1.Kapitel:Dort wo sie ist

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Die Pfoten der Sandbestie schlugen donnernd auf dem Weiß des Dünentals auf, durch das sie sich bewegten und bei jedem Sprung jagte der Aufschlag als kleines Beben durch den muskulösen Körper. Um die breiten Fesseln stieg der Sand als feiner Dunst auf, malte tanzende Wirbel in die glühende Luft und bildete eine massiven Säule die um das Löwen ähnlichen Wesen tobte.
Shinda, der das Auge des so entstandenen Sturms bildete, brüllte freudig in die Ebene hinaus.
Wie der Klang eines fernen Gewitters, rollte seine Stimme über die farblosen Hänge der Knochensandebene und verhalte weit hinter dem Horizont.

Ri lachte, als er auf diese Weise seine Gefühle zum Ausdruck brachte.

Er hatte sich so sehr gefreut sie wieder zu sehen, wie Diana traurig war, als Kajatan sich von ihr verabschiedet.
Selbst Ri hatte die Drachen Dame über die Zeit lieb gewonnen, aber Diana wollte ihre Heimat nicht verlassen und so hatten sie, nahe der Grenze, trennen müssen.

Shinda hatte dort schon auf sie gewartet. Nachdem die Sanddrachen ihn zu nächst überhaupt nicht in ihrem Reich haben wollten, hatte er sie auf diesem Teil ihrer Reise nicht begleiten können und war nun überglücklich, seine junge Herrin wieder zu haben.

Ri blickte hinab auf den Boden, der unter ihnen dahin raste, wie ein weißes Band, das Funken schlug, denn die feinen Körner stiegen um Shindas Beine auf und türmten sich um seine Gestalt zu einem gewaltigen Sturm.

Es lag in seiner Natur diesen zu erschaffen und Ri hatte sich in seinem Zentrum immer besonders sicher gefühlt, verbarg er sie doch vor allen Blicken. Doch dieses mal wollte sich die gewohnte Ruhe einfach nicht einstellen und sie wusste durchaus wieso.

Sie näherten sich der Grenze zum bekannten Land, mit der Geschwindigkeit eines Orkans und so sehr sie wusste, das es unvermeidbar war, so sehr trieb es die Sorge in ihr Herz wie dunkle Schatten.
Denn dort wo der weiße Sand, den der Wind vom Marmorgebierge heran brachte und der goldene Sand ihrer Heimat, aufeinander trafen, wartete ein Gegner auf sie.

Es war ein ihr bekannter Gegner und so hatte sie geglaubt nicht mehr solche Angst zu empfinden. Immerhin hatte sie sich ihm bereits so oft gestellt und hatte noch ganz anderen Geistern stand gehalten. 
Aber sie hatte sich geirrt.
Ihr Herz schlug, mit jedem Sprung den Shinda tat, schneller, als könne es so die Sorgen vertreiben, die sich in ihm eingenistet hatten, doch es half nichts.

„Kajatan,“
rief sie und sein Gesicht schob sich zu ihr nach vorne.

Er trug die Maske nicht mehr, hinter der er all die Zeit sein Gesicht versteckt hatte, weil er fürchtete Ri würde das Monster in ihm sehen, für das er selbst sich hielt.
Zu beginn hatte sie das tatsächlich getan und war mit Schrecken vor dem Mann geflüchtet, der sie auf ihrer Reise seit langem begleitete. Aber ihr war schnell klar geworden, dass ihr Verhalten kindisch war.
Kajatan würde ihr niemals etwas antun, daran würden auch die langen Reißzähne nichts ändern, die nun sichtbar wurden, als er zu sprechen begann.

„Ist es so weit?“
Sie lächelte, als sie die Besorgniss in seiner Stimme hörte. Er hatte vor dem, was vor ihr lag vielleicht sogar mehr Angst als sie.
Schließlich würde dieser Kampf auf einem Schlachtfeld statt finden, auf das er sie nicht begleiten konnte.

Diese Tatsache hatte ihn früher regelmäßig wahnsinnig gemacht, wenn sie wieder einmal mit ihrem Geist die Ebene wechselte, um sich Mächten zu stellen, die er sich nicht einmal vorstellen konnte.
Aber was sollte er tun?
Seine Rasse war schlicht weg nicht dazu geschaffen diese Ebene überhaupt wahr zu nehmen.

Als wollte die Natur seine Art dafür entschädigen besaßen sie größere Körperliche Kraft und Schnelligkeit, als ein Mensch sie jemals erreichen konnte. Zudem waren sie begabte Kämpfer, gleich welche Waffe sie verwendeten.
Sie waren selbst mit leeren Händen noch immer gefährlicher, als eine Gruppe, biss an die Zähne bewaffneter Männer.

Zwar waren die Golem ihnen, an reiner Stärke überlegen, doch die goldenen Körper waren langsam und schwerfällig, verglich man sie mit denen der Beschaffer. Ein Kampf, zwischen ihren Spezies würde wohl immer zu deren Seite ausgehen.

„Da ist die Grenze,“
rief sie gegen den Wind, der ihr die Worte von den Lippen riss.

Dort wo weißer und goldener Sand aufeinander trafen, vermischten sich die beiden Farben, so das es keine wirkliche Linie gab, sondern eher ein fließender Übergang, der beiden Landmassen.

Ris Augen konnten den schmalen Streifen nicht los lassen. Ihr Herz klopfte bei diesem Anblick so schnell, das sie meinte es würde ihr gleich aus der Brust springen.
Vergebens versuchte sie sich zu beruhigen.

Da griffen Kajatans lange Arme an ihr vorbei, vergruben sich in der wilden Mähne der Sandbestie und bildeten so, zu beiden Seiten, eine schützenden Wall.
Seine Nähe beruhigte sie und sie ließ sich gegen die breite Brust sinken.
Der vertraute Geruch nach Raubtier umgab sie und langsam entspannte sich ihr Körper.

Sie wusste im grunde, das er es nur tat um sie davor zu bewahren, wie beim letzten mal von Shindas Rücken zu fallen, doch es war ihr egal.

Sie empfand einen seltsamen Frieden, wie sie so da saß.
„Eigenartig,“
dachte sie bei sich.
„Eben hatte ich doch noch Angst.“

Dann donnerten Shindas Tatzen über die Grenze und Ri wurde in die Dunkelheit gezogen.

Kajatan spürte, wie ihr Körper zusammen sackte und sah die schwarzen Schleier, die sich plötzlich durch das Gold ihrer Augen zogen.
Innerhalb weniger Herzschläge war da nur noch Schwarz, als hätte jemand die Nacht in ihnen gebannt.
Noch immer empfand er bei diesem Anblick Angst, sogar mehr als damals, denn heute war er sich bewusst, was er für Ri empfand und was es für ihn bedeuten würde, wenn sich ihre Augen niemals wieder normalisierten.

Er musste ihr an dieser Stelle wohl einfach vertrauen. Vertrauen dass sie den Weg zu ihm zurück fand und das würde sie, da war er sich sicher.

Er setzte sich auf dem Rücken der Sandbestie zurecht, denn das ständige Ruckeln verschob seine Position immer wieder nach hinten. Bei dieser Bewegung rollte ihr Kopf zur Seite und fiel in seine Armbeuge.

Sein Gesichtsausdruck wurde weich, als er sie betrachtete. Ihre Augen waren inzwischen geschlossen und ihr Bewusstsein aus ihrem Körper verschwunden. Sie schlief und wirkte dabei so friedlich, das er unwillkürlich lächeln musste.
Manchmal konnte er es noch immer nicht recht glauben das sie ihn tatsächlich in ihre Nähe ließ und auch wenn er wusste, das ihm das allein eigentlich genügen sollte, konnte ein kleiner Teil von ihm einfach nicht anders, als sich immer wieder zu wünschen, das sie all das, was er für sie empfand irgendwann erwiderte.

Immer, wenn sie ihn ansah oder sie sich berührte, so wie jetzt, schien seinen Körper eine eigenartige Wärme zu durchfluten.
Eine Wärme, die ihn süchtig machte und manchmal glaubte er nicht mehr ohne sie leben zu können.

In diesem Moment konnte er nicht anders, als sich herab zu beugen und einen Kuss auf ihrem Scheitel zu platzieren.
Seine feine Nase nahm ihren Geruch auf und filterte, wie von selbst, die einzelnen Komponenten heraus, die ihn ausmachten.
Da waren Sand und Hitze, der Geruch von Stahl, der noch an ihr haftete und der feine Duft einer der seltenen Wüstenblumen.
Unter allen dem lag etwas, das einfach ganz und gar sie war. Eine warme und weiche Note, die jeden Gedanken in seinem Kopf zum verstummen brachte.

„Was machst du nur mit mir?“,
sagte er liebevoll, doch die Schlafende hörte ihn nicht.
Ihr Geist befand sich an einem Ort, der weit weniger friedlich war.

Das Herz der GolemDonde viven las historias. Descúbrelo ahora