58.Kapitel: Dort werden Gefangene gemacht

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Ri schlug nach Gadhir. Ihre gewaltige Kraft hätte ihm leicht die Knochen zertrümmert, etwas das auch ihm klar war und so wich er geschickt aus. In der selben Bewegung packte er ihren Arm und verdrehte ihn auf ihrem Rücken. Mit der freien Hand versuchte sie ihn zu erwischen, doch seine Finger schlossen sich auch um diese.
Sie war deutlich stärker als er, doch was half es ihr, wenn sie sich nicht bewegen konnte.

So leicht würde sie sich jedoch nicht geschlagen geben. Sie stämmte ihre Füße in den Boden und schleuderte ihren Kopf nach hinten. Es gelang ihm nicht ganz auszuweichen und so schlug ihr Schädel auf seine Schulter. Er zischte auf vor Schmerz und Ri meinte es knacken zu hören.
Es genügte, um seine Griff zu lockern und Ri riss an ihren Armen. Doch bevor sie sich befreien konnte, packte er sie wieder fester.
Der winzige Triumph, den sie empfunden hatte, ging unter im brennen ihrer Muskeln, als er ihr die Beine weg trat. Sie landete im Dreck und nur seine Kraft hielt sie aufrecht genug, damit nicht auch ihr Gesicht am Boden aufschlug.
Ihre Arme wurden dabei nach hinten gezerrt und schmerzhaft verdreht.
Sie versuchte einen Aufschrei zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht.

Aus ihrer Position sah sie zu Mahati auf, die sich seit Gahdirs Auftauchen nicht bewegt hatte. Sie stand nur da, die Hände in ihr Gewand gekrallt, als könne sie die Gewalt, die sich vor ihren Augen abspielte kaum ertragen. Dabei war sie es gewesen, die den Beschaffer zu ihr geführt hatte.
Ri war selbst überrascht mit welcher Tiefe die Verachtung in ihr aufstieg.
Es war ein völlig neues Gefühl, das sie klarer sehen ließ.

Mahati war eine kleine Frau, mit einem beschränkten Bewusstsein.
Sie konnte die Welt nicht überblicken, sah nur was direkt vor ihrer Nase war.
Für sie endete die Welt hinter ihr und ihrem Schmerz. Probleme, die darüber hinaus gingen gab es für sie nicht.

„Du hast mir nie helfen wollen. Du wolltest dir nur alles von der Seele reden! Du hast mich belogen!“

Der Griff um ihre Handgelenke wurde fester.
„Wie rührend, der erste Streit.“
Er zog sie mit einem Ruck hoch und Ri war sich sicher, das er ihre Arme mit Absicht so weit wie möglich verdrehte.

„Du kannst froh sein, das ich den Befehl habe dich lebend zu fangen. Wenn es nach mir ginge..“
Er fuhr mit seinen Krallen über ihren Hals. Ri spürte, wie sich die scharfen Spitzen in ihre Haut bohrten und kleine Fuhrchen hinein rissen.
Es war nicht wirklich schmerzhaft, eher eine Wahrung, dennoch tropfte es warm zu Boden.

„Wenn ich sterbe, dann als freies Wesen. Ein Privileg, das dir geschenkt wurde,“
spie sie Mahati entgegen, dann zerrte Gahdir sie weg.

Kajatan hielt sich im Schatten, der schmalen Häuserschlucht. Sie wuchs um ihn in den Himmel, das Licht aussperrend und verbarg ihn damit vor den Blicken der Passanten.
Es waren Beschaffer in den Straßen unterwegs, so viele, das es ihn nicht wunderte, das niemand ihn auch nur zu bemerken schien. Doch die anderen würden ihn bemerken, wenn er auch nur einen falschen Schritt machte.
Er galt als Tod und er wollte diesen Glauben nicht zur Wirklichkeit werden lassen.

Das Geräusch eines Schrittes, ein Stiefel auf Sand, drang an seine empfindlichen Ohren. Es kam von Oben und Kajatan riss den Kopf hoch.
Zwei gelbe Augen sahen ihn von der Kante des Hauses über sich, gelassen und wissend an. Der Kopf des fremden war nur eine Sekunde zu sehen, dann verschwand er und ließ den Himmel wieder leer zurück.

Ein unruhiges Gefühl machte sich in seiner Brust breit. Sein Verstand sagte ihm, das es keine Rolle spielte, das dieser Mann ihn gesehen hatte, es waren so viele von ihnen, er würde ihn für einen von ihnen halten. Aber seine Instinkte sagten ihm etwas anderes.
Der Blick des Fremden, diese berechnende Kälte...

Etwas stimmte nicht.
Er musste ihn aufhalten!

Seine Instinkte hatte ihm auch früher schon das Leben gerettet und ihn gewarnt vor Dingen die sein bewusster Verstand nicht wahrgenommen hatte und so zögerte er nicht, diesem Impuls nachzugeben.

Seine Krallen gruben sich in die feinen Spalten der Mauer, während er sich hoch zog. Meter um Meter, in einer Geschwindigkeit, wie kein Mensch sie erreichen konnte.
Schwungvoll warf er sich über die Kante, aber das Dach auf dem er landete war leer.
Der andere Beschaffer schien das Weite gesucht zu haben. Sehr schnell sogar, wie ihm die dünne Spur verriet.

Das war eine Tatsache, die sein Unbehagen steigerte. Warum war er geflüchtet nachdem er ihn gesehen hatte, hatte er Angst?
Nein, wohl kaum. Sein Verschwinden machte nur dann Sinn, wenn er gar nicht geflohen war.
Sondern gelaufen um Bericht zu erstatten.
Sie suchten ihn!
Die Lüge, er wäre gestorben war aufgeflogen. Nur wie?

Wenn sie es wussten, dann nur von zwei Personen.
Von Tay oder von Ri.
Alleine die Vorstellung, das sie Ri bereits hatten und er nicht bei ihr war ließ seine Gedanken untergehen in einem Sturm aus Sorgen.
Sie war ganz allein, ihnen ausgeliefert, wenn sie ihr weh taten...

Er musste zu ihr!

Seine Vernunft schien sich einfach auszuschalten. Der Teil in ihm, der ihm riet sich zu verstecken, zu versuchen zu entkommen, zu überleben, wurde übertönt, von diesem einen Gedanke.
Er musste zu ihr.

Wie von selbst begann er zu rennen. Er jagte über die Dächer der Häuser, sprang über die Schluchten, die sich zwischen ihnen auftaten und hört in seinem Rücken die erstaunten Rufe, der Menschen, die einen Schatten über ihre Kopfe hinweg segeln sahen.
Der Palast ragte in der Ferne auf, noch wirkte er so klein, als könne Kajatn ihn in seiner Hand zerquetschen, doch mit jedem Häuserzug, der vorüber huschte wuchs er in die Höhe.
Obwohl er rannte was seine Beine hergaben, geschar es doch noch immer viel zu langsam. In diesem Moment konnten sie Ri bereits in Ketten durch das Tor zerren. In der Sekunde, die er brauchte um über eine Straße hinweg zu setzen, konnte sie blutig geschlagen und mit jedem Donnern seines rasenden Herzen, tiefer ins Innere dieses gewaltigen Bauwerks geschleift werden.

Ein Geräusch ließ ihn im Lauf den Kopf wenden. Eine schwarz gekleidete Person hatte sich über den Rand der seitlich liegenden Hausreihe geschleudert. Elegant war sie gelandet und hatte sofort zu rennen begonnen. Sie hielt mit ihm schritt.
Das selbe Geräusch, dieses mal von der anderen Seite.
Ein weiterer Beschaffer!
Nein, mehrere.
Vor ihm und hinter ihm tauchten weitere Gestalten, wie aus dem Nichts auf und rannten mit ihm im Gleichschritt.

Er war umzingelt!

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