34.Kapitel: Dort hinter alten Mauern

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Das Gebäude war riesig.
Ein Kollos aus Sandstein und Diamantit, der mit seinem runden Dach wirkte sie wie ein einziger großer Berg.
Es besaß eine Eingangstür, ansonsten wirkte die gelbliche Fassade wie aus einem Stück gegoßen. Nur die Risse, die den Stein durchzogen, durchbrachen die ansonsten markelose Fläche und erinnerten Ri auf groteske art an ihr eigenes Gesicht.

Eine schmale Treppe führte zur geöffneten Tür hinauf, doch als Kajatan darauf zu steuerte, überholte ihn unvermittelt ein Mann in feiner Kleidung. Er schob sich in Kajatans weg und betrat als erster die Stufen. Ihm folgte ein groß gewachsener Golem, über dessen breiten Muskeln sich eine ähnliche Rüstung spannte, wie Ri sie trug. Doch war seine aus deutlich kostspieligeren Materialien.

Der Mann, der Augenscheinlicher Besitzer, blieb auf dem obersten Absatz stehen und sah zu ihnen zurück. Seine Augen waren die eines Menschen, doch wirkten sie kalt, wie die eines Beschaffers, als er Ri musterte wie ein lästiges Insekt.

Unter seinem Blick fühlte sie sich seltsam fehl am Platz und verspürte den unwillkürlichen Drang um zu drehen und zu verschwinden.
Er war ihr unheimlich.

Kajatan trat einen Schritt zur Seite und verbarg sie so mit seinem Körper.
Seine Raubtieraugen erwiederten das Starren des Mannes mit der Ruhe des Überlegenen.

„Ths.“
entfuhr es diesem, als er begriff, das er diesen Kampf nicht gewinnen konnte und er mit wehenden Mantel betrat das Gebäude.

„Arsch,“
murmelte Kajatan und machte sich ebenfalls an den Aufstieg.

Das Innere empfing sie mit kühlen Schatten und dem Geruch heißen Steins. Der Staub der Jahrhunderte hatte sich in den Ecken abgesetzt und wurde vom leichten Wind ihrer Schritte aufgewirrbelt .
Das Echo ferner Stimmen hallte durch die leeren Flure, die sich zu beiden Seiten an den Eingangsbereich anschlossen. Eine zweite Tür, ihnen direkt gegenüber, führte hinaus auf das Trainingsgelände.

Kajatan zögerte nicht lange, sondern hielt darauf zu.
Erst überlegte Ri ihn aufzuhalten, da sie noch mit ihm hatte sprechen wollen, aber die Angst, das jemand sie hörte ließ sie in ihrer Position verharren. Sie spürte die unausgesprochenen Worte, wie sie sich immer tiefer in ihr Herz einbrannten, je länger sie darin lagen und fragte sich wie lange es wohl dauern würde bis sie nicht mehr daraus zu löschen währen. Wie ein schwarzes Zeichen, das ihr Streit in ihr Inneren gefressen hatte.

Vor ihr durchschritt Kajatan die Tür und sie betraten den offenen Platz.

Die weitläufige Fläche war zu allen Seiten von den Wänden des Gebäudes umgeben, so als gälte es sie von aller Welt abzuschotten. Im wenigen Schatten, den diese warfen lehnten Waffen, verschiedenster Art und Größe, an Halterungen und schienen den Hereinkommenden ihre tödlichkeit hönisch zu zurufen. Der Boden war bedeckt von Sand und Imitierte damit den Ort an den dies alles führen würde.
Die Arena.

Ris Augen, huschten in den schmalen Schlitzen, die der Helm ihr als Sichtfeld ließ, hin und her. Sie versuchte sich so viele Details wie möglich einzuprägen, ohne zu wissen ob ihr das wirklich von Nutzen sein würde. Aber es beruhigte ihre Nerven.
Ihre Muskeln waren angespannt, als sie, Kajatan folgend, über den Platz lief, auf eine kleine Gruppe zu, die sich dort bereits versammelt hatte. Sie bestand aus Menschen, genauso wie aus Golem, die alle aus dem selben Grund hier waren wie sie.
Sie sollten das Kämpfen lernen, um im Kolloseum zur belustigung des Volkes gegen einander anzutreten, zu sterben oder zu töten.

Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wehre zurück durch die offenen Türen und hinaus auf die Straße gelaufen. Egal wohin, Hauptsache weg von hier. Aber sie konnte nicht.
Sie war hier um ihre Rasse zu retten, die Golem.
Also blieb sie wo sie war, das donnern ihres Herzens ignorierend, das Blut durch ihre Adern jagte.

Kajatan schob die wartende Menge grob bei Seite, bis er das Zentrum des kleinen Auflaufs erreichte.
Ein Mann mittleren Alters, mit schütterem Haar und einer schwarzen Uniform, die ihn wohl als Ausbilder kennzeichnen sollte. Er nahm die Papiere entgegen, die Kajatan ihm hin hielt und schaute sie wenig interessiert durch.
Nur bei dem Namen, der den Briefkopf zierte, stutzte er.

„Lord Seltran aus Merun. Ganz schön weit weg, aber gut.
Und du bist dann sein Gesandter Fanik?“
Er sah Kajatan mit hoch gezogener Augenbraue fragend an.

„Farik,“
korrigierte dieser, ohne eine erkennbare Regung.

„Natürlich, verzeihung.“
Eilig reichte er ihm die Dokumente zurück, unwissend das es sich bei diesen um Fälschungen handelte. Dann wandte er sich dem nächsten Wartenden zu, als wolle er sich nicht länger, als unbedingt nötig mit dem Beschaffer unterhalten.

Kajatan knurrte noch etwas unverständliches, dann zog er sich hinter die Reihen der Leute zurück, die ebenfalls noch ihre Papiere vorzeigen wollten.

Er trat zu Ri, die etwas abseits, bei den anderen Golem gewartet hatte und sie sahen gemeinsam zu, wie sich immer mehr Menschen auf dem kleinen Platz sammelten und sich die Reihen an Golem langsam füllten.

Als auch die letzten eingetroffen waren und ihre Dokumente vorgezeigt hatten, richtete der Ausbilder das Wort an sie.

„Willkommen, ist wohl das Wort ich an euch richten sollte. Tatsächlich finde ich diese Floskel relativ überflüssig, da uns die Hälfte von euch sowieso in einer Woche verlassen wird.
Nicht etwa, weil ich eure Golem für ungeeignet halte, sondern weil die meisten sich nicht bewusst sind das die Arbeit eines Trainers anstrengend ist.“
Er ignorierte das Schnauben, das manche der Männer von sich gaben und redete weiter, jetzt aber mit erhobener Stimme.

„Ihr stellt euch das so einfach vor. Ihr kommt hier her, lasst euren Golem ausbilden und schaut mal ob er sich in der Arena gut schlägt.
Doch ob er den Kampf gewinnen könnt hängt in erster Linie von euch ab. Wie gut seid ihr.
Ein Golem tut was man ihm sagt und auch wenn der eine vielleicht stärker ist als der andere,“
er blickte hinüber zu einem besonders kräftigen Exemplare der Wüstenbewohner und seinem Besitzer, der siegessicher neben ihm stand und bei den Worten nur gelassen Lächelte.

„Spielt reine körperliche Kraft bei diesen Wesen kaum eine Rolle, immerhin kämpfen sie nicht mit den Fäusten, sondern mit Schwertern und Speeren.
Ob es also der Kopf eures Golem ist, oder der eures Gegners, der rollt, hängt vollkommen von euch ab.“

Ri spürte, wie sich Kajatan neben ihr anspannte. Sie hatten beide kaum über den Aspekt nachgedacht, der gerade angesprochen worden war.
Ja, Ri würde in die Arena treten müssen, eine Waffe in der Hand und den Blicken Tausender Zuschauer ausgeliefert. Aber es war Kajatan, von dem es abhing ob sie es bis dahin schaffte, denn sie selbst durfte nicht von sich aus Handeln.

Doch er war ein geübter Kämpfer, der seine Erfahrungen gegen Gegner gesammelt hatte, die sie sich nicht einmal vorstellen konnte.
Warum also schien ihn dieser Gedanke so zu beunruhigen?
Sie konnte sich die Antwort denken.
Wen sie durch einen Fehltritt und es brauchte dafür nicht einmal einen großen, sterben würde, würde er sich die Schuld geben.

Der Ausdruck auf seinem Gesicht, als er geglaubt hatte sie würde nie wieder aufstehe, hatte sie noch deutlich vor sich. Der Schmerz in seinen Augen hatte sich für immer in ihr Gedächtnis gebrannt. Sie wollte nicht das er noch einmal so etwas durchleiden musste.

Und doch würde sie kämpfen müssen und wenn sie unterlag, würde er sich dafür verantwortlich fühlen.
Um wieviel schlimmer wäre sein Schmerz dann?
Allein die Vorstellung ließ ihre Augen brennen.
Das Metall der Rüstung, das sie umgab schien sich zusammen zu ziehen und ihr die Luft abzuschnürren. Das Kostüm, wie sie es in Gedanken nannte, fühlte sich so falsch an. Sie war keine Kriegerin, sie war für all das nicht gemacht!

Angst pulsierte durch ihr Blut und erst als sie ihre Augen fest aufeinander presste um die Welt auszusperren, gelang es ihr ihr rasendes Herz zu beruhigen.

Kajatan neben ihr verlagert sein Gewicht, so das sein Arm an ihren stieß.
Sie verstand.
Er hatte all die Gefühle gespürt, die sie zu verschlingen drohten, doch ihre Hand konnte er nicht nehmen, solange sie von all diesen Menschen umgeben waren.

Der schwache Kontakt erinnerte sie daran, das sie das alles nicht alleine durchstehen musste. Auch wenn sie sich Sorgen um ihn machte, so war seine Gegenwart doch der Anker, den sie verloren zu haben glaubte.

Der Streit war vergessen und Dankbarkeit durchströmte sie. Womit hatte sie verdient, das er an ihrer Seite war?

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now