21.Kapitel: Dort wo wir suchen

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„Danji war ein Spion.
Er sollte den Händler überwachen, hat dann aber seine große Chance gewittert. Er hat uns nur geholfen, weil er an Informationen kommen wollte.“
Kajatans Stimme blieb bei diesen Worten ruhig, beinahe distanziert und doch trafen sie Ri härter, als wenn er geschrien hätte.

Sie hatte geglaubt der Junge wollte ihnen helfen, weil es das Richtige war. Jetzt zu erfahren das er es aus reiner selbstsucht getan hatte, schmerzte sie tief.
Sie hatte ihn für unschuldig gehalten und sich damit so sehr geirrt.
Nach dem was die Menschen ihrem Volk angetan hatten und noch immer taten, hatte sie nicht geglaubt jemals einem von ihnen zu vertrauen.
Doch sie hatte Danji vertraut, ohne es zu merken und sie verfluchte ihr weiches Herz dafür, denn es brachte ihr nichts als Leid.

Sie hätte es besser wissen sollen, dachte sie bei sich und trotzdem trieb es ihr die Tränen in die Augen.
Der erste Mensch, dem sie vertraut hatte, hatte sie verraten wollen.
Es schmerzte, auch wenn ein Teil von ihr sich fragte, was sie eigentlich erwartet hatte.

Kajatan legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter und Halt suchend lehnte sie sich gegen seine breite Brust.
Der Klang seines Herzens, das so ruhig und gleichmäßig unter seiner Haut schlug, beruhigte sie und brachte die Tränen zum versiegen.

„Ich hätte es wissen müssen,“
nuschelte sie, in sein Gewand.

Kajatan strich ihr sanft über den Rücken und konnte nicht anders, als sich zu wünschen, das dieser Moment nie endete. So sehr er Danji seinen Verrat auch übel nahm.

„Für das Misstrauen hast du doch mich,“
versuchte er sie aufzumuntern, doch sie nickte nur stumm.

„Außerdem ist das ein Teil von dir. So bist du nun einmal.“

„Dumm und naiv?“,
fragte sie und lachte freudlose.

Er schüttelte den Kopf.
„Nein. Freundlich, unverdorben und warmherzig. Du bist noch nicht lange genug auf dieser Welt um all ihre Schatten zu kennen und ich fürchte mich vor dem Moment wenn du es tust. Denn es verändert Einen.
Verändert das Herz.“
Er sah sie liebevoll an und strich kurz über ihr goldene Haar, als könne er so allen Schmerz davon wischen.

„Es würde jemand anderen aus dir machen.“

Sie nickte nur dumpf. Seine Worte heilten einen Teil der Wunde, die Danjis Vorhaben in ihr Innerstes gerissen hatte, aber nicht alles.
Es würde dauern, bis sie vollends abheilte und auch dann würde vermutlich eine Narbe bleiben.

Sie seufzte und löste sich schließlich von ihm.

„Ich habe eine Aufgabe,“
sagte sie langsam und versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. Es gelang ihr nicht.

„Was hast du vor?“,
fragte Kajatan, leicht besorgt.

„Erst mal werde ich versuchen den Ursprung all der Schwärze ausfindig zu machen. Dann sehen wir weiter.“

Er nickte und sie schloss die Augen und ließ sich fallen.

Die Energieebene empfing sie mit der selben Dunkelheit wie sie es je her getan hatte und Ri fühlte sich gleich besser.
Sie hatte das Gefühl das all der Schrecken der wirklichen Welt nicht bis hier her dringen konnte.

Natürlich wusste sie das es nicht so war, das sie sich selbst etwas vor machte, aber die Ruhe, die es ihr schenkte, war ihr diese Lüge wert.

Die Verbindung lag vor ihr wie eine schwarze Schnur und Ri folgte ihr langsam, immer darauf bedacht sie zwischen den anderen nicht zu verlieren. Es war schwieriger, als sie erwartet hatte, denn im Dunkel der Energieeben verschwammen sie geradezu mit ihrer Umgebung.
Ihre große Zahl erschwärte zudem das finden des Anfangs.

Ein weiteres mal gab sie frustriert auf, als sie merkte das sie dem falschen Band folgte. In dem riesigen Gewirr war es ein Ding der Unmöglichkeit den Ursprung zu finden.
Hier liefen sie übereinander, da teilten sie sich oder schlossen sich zu großen Strängen zusammen.

Sie überlegte.
Damals hatte sie das Zentrum der Dunkelheit erkannt, als sie von oben darauf geschaut hatte.
Mit etwas mehr Abstand zwischen sich und dieses Durcheinander, würde sie vielleicht das Zentrum ausmachen können.
Der Gedanke gab ihr die Hoffnung zurück, die die vergebliche Suche ihr genommen hatte und sie öffnete die Augen.

Das erste was sie erblickte, war Kajatans Rücken in der Dunkelheit. Er spähte um die Ecke der Gasse vor ihnen und hielt mit allen Sinnen nach Verfolgern ausschau.
Er drehte sich zu ihr um, so als habe er gespürt das sie in ihren Körper zurück kehrte und lächelte leicht.
„Und, was heraus gefunden?“

Sie schüttelte traurig den Kopf.
„Es sind zu viele. Ich kann einfach nicht erkennen von wo sie kommen. Wenn ich mehr Abstand hätte, sie von oben sehen könnte, könnte ich es vielleicht sagen.“

Er verzog kurz das Gesicht.
Den Standort zu wechseln würde bedeuten ihre Deckung aufzugeben und auf offenes Gelände zu laufen wo sie eine leichte Beute waren.

Aber ihnen blieb kaum eine andere Wahl und bald würde die Sonne unter gehen. Beschaffer waren ihrer Natur nach zwar am Tag eher selten und meist Nachts unterwegs, doch die kurze Zeit des Sonnenunter- und aufgangs war die Sicherste. Die meisten waren um diese Zeit bereits wieder in ihren Verstecken.

„Na schön, aber bleib hinter mir.“

Der Tag dämmerte langsam und die Sonne schickt bereits die ersten Strahlen über den Himmel, sie selbst war jedoch noch nicht über dem Horizont erschienen.
Ri sah hinaus auf das helle Schauspiel, das sich über den Dunstwolken des herrschenden Sandsturms abzeichnete und seufzte.
Sie befanden sich in einem der hohen Häuser und ihre Position erlaubte ihr den Blick über die Mauern der Stadt und über den Sturm, aber das warme Licht schien sie nicht zu erreichen. Sie fühlte sich noch immer leer. Als habe der Schmerz sie ausgesaugt und sie wünschte das Gefühl würde verschwinden.

Kajatan trat hinter sie.
„Kannst du von hier oben etwas finden?“

„Ich weiß es noch nicht, aber in jedem Fall wird es etwas dauern. Ruh du dich solange aus. Wenn ich richtig gezählt habe hast du seit zwei Tagen nicht geschlafen.“

Er erwiderte nichts, trat nur in den hinteren Teil des kleinen Zimmers und rollte sich zusammen.

Ri blickte noch kurz auf seine dunkle Gestalt, dann ließ sie sich erneut fallen.

Jetzt waren die schwarzen Verbindungen weiter von ihr entfernt, doch sie verloren sich in der alles umfassenden Finsternis, was es ihr unmöglich machte ihren Ursprung zu ermitteln.

Sie schlug die Augen wieder auf und fluchte.
Verzweiflung schwappte wie eine Welle über sie herein und vertrieb die letzten Schatten der Trauer, die sie noch immer über Danjis geplanten verrat empfunden hatte.

Wie sollte sie so jemals das Herz dieser Dunkelheit finden?
Sie atmete tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Sie musste nachdenken.
Unruhig begann sie auf und ab zu laufen, die Hände auf dem Rücken verschränkt.

Die einzige Möglichkeit die sie sah, war es jeden Winkel dieser Stadt abzusuchen und dabei immer wieder die Ebene zu wechseln. Doch das konnte Wochen, vielleicht sogar Monate dauern und würde ganz sicher nicht ungefährlich werden.

Frustriert starrte sie aus dem Fenster.
Da zuckte ein Gedanke durch ihren Geist, der sie sich die Hand vor die Stirn schlagen ließ.

Ihr Auge!
Ihr linkes Auge!

Schnell schloss sie ihr Rechtes und konzentrierte sich nur auf die Sicht, die ihr Linkes ihr zeigte. Die schwarzen Fäden lagen klar vor ihr. Wie dunkle Schlangen liefen sie über den Boden weit unter ihr und sie hätte jubeln können.
Ohne die Dunkelheit der Energieebene, in der sie sich verloren, waren sie deutlich einfacher zu erkennen.

Übermütig streckte sie ihren Kopf aus dem Fenster und folgte den Fäden mit ihrem Blick, die alle in eine Richtung zu laufen schienen. Es ging durch die Gassen der Stadt, immer weiter ins Zentrum und Ri erbleichte.

Die dunklen Fäden sammelten sich im höchsten Gebäude von Amidala.
Dem Palast der Königsfamilie.

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