37.Kapitel: Dort wo die Spur aus Tränen endet

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Ris Inneres glich einem verlassenen Schlachtfeld. Das Brüllen und Donnern des Krieges war verklungen und Stille hatte sich über die Verbrannte Erde gelegt. Auch die Tränen waren versiegt, als wagten die Tropfen nicht hinab in die Asche zu fallen, aus Angst grau und staubig zu werden. Und unten, auf dem Boden, den niemand beweinte, lag ihr Lächeln als eine der Leichen.

Kajatan vor ihr konnte die zerstörte Landschaft nicht sehen, aber er ahnte was dieser Kampf einer Seele wie der ihren angetan hatte.
Ein Kampf, den sie nie gewollt hatte, gegen jemanden der nicht ihr Feind war.

Doch erst, als sie in ihrem Versteck ankamen und Ri den Helm abnahm, konnte er das wahre Ausmaß an Verwüstung in ihren Augen lesen.
Unter das Gold hatte sich Grau gemischt. Nicht wie in den Stunden vor ihre Schlaf, eher als verdeckten bleischwere Wolken den sonst so strahlenden Sonnenaufgang.

„Oh, Ri.“
Alles in ihm schmerzte vor Mitleid, aber als er nach ihrer Hand griff entzog sie sich ihm.

„Nicht,“
flüsterte sie und barg ihren Arm an ihrem Körper, als befürchte sie seine Berührung könne sie zerbrechen.

„Ich brauch grad einfach einen Moment...“
Sie versuchte ihn anzulächeln, um seine Sorgen um sie zu zerstreuen, aber es wirkte wie eine offene Wunde in ihrem Gesicht.

Seine Hand war in der Luft verharrt, unentschlossen. Er wollte nach ihr greifen, ihre Qualen lindern, aber es schien, als würden seine Versuche, alles nur schlimmer machten.
Er konnte ihr nicht helfen, begriff er schmerzhaft und langsam ließ er die Hand sinken.

„Nur einen Moment,“
wiederholte sie leise, aber ihre Augen sah ihn dabei nicht an und es wirkte, als wolle sie sich selbst von diesen Worten überzeugen.

Er nickte, auch wenn er nicht sicher war ob sie es überhaupt bemerkte.
„Okay,“
sagte er, aber es klang so ungewohnt schwach.

Sie drehte sich um und lief ins Nebenzimmer, langsam, als wäre jeder Schritt mehr als sie gehen konnte.

Er blickte ihr stumm nach, bis die Wand seine Sicht auf sie verdeckte.
Lange stand er so da. Schließlich löste er sich mit einem Ruck und wandte sich zum Fenster.
Er schwang sich hinauf aus das flache Dach des Hauses. Hier oben, allein mit seinen Gedanken, hätte er seinen Zorn am liebsten in die Welt hinaus geschrien.

Wut auf den Trainer, den König, die anderen Golem und alle die ihr das angetan hatten. Auch auf sich selbst, der sie zu diesem Ort geführt hatte. Doch es gab nichts das er hätte tun können um die Situation zu verändern.
Er wollte etwas zerreißen, seine Zähne in etwas schlagen, egal was, solange es ihm half diesen Zorn raus zu lassen.

In seiner Hilflosigkeit ballte er die Hand zur Faust und schlug sie gegen die Wand des angrenzenden Hauses.
Putz bröckelte und er spürte wie sich kleine Stücke in seine Haut borten.
Er setzte mit der anderen Faust nach und fühlte den Aufschlag durch seine Knochen vibrieren. Es schmerzte, aber es war seltsam heilsam. Wieder und wieder schlug er zu, bis seine Knöchel blutig waren und die Mauer aussah, als hätte mit einem Hammer versucht die Steine daraus zu lösen.

Er stand da, außer Atem und Schweiß nass. Doch obgleich der Zorn mit der aufgestauten Energie verschwunden war, so war die Hilflosigkeit geblieben.

„Der Wand hast du's aber gezeigt,“
hörte er mit einem mal eine vertraute Stimme über sich.
Er musste nicht aufblicken um zu wissen, das es Taynari war.
Doch stellte er überrascht fest, das er sie über seinen Wutausbruch nicht hatte kommen hören.

Er warf ihr einen finsteren Blick zu, aber er schien an ihr abzuprallen.
Mit den Zähnen riss er seine Handschuhe auf, saugte die Spliter aus seinem Fleisch und spieh sie auf den Boden. Dann erst fragte er: „Was willst du?“

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now