92. Kapitel

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Lou legt sich möglichst bequem auf die Seite und nimmt ihre Hand, die ihr nach wenigen Minuten einschläft, als Kissen. Ihr Kiefer zittert vor Kälte. Sie versucht einfach nur einzuschlafen, um davon nichts mitzubekommen. Vielleicht erfriert sie ja... Nein, dafür ist es doch zu warm. Es kann ihr schon Schäden zufügen, vermutlich wird sie krank werden. Zum Tod sollte es aber nicht kommen... Demnach sind es nur weitere Schmerzen, die sie ertragen muss. Als wären die emotionalen nicht schon schwer genug.

Immerhin hat sie die Hoffnung vor Augen, am nächsten Tag endlich hier raus zu kommen. Sie hält es nicht aus, kann nicht noch länger hier bleiben. Der Trank würde ihr ihren Willen, ihre gesamte Identität nehmen. Dafür hat sie die Chance glücklich zu sein. Sie dachte immer, dass Selbstverwirklichung, Persönlichkeitsentwicklung der Weg zum glücklichen Menschen wären. Diese wird sie aber nie erreichen können - ob mit oder ohne Trank. Sie muss einen anderen Weg finden und wenn dieser der der Unterwerfung ist, dann sollte sie sich nicht dagegen wehren und es begrüßen,... oder?

Vielleicht wird Lucius ihr verzeihen, wenn der Trank wirkt und sie so ist, wie sie ihm gefällt... vielleicht wird er sich wirklich ändern.

Nein, das wird er nicht. Was hätte er noch für einen Ansporn sich zu verändern, wenn er sie vollkommen für sich hat?

Sie seufzt und schließt zum gefühlten tausenden mal die Augen.

Sie spürt einen stechenden Schmerz in ihrer Seite und öffnet sofort die Augen. Das grelle Licht lässt sie aufstöhnen, ebenso wie der Schmerz. Sie versucht mehrmals die Augen zu öffnen, ehe sie es hinbekommt und Lucius über sich anschaut. Er steht erhaben und groß und sein schwarzer Stiefel befindet sich an ihrer Seite. Lou krümmt sich und hält sich diese, während sie den Blick von ihm abwendet.

„Du stinkst.", sagt er und rümpft die Nase. „Bevor ich den Trank erhalte und ihn dir gebe, solltest du dich duschen. Jetzt wo du wach bist kannst du auch selbst laufen. Also steh auf, wir haben noch viel zu tun.", sagt er und entfernt sich ein Stück. Er lässt sie nicht aus den Augen.

Lou hält sich weiter die Seite, weiß aber wie wichtig es ist seinen Befehlen Folge zu leisten. Unter Schmerzen rappelt sie sich auf. Immerhin hat sie ein wenig mehr Energie, weil sie länger geschlafen hat. Das hilft ihr jedoch wenig, denn ihr Körper ist schwach und es fällt ihr schwer zur Treppe zu gehen. Lucius geht mit wenig Abstand hinter ihr her. Wärme schlägt ihr entgegen, die sie verkrampfen lässt. Dieser Temperaturunterschied... Obwohl es warm ist, friert sie noch mehr. Sie versucht sich selbst zu umarmen, um sich mehr Wärme zu geben. Das verfehlt die Wirkung jedoch. Wenn eine Person friert, dann wird die Wärme aus den Teilen des Körpers genommen, die am weitesten von den überlebenswichtigen Organgen entfernt sind. Einen Fuß braucht man nicht unbedingt zum Überleben, das Herz schon. Deshalb sind ihre Finger auch bläulich angelaufen. Sie sieht es erst jetzt, da hier genügend Licht ist, das in ihren Augen gebrochen werden kann. Bei den Füßen und bei den Ohren muss es bestimmt genauso sein. Sie kann ihre Hände und Füße kaum bewegen... Es schmerzt. Wenn sie ihre Hände zum Wärmen benutzen will, dann bringt das nicht viel.

Es ist so demütigend, dass er sie so sieht. Was ist sie denn noch? Ein Häufchen Elend!

„Liebst du mich noch?", flüstert sie ihm mit zitternder Stimme zu, als sie die Treppen aus dem Keller hoch läuft und die frische und gute Luft einatmet.

Das Auftreten seiner Schuhe ist nicht mehr zu hören, sodass sie stehen bleibt. Sich umzudrehen könnte fatal sein. Was würde sie erwarten? Eine kalte Miene, die die Frage verneint? Keine Reaktion? Ein Schockzustand? Oder bringt es ihn aus der Fassung und öffnet ihm die Augen, dass diese Behandlung teilweise gerechtfertigt ist, ihn aber zu nichts bringt?

Gerechtfertigt? Lou runzelt über sich selbst die Stirn. Was denkt sie da für einen Schwachsinn! Diese Strafe war viel zu hart, menschenunwürdig! Lucius bringt sie dazu, an sich selbst zu zweifeln.

„Du wagst es das infrage zu stellen?", fragt er in einem leisen Ton, der ihr viel mehr Angst einjagt als jeder andere. Es ist also Wut, weil er enttäuscht ist.

Sein Atem geht schnell und laut. Es hört sich für sie so an, als stünde er direkt hinter ihr. Bevor sie den Kopf zu ihm drehen kann, spricht er erneut. Diesmal ist es noch leiser, fast unverständlich. Die Drohung ist aus seinem Ton verschwunden. Es wirkt.. verletzt. „Ich werde dich immer lieben, Lou. Deshalb mache ich das doch... Du musst noch so viel lernen. Der Trank sollte dir dabei helfen. Und nun gehen wir hoch, damit du dich duschen kannst. Danach will ich dich nicht mehr sehen bis ich den Trank erhalten habe. Stell mir diese Frage nie mehr." Der letzte Satz ist unbestreitbar eine Bitte, selbst wenn das entsprechende Wort fehlt. Es wundert sie, weil es sich nicht wie ein Befehl anhört.

Lou sieht ihm in die Augen, die seltsam fern wirken, so als wären sie nicht im hier und jetzt.

Lucius liebt sie noch, obwohl sie diesen großen Fehler gemacht hat...

Es scheint, als würde ein Ruck durch ihn fahren. Plötzlich steht er wieder gerade da. Er muss einen Entschluss getroffen haben. „Und nun lauf, ich werde dir folgen." Der Befehlston kehrt zurück.
Lou nickt ihm zu, dreht sich um und geht die Treppen hoch.

Im Badezimmer von Lucius und ihrem Schlafzimmer beginnt sie sich auszuziehen und zu duschen. Lucius steht breitbeinig vor ihr und hat die Hände vor seinem Schritt verschränkt, während er ihr dabei zuschaut ohne sich zu regen. Lous Finger schmerzen als sie sich ausziehen will. Sie hat kein Gefühl mehr darin. Die letzte Nacht muss kälter als die davor gewesen sein und ihr Körper immer erschöpfter, trotz des steigenden Schlafes.

Sie schämt sich nicht mehr in seiner Gegenwart nackt zu sein, obwohl sie eine sehr angespannte Bindung zueinander haben.

Lucius hält ihr nicht einmal ein Handtuch hin, als sie aus der warmen Duschen kommt, die ihr noch mehr Schmerzen an den eigentlichen frierenden Stellen zufügt. Sie schüttelt sich und nimmt sich ein Handtuch, Anschließend macht sie sich unter den strengen Augen ihres Verlobten fertig. Die dreckigen, teilweise kaputten Klamotten liegen in einer Ecke und warten nur darauf, von einer Hauselfe entsorgt zu werden.

Was nicht mehr gebraucht wird, wird beseitigt um sich etwas Neues anzuschaffen... Hilft der alte Plan nicht, wird er verworfen und ein neuer benötigt

Besitz, Liebe, Schmerz, Zweifel - Lucius MalfoyWhere stories live. Discover now