87.Kapitel: Dort wohin das Herz uns führt

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Kajatan beobachtet Ri, während sie Vorbereitungen traf und das Durcheinander organisierte, bis es sich lichtete. Wie sie einen Trupp in den Palast zurück schickte, den Kristall zu holen und mit dem goldenen Giganten auch die Beschaffer und Falkenaugen auf den Vorplatz kamen.
Die beiden Rassen wirkten verunsichert, war doch ihre Welt gerade auf den Kopf gestellt worden. Doch ihre Gesichter zeigten auch den vorsichtigen Anflug von Freude. Als hätten sie dieses Gefühl so lange nicht empfunden, das sie sich nun daran erinnern mussten, wie es funktionierte.

Sie waren schwarze und braune Punkte in dem ewigen sandfarbenem Meer, das sich um Ri gebildet hatte. Die Golem selbst schien es nicht zu bemerken, doch jeder der Erwachten schaute mit großen Augen zu ihr auf. Jeder von ihnen erkannte was sie für sie getan hatte, was sie geleistet hatte. Aber das war es nicht, was ihnen die Ehrfurcht in die Gesichter trieb. Es war Ris Ausstrahlung, die sich durch die Ereignisse gefestigt hatte. Sie wirkte sicherer, als hätte sie endlich Halt in sich selber gefunden und nun gäbe es nichts mehr, das sie erschüttern könnte. Und jeder um sie her spürte das.

Er musste schmunzeln, weil sie es so garnicht wahrzunehmen schien. Gerade organisierte sie Trupp, die in jede Stadt des bekannten Landes reisen würden, um auch dort die Golem zu versammeln und in die Freiheit zu führen. Begleitet würden sie werden von königlichen Boten, die dafür sorge tragen sollten, das die Menschen nicht unüberlegt handelten.

„Willst du nicht noch mal hoch und dich von Alifia verabschieden?“, fragte er und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Er konnte noch immer nicht recht fassen, das sie es zuließ. Das sie sich für ihn entschieden hatte. Das sich dieses so unglaublich schöne, starke, gutherzige Geschöpf für ihn entschieden hatte.
Seit dem Moment, in dem sie ihn geküsst hatte, meinte er vor Glück bersten zu müssen. Er hatte geglaubt sie mit allem was er war zu lieben, das es nicht zu steigern wäre. Er hatte sich geirrt. Er liebte sie heute, mehr als jemals zuvor.

Lächelnd ließ sie ihren Kopf nach hinten fallen, so das er in seiner Halsbeuge zum erliegen kam.
„Würde ich gerne, aber ich will mein Volk nicht alleine lassen. Es ist genug Spannung da, das es jederzeit eskalieren könnte. Wir sitzen auf einem Mienenfeld.“
So ernst ihre Worte auch klangen, ihr Zwinkern dabei straffte sie lügen. Zwar stimmte was sie sagte, doch war es ihr Herz, das ihr befahl zu bleiben, nicht ihr Verstand und die Umstände. Er konnte sie verstehen. Auch er wollte bei seiner Rasse bleiben, die sich unsicher am Rand der Versammlung herum drückten.
Zwischen ihnen bemerkte er eine vertraute Gestalt. Ein Riese, mit sanftem Gesicht, der ruhig und friedlich auf das Geschehen hinunter blickte. Joton.
Er hob die freie Hand, als er Kajatans Blick bemerkte und da erst bemerkte dieser, was der Gigant in der anderen Pranke trug. Taynahri saß auf seinem Arm, den Kopf hoch erhoben und den Rücken durchgedrückt, wie eine Königin. Trotz all der Verletzungen und des Durcheinanders um sie her, zeigte sie noch immer keine Schwäche. Auch sie hob die Hand, doch ihr Lächeln wirkte gezwungen. Er konnte sich vorstellen was es für sie bedeutete ihn mit Ri zu sehen. Alleine der Gedanke Ri hätte sich für jemand anderen als ihn entschieden, tat einen Abgrund in seinem Herzen auf.
So musste es ihr gehen.
Er hatte Tay das niemals antun wollen, aber auch er konnte nicht ändern wie die Dinge lagen. Und er liebte nun einmal Ri und nicht Taynahri, so sehr es ihm auch für sie leid tat.

„Dann last uns aufbrechen!“, hallte Ris Stimme laut über die Menge. Ihre Worte lösten einen Sturm der Aufregung aus, auch wenn dieser sich alleine in den Mienen und der Spannung zwischen den unterschiedlichen Wesen bemerkbar machte, denn noch immer herrschte absolute Stille. Keine der drei Rassen sagte etwas. Die Golem nicht, weil sie über eine Ebene kommunizierten, die nur sie war nehmen konnte. Die Beschaffer nicht, weil sie um die Gefallenen trauerten und dem Frieden noch nicht so recht trauten. Und die Falkenaugen schwiegen, weil sie es gewohnt waren und sich an den Gedanken frei sein erst noch gewöhnen mussten, wie sie alle.
Außerdem war Kajatan sich nicht sicher, ob diese Wesen überhaupt sprechen konnten. Zwar gaben Einzelne gelegentlich Laute von sich, aber es waren die von Vögeln.

Er seufzte und zuckte innerlich mit den Schultern, über diese Frage. Letzten Endes spielte es keine Rolle. Sie würden sie begleiten. Ri hatte veranlasst das es genügend Vorräte gäbe diese Wesen auf dem Weg ins unbekannte Land zu ernähren.

Wie ein einziges Wesen, setzten sich die Golem schließlich in Bewegung. Den anderen beiden Rassen blieb nichts übrig, als ihnen zu folgen. Wie ein Fluss aus Gold bewegten sie sich die breite Hauptstraße hinab, auf die gespaltete Stadtmauer zu. Die Reparaturen an ihr waren noch lange nicht abgeschlossen und würden es nun auch nur nicht mehr werden. Ohne die Arbeiter, die die gewaltigen Steinblöcke bewegen konnten, würde sie sich nicht wieder aufbauen lassen, bevor der nächste Sandsturm die ersten Häuser verschluckte.

Kajatan konnte sehen, das der Gedanke Ri schmerzte. Und er liebte sie dafür, das sie nach Allem immernoch in der Lage war Mitgefühl für die Menschen zu empfinden.
„Sie haben ihre Untergang selber zu verantworten. Sie haben bis heute auf kosten der Anderen Rassen überlebt. Wie du selbst gesagt hast: Wer sind wir, das wir uns in die natürliche Ordnung einmischen? Wer sind wir über Leben und Tod zu richten?“

Ri musste lachen, als er sie zitierte, wenn es auch nicht ganz ihre Worte waren.
„Du hast ja recht“, erwiederte sie und küsste ihn auf die Wange.

Er blickte sie an und ein schelmisches Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus.
„Glaub ja nicht das du so leicht davon kommst.“

Bevor sie verwirrt fragen konnte was er meinte, packte er sie an der Hüfte, hob sie hoch und wirbelte sie lachend herum. Sie konnte nicht an sich halten und stimmte ein. Wie zwei Kinder, erfüllt von Glück und der unbändigen Freude bei einander zu sein, lachten sie. Vergessen war alles was hinter ihnen lag. Und als Kajatan sie küsste meinte er vor Glück sterben zu müssen.

Die Menge um sie herum sah gezwungenermaßen zu und die Reaktionen reichten von verwirrt und beschämt bis zu amüsiert oder genervt. Aber das störte die Beiden nicht, den für sie war in diesem Moment die Welt in ordnung.

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now