46.Kapitel: Dort im Herzen der Tochter

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Goldene Augen.
Golden wie die heiße Glut eines herab gebrannten Feuers, golden wie die ersten warmen Sonnenstrahlen am Morgen und das Leuchten des Sandes in der Hitze des Tages. Diese Augen blickten sie an, so direkt und ohne jede Wertung, wie es sonst nur Kinderaugen taten und sie konnte sich nicht rühren.

Kajatan beobachtete wie die Frau erstarrte.
Er erinnerte sich selbst noch genau was er empfunden hatte, als er das erste mal in dieses Glühen blickte. Erinnerte sich an das Gefühl, als würden sie auf den Grund seiner Seele sehen und alles was sie darin fanden aktzeptieten. Jeden Schatten und jede Narbe in den Arm nehmen.

Und doch schimmerte jetzt unter all dem noch etwas anderes. Etwas das er in Ris Augen das erst mal sah. Die Furcht selbst nicht angenommen zu werden.

Sie stand da, wartend auf die Reaktion der Frau, die ihr einziger Lichtblick gewesen war, in einer Welt voller Menschen die sie wie einen Gegenstand behandelt hatten.

„Hallo, Mahati.“
Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und ließ die Angst durchblicken, abgelehnt zu werden.

Mahati starrte sie fassungslos an, die Hände vor den Mund geschlagen, als wolle sie ersticken was auch immer hinaus kam.
Dann schien sie langsam zubegreifen was sie sah. Zaghaft streckte sie eine Hand nach dem Wesen aus, von dem sie noch nicht wusste was sie denken sollte.

„Ri, bist du das?“

Ihre Finger verharrten in der Luft, ohne das sie die jungen Golem berührt hätten.

Ri Innerstes schien zu vibrieren, doch nach außen zeigte sie sich ruhig. All die Befürchtungen, die Hoffnung, die Erwartungen tobten in ihr und waren fast zu viel. Tränen brannten in ihren Augen, als Mahati einen Schritt zurück trat.

„Ja, bin ich,“
brachte sie schließlich krächzend hervor. Doch Mahati schüttelte langsam den Kopf und machte einen weiteren Schritt rückwärts. Sie ließ die junge Golem dabei für keine Sekunde aus den Augen.

„Nein. Ri war...
Du bist nicht...“
Ein weiteres Kopfschütteln.

Etwas in Ri brach.
Sie hatte geglaubt die Frau von damals zu kennen. Die Frau, die sie auch dann als fühlendes Wesen behandelt hatte, als sie selbst geglaubt hatte ein Gegenstand zu sein.
Sie hatte erwartet Freude in dem so vertrauten Gesicht zu sehen und Erkennen.
Stattdessen sah sie Angst und Verwirrung.

Wäre dort nur Angst gewesen, hätte sie an dieser Stelle aufgegeben.

Doch die Hoffnung, die all die Kämpfe und den Schmerz überstanden hatte, klammerte sich an den Ausdruck von Verwirrung.
Sie sagte ihr das Mahati es nur noch nicht verstanden hatte. Das sie nicht begriff was sie sah, weil es in ihren und aller Augen unmöglich schien.

„Bitte, ich bin die selbe von damals, die du wie eine Tochter behandelt hast.“
Das Brennen in ihren Augen wurde stärker, doch sie zwang es zurück, denn sie wusste, wenn die Tränen einmal begonnen hätten zu fließen würde sie sie nicht wieder aufhalten können.

„Meine Tochter ist tot,“
brach es aus der Frau heraus, die nun das Gesicht anwandte, als könne sie den Anblick nicht länger ertragen.

Ihre Worte trafen Ri wie einen Sperrstoß mitten in die Brust. Der Schmerz war so körperlich, das er ihr für mehrere Herzschläge den Atem raubte.
Sie hatte nicht erwartet verstoßen zu werden, nur weil sie nicht mehr so war wie damals.
Sie wusste wie sehr Mahati unter dem Verlust ihrer wirklichen Tochter gelitten hatte und wie sehr sie an der Ri gehangen hatte, die sie damals kannte.
Doch das war sie noch. Ihre Augenfarbe hatte sich verändert und sie hatte sprechen und lächeln gelernt, aber in ihrem Inneren, war sie die selbe. Sie war nicht anders, nur mehr geworden.
Warum konnte Mahati das nicht sehen?

„Macht es mich wirklich zu jemand anderem, nur weil ich jetzt sprechen kann?“
Ihre Stimme zitterte.
Sie wünschte so sehr verstanden zu werden, das es schnerzte.

Die Frau riss den Kopf herum. Der Blick mit dem sie Ri anfunkelte ließ diese zurück weichen. Etwas wildes lag darin, wie der Ausdruck eines in die Ecke getriebenen Tiers, das sich nicht mehr anders zu helfen wusste, als anzugreifen.

„Ri war eine Golem. Sie konnte nicht sprechen oder hatte solche Augen.“ Fast war es Hass der da in ihren Zügen lag, als sie drohend immer näher kam.

„Ri.. meine Ri, war nicht wie du!“
Sie hob die Hand, auf Ris Wange zielend, als ein starker Arm den Schlag abfing.
Kajatans, dessen Finger sich um ihr Handgelenk legte, blitzten sie mordlustig an. Es wirkte, als wolle er die Frau am liebsten hier und jetzt in Stücke reißen.
Deren Ausdruck verwandelte sich in pures Entsetzen, als sie diesen Wunsch aus seinem Blick lass.

„Du wiederst mich an,“
knurrte er und stieß sie von sich.
Mahati stolperte zurück, jetzt nichts als Angst in ihren Gesicht.

„Es tut mir leid, es tut mir leid,“
versuchte sie die tobende Bestie zu beruhigen, doch Kajatan schien sie nicht zu hören.

„Hörst du dir eigentlich selbst zu, oder bist du so sehr mit dir beschäftigt, das du nicht mitkriegst wenn du andere verletzt?
Leute wie du..!“

Er hatte in seinem Zorn selbst kaum bemerkt, wie er mit der Krallen bewährte Hand zum Schlag ausgeholt hatte. Erst als Ri sich schützend vor Mahati stellte, erkannte er was er im begriff gestanden hatte zu tun.
Der Blick der goldenen Augen war fest, auch unter dem Schleier aus Tränen, die nun doch über geflossen und in kleinen Strömen ihr Gesicht hinab rannen.

„Tu ihr nichts, Kajatan. Sie kann nichts dafür.“

Der junge Beschaffer wollte wiedersprechen, verstummte aber, als er merkte welche Anstrengungen es Ri kostete so ruhig zu bleiben.

Sie wandte sich wieder an Mahati, die in sich zusammen geschrumpft zu sein schien und nur ängstlich zwischen den beiden hin und her schaute.

Ri atmete durch, bevor sie wieder zu sprechen begann.
Auch wenn sie glaubte ihr Herz springe entzwei, wenn Mahati sie nicht mehr bei sich haben wollte, musste sie deren Entscheidung akzeptieren. Dinge veränderten sich und vielleicht hatte sie sogar recht und von der Ri die sie damals gekannt hatte war nichts mehr übrig.

„Ich danke dir, für alles was du für mich getan hast. Auch wenn du nicht wusstest das ich es mitbekam.
Und es tut mir leid, das ich nicht die bin, nach der du gesucht hast.“

Mahati starrte sie ungläubig an, während sie sich an die Mauer klammerte, als könne sie alleine nicht mehr stehen.
Ris Tränen tropften von ihrem Kinn und landeten zu ihren Füßen, doch sie sah nicht hin. Unfähig etwas zu erwidern blickte sie in diese goldenen Augen, in denen sich der Schmerz ihrer Seele spiegelte. Auch das gequälte Lächeln konnte nicht darüber hinweg täuschen.
Dann drehte Ri sich um und rannte.

Kajatan blieb noch einen Augenblick bei ihr stehen und kämpfte mit seinem Wunsch etwas zu sagen. Entschied dann aber das es genug war, denn auch aus den Augen der Frau liefen Tränen.

Mit schnellen Schritten eilte er Ri hinterher und ließ Mahati mit dem Gefühl zurück, ihre Tochter ein zweites mal verloren zu haben.

Das Herz der GolemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt