr ist, tun? Was sollte sie tun und was nicht? Was will sie tun?

Sie weiß es nicht. Lou ist zutiefst verzweifelt.

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt