41.Kapitel: Dort wo wir Abschied nehmen

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Durch Ris Adern brannte sich Adrenalien, wie glühender Stahl. Sie spürte die Krallen, die sich in ihre Haut bohrten und wusste was sie bedeuteten. Wer auch immer sie gepackt hatte, war ein Beschaffer, aber es war nicht Kajatan, dafür war die Pranke zu groß.

Überlebenswille brandete in ihr auf und sie griff nach dem Handgelenk ihres Angreifers. Sie stieß sich, wie sie es im Training gelernt hatte, vom Boden ab und ließ ihren Fuß gegen den undeutlichen Schatten donnern, den sie für sein Gesicht hielt. Ihre Augen hatten sich noch nicht an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt und so sah sie nur undeutlich, wie der Mann gegen die Wand geschleudert wurde. Doch das Geräusch seines Aufpralls verriet ihr, das es sich bei ihm um einen wahren Giganten handeln musste.
Ungeschickt kam sie auf, fing sich und wartete auf den nächsten Angriff ihres Gegners.

Ihre Gedanken schwiegen, in diesem Moment existierte für sie nichts als der Beschaffer vor ihr und ihr gleichmäßiger Atem. Ihre Muskeln spannten sich in Erwartung ihres nächsten Schlages.

Der Gigant arbeitete sich aus der Mauer was Gesteinsbroken und Sand zu Boden rieseln ließ. Er gab einen dumpfen Laut von sich und fischte mit seinen breiten Händen ungelenk durch die Luft, als könne auch er schlecht sehen und versuche sie zu ertasten.

Ri zögerte nicht lange. Wenn sie aus dieser Geschichte lebend heraus kommen und Kajatan helfen wollte musste sie jetzt handeln.

Sie sprang vor, duckte sich unter einer seiner Arme hinweg und rammte ihm ihren Ellbogen mit aller Kraft in den Bauch. Sie hörte wie die Luft aus seinen Lungen entwich.

Sie entfernte sich etwas und beobachtete ob er sich bewegen würde. Und tatsächlich hob er wieder seine Pranke und schaffte es sie an der Schulter zu packen.

Ehe sie selbst recht darüber nachdenken konnte, reagierte ihr Körper. Sie federte sich selbst hoch und ließ ihr Bein gegen seinen Arm krachen, mit solcher Kraft, das sie seinen Knochen knacken hörte. Kaum war sie wieder aufgekommen zog sie mit dem anderen Fuß nach und erwischte sein Gesicht.

Der Gigant schwankte, stand aber noch immer. Ri überlegte schon ihre Messer zum Einsatz zu bringen, als sich die Tür zu ihrer Rechten öffnete und Kajatan heraus platzte.
Er verharrte in der Bewegung und blickte ungläubig auf die Szene, die sich ihm darbot.

„Ri?"
Erstaunen und Verwirrung sprach aus seiner Stimme, aber auch Erleichterung.

Ri wagte ein kleines Lächeln, während ein riesiges Gewicht von ihrem Herzen fiel. Es ging ihm gut. Er lebte.

Sie machte einen Schritt auf ihn zu, doch diesen Moment der unachtsamkeit nutzte der Riese aus und packte sie unter den Armen.
Als wöge sie nicht mehr, als ein Kind, hob er sie in die Höhe.

Erschrocken wollte sie sich verteidigen, doch bevor sie reagieren konnte, rief er mit tiefer Stimme:
„Die ist ja niedlich!"

Völlig überrumpelt starrte Ri ihn an.
Was hatte er gesagt?
Aber das begeisterte Funkeln in seinen Augen verriet ihr, das sie sich nicht verhört hatte.

„Nie.. Niedlich?"
fragte sie etwas verspätet.

Er nickte kräftig, als hätte sie ihn gerade nicht ins Gesicht getreten.
Noch immer lächeln, setzte er sie behutsam ab und wand sich dann an Kajatan.

„Ich will auch so eine."

Der lachte und im selben Moment trat ein weiterer Beschaffer durch die schwere Tür. Er war deutlich kleiner, als alle anderen und reichte dem Großen gerade bis zur Hüfte, aber als er diesen böse anfunkelte wich der Gigant furchtsam zurück.

„Joton! Wo hast du gesteckt? Du Vollidiot, was hast du wieder angestellt?"
schimpfte er.

Er seufzte, als er das Loch bemerkte, das Jotons Körper im Mauerwerk hinterlassen hatte.
„Kann man dich nicht einmal alleine lassen?"

„Tut mir leid, Boss aber Taynari meinte, das es besser wäre.."
versuchte er sich zu entschuldigen, wobei jedes Wort langsam und schleppend über seine Lippen kam, als strenge ihn das Sprechen sehr an.
Doch der Kleine unterbrach ihn.

„Ich habe dir gesagt du sollst sie unter keinen Umständen gehen lassen! Du bist doch echt zu blöd!"

„Ja Boss, tut mir leid."

Der Riese sah geknickt zu Boden und Ri musste gegen den Drang ankämpfen ihn zu verteidigen. Stattdessen nutzte sie die Zeit, in der die beiden miteinander beschäftigt waren und schlich langsam zu Kajatan hinüber.

„Was ist hier los?"
fragte sie im Flüßterton.

„Das ist eine lange Geschichte,"
erwiderte er, noch immer schmunzelnd.

Dann trat eine weiter Gestalt zu ihnen auf den Flur. Es war Taynari, die gerade versuchte sich Gahdirs Blut an ihrem Mantel abzuwischen.

Die beiden Frauen verharrten einen Augenblick, als sie die jeweils andere erkannten. Doch die Beschafferin fing sich schnell und sprach zu der kleinen Versammlung, als würde der unbenannte Konflikt zwischen ihnen nicht existieren.

„Er wird es überleben. Aber ich denke nicht, das er die beste Laune haben wird, wenn er aufwacht. Deshalb schlage ich vor, das ihr beiden euch auflöst."

Sie sah Kajatan an, der gerade seine Arme um die Golem gelegt hatte. Doch für eine Begrüßung war jetzt keine Zeit. Sie wussten nicht wie lange Gahdir schlafen würde und wenn er aufwachte, würde sein erster Gedanke seinem kleinen Bruder gelten.
Deshalb nickte dieser und zog Ri ohne ein Wort der Erklärung mit sich.

Doch Joton versperrte ihnen den Weg nach draußen.
„Ist das nicht der, den wir finden sollten?"
fragte er schwerfällig.

Der kleine verdrehte die Augen.
„Ja, aber das ist jetzt auch egal. Das macht keinen Unterschied mehr."

Der Riese kratzte sich verwundert am Kopf, während er versuchte diese plötzliche Planänderung zu verstehen. Es schien, als were er damit überfordert.

„Und ihr beide, verschwindet endlich,"
rief ihnen der Kleine zu.

Kajatan blieb neben ihm stehen und wollte ihm die Hand reichen.
„Danke, Splitt."

Doch der schlug sie mit einem Knurren bei Seite.
„Das tue ich ganz sicher nicht für dich!"

Kajatan zog, mit einem Grinsen, die Hand zurück und blickte zu Taynari, die noch immer unbewegt da stand.

„Ich weiß,"
sagte er schließlich und winkte zum Abschied, dann nahm er Ris Hand fester und schritt auf den Ausgang zu.

Ri selbst blickte über die Schulter zurück. Auf die Beschaffer, die Kajatan kannten und verschont hatten.

Taynari stand da, die Mine übergründlich. Splitt betrachtete diese, fast ein wenig wehleidig und Joton hob die Hand zum Abschied, als müsse er sich von einem Kätzchen trennen.

Es waren alles drei seltsame Leute, befand sie. Aber sie ließen sie ziehe. Mehr konnte sie wirklich nicht verlangen.

Das Herz der GolemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt