10.Kapitel:Dort im Herzen

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„Ich bin dagegen,“
brüllte Kajatan und versuchte mit seiner Stimme das Toben des Sturmes zu übertönen, den Shindas Pfoten erzeugten.

Ri seufzte innerlich. An diesem Punkt ihrer Diskussion waren sie bereits zum wiederholten male angekommen und jetzt begann sie erneut von Vorne.

„Die Kraft kommt von dort, aus der Stadt Amidala. Ich weiß selbst das es gefährlich werden könnte, aber es macht keinen Sinn irgendwo anders zu suchen.“

Er schnaubte.
„Ich bezweifle ja garnicht das du recht hast, aber es wird nicht einfach nur vielleicht gefährlich, es wird ganz sicher gefährlich.“

„Wir waren auch schon früher in schwierigen Situationen, wir schaffen das schon.“
Sie gab sich mühe ihrer Stimme einen zuversichtlichen Klang zu geben, um ihn zu überzeugen. Doch es war schwierig, da sie diese nicht wirklich empfand.

Die Gefahren die sie erst vor wenigen Wochen ausgestanden hatten hatte sie mehr gefordert, als sie zuzugeben bereit war. Der Kampf hatte Spuren hinterlassen, nicht nur körperlich.

Ihre Hand zuckte und sie konnte sie gerade noch davon abhalten nach ihrem Auge zu greifen.
Es war verheilt, das schon, aber seit kurzem kam es ihr vor, als habe sie dort eine Narbe zurückbehalten.
Keine die sie sehen, oder mit ihren Fingern ertasten konnte, aber sie war da.
Es war wie, ein Jucken in ihrem Geist, ein Gefühl, das erst verschwand wenn sie sich einmal mehr überzeugt hatte, dass ihr Auge in ordnung war.
Sich davon überzeugt hatte, das kein Blut daraus hervor quoll, keine Risse davon ausgingen und durch ihren Körper liefen, mit jedem weiteren Knacken ihre Lebenszeit verkürztend.

Sie wusste das all dies nicht da war und doch begann ihr Herz bei dem Gedanken daran einmal mehr unruhig zu flattern und ihre Hand schnellte hoch. Sie fuhr über ihr Gesicht, über ihre geschlossenen Lieder und die winzigen Bruchkanten, die die Risse in ihrer Haut hinterlassen hatten.
Alles wie gehabt, keine Veränderungen.

Sie atmete erleichtert aus und ließ die Hand sinken.
Die Wahrheit war, sie wollte nicht dort hin, wenn es weitere solcher Verletzungen bedeutete, aber sie hatte ein Versprechen gegeben.
Ihr Volk wartete auf sie. Sie wussten es vielleicht nicht, aber sie warteten.

Kajatan hinter ihr grummelte etwas Unverständliches und sie drehte sich zu ihm um.

„Glaubst du nicht das wir es schaffen?“

Er schwieg, sah sie nur lange an und meinte dann:
„Du weißt was ich dir über die Jäger erzählt habe. Ich habe einfach... Angst,“
gestand er schließlich.

„Angst das ich dich nicht beschützen kann. Dich ein zweites mal zu verlieren ...“
Er brach ab und blickte zur Seite.

Sie sah den ehrlichen Schmerz in seinen Augen und schämte sich für ihre Feigheit.

Sie hatten noch immer nicht darüber gesprochen. Über das was Ryu gesagt hatte, das Kajatan sie liebte.

Ri wusste einfach nicht wie sie es angehen sollte, geschweige denn wie sie am besten damit umging.
Wie reagierte man auf solch eine Nachricht? 

Eins war ihr klar, sie wollte Kajatan nicht verletzen, auf keine art und doch verletzte sie ihn mit ihrem Schweigen mehr als sie es mit Worten hätte tun können.

Sie hatte keine Antwort die sie ihm hätte geben konnte. 
In ihrem Inneren schienen zwei Kräfte an ihrem Herzen zu ziehen und sie hatte Angst das es darunter zerreißen würde.

Auf der einen Seite war er ihr wichtig und die Vorstellung das er sie verließ, warum auch immer, war schrecklich.
Jedoch hatte sie in ihm immer einen Freund gesehen und gedacht das es ihm genauso ging.
Scheinbar war dem nicht so. Das er sie liebte bedeutete, das er eine Beziehung wollte, oder?

Und das war die andere Seite.
Ein Liebespaar.
Sie hatte keine Ahnung wie es war ein Teil davon zu sein und hatte auch nie ein Verlangen danach verspürt. Doch wenn sie ihm sagte das sie seine Gefühle nicht erwiderte, würde ihn das verletzen und sie würde ihn vielleicht sogar verlieren. Das wollte sie auf keinen Fall.

Also blieb nur die Möglichkeit ihn anzulügen.
Wobei, war es eine Lüge?

Sie wusste es nicht. Ihre Gefühle waren ein einziger Strudel an Wiedersprüchlichkeiten.
Sie wusste schlicht und einfach nicht was sie empfand, ob sie etwas empfand, das über Zuneigung hinaus ging.

Diese Verwirrung war etwas das sie sich in ihrer Lage eigentlich nicht leisten konnte.
Sie hatte eine Aufgabe und da sie sowieso keine Antwort für Kajatan hatte, beschloss sie schließlich zu warten und zu hoffen, das ihr Herz ihr irgendwann eine geben würde.
Natürlich erst nachdem sie die Golem befreit hatten, sollten sie dann beide noch leben.

Sie drängte diese Gedanken gewaltsam bei Seite. Wenn sie über die Möglichkeit ihres oder seines Todes nachdachte würde sie sich am ende noch umentscheiden und von ihrem Vorhaben abkommen und dann würde niemand ihr Volk retten.

Vor ihr lichtete sich der schwere Sandsturm und die Höhlen von Kurumba erschienen als dunkle Silhouetten vor ihr.
Die Stadt lag unterirdisch, eine Tatsache die ein vertrautes Unbehagen in Ri wach rief. Die Erinnerungen an ihren Letzten Besuch in einer solchen Städte waren von Angst und Übelkeit beprägt. Wieder dort hinein zu gehen, wo es keine Sonne gab, keinen Himmel, nur Kälte und drückende Dunkelheit, lösten in ihr ein Gefühl aus, als stiege sie freiwillig in ihr Grab.

„Ich geh alleine,“
sagte Kajatan in diesem Moment und schwang sich von Shindas Rücken.

„Aber, ich dachte wir wollten zusammen gehen,“
protestierte sie schwach. Er ignorierte ihren Widerspruch und wand sich ab.
Es gefiel ihr nicht, vor allem wenn sie sich seine Wunden besah, die zwar schon größten Teils geschlossen aber noch keines wegs verheilt waren.

„Ich besorge nur das nötigste. Es dauert nicht lange,“
versprach er knapp, dann lief er los und nur wenige Sekunden später hatte die Sand schwere Luft in zu einem Teil ihrer wandelnden Formen gemacht.

Ri blieb zurück.
Sie fragte sich, ob er es getan hatte, weil auch er wusste wie unangenehm ihr solche Orte waren oder weil er, sollten die Jäger ihm dort begegnen, sie in Sicherheit wissen wollte.
Was es auch war, jetzt war es nicht mehr zu ändern.

Wie auch ihr Plan nicht mehr zu ändern war.
Sie würden nach Amidala reisen und dort finden was sie suchten. Sie hatten zwar keine Ahnung was genau das war, aber das hatten sie beim wandelnden Berg auch nicht gehabt.
Nur eins war klar.
Eine ganze Rasse zu befreien und dabei noch die Jäger im Nacken zu haben, würde nicht leicht werden.

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now