49.Kapitel: Dort im Sand der Arena

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Die Worte der Beschafferin hallten in Ris Geist nach, auch lange noch nachdem diese verschwunden war.
Sie selbst hatte sich durch einen Spalt in den Deckenplatten gezwängt, den Ri nie erreichen würde und war verschwunden.
Sie versuchte nicht einmal es ihr gleich zu tun, schließlich war sie aus freiem Willen hier.

Draußen nahm die Anzahl der Menschen stetig zu. Sie erkannte es an dem anschwellenden Murmeln, das zu ihr hinein drang. Es schien in ihrem Bauch zu vibrieren und sie fragte sich ob es sich wohl so anfühlte einen Magen zu besitzen.
Hatte sie sich noch vorher über das schnelle vergehen der zwei Tage beschwert, so wünschte sie es sich jetzt herbei. Denn jede Sekunde die verstrich schien sich zu dehnen und zu strecken, bis in alle Ewigkeit.
Obgleich sie wusste das ihr das Herz in der Brust flatterte, kam es ihr vor, als brauche jeder Schlag länger als der Vorangegangene.

Sie wollte nicht hinaus und gleichzeitig konnte sie diesen Zustand kaum mehr ertragen. Es sollte Enden! Jetzt!

Da hörte sie es. Eine Männerstimme, die sich über all die anderen erhob und diese zum verstummen brachte. Dann das ferne rattern zweier Tore.
Stille.
Ihr folgte das unbarmherzige klirren von Schwertern. Es gab keine Schreie, Golem schrien nicht. Aber Ri wettete, wenn sie gekonnt hätten, hätten sie es getan.

Sie wollte hinaus rennen, die beiden stoppen und den Menschen zurufen was für grausame Wesen sie doch waren. Aber sie konnte nicht.
Das schwere Metall, das ihren Raum verschloss, versperrte ihr auch den Weg nach draußen und nicht einmal sie, mit ihren gewaltigen Kräften hätte es alleine aufdrücken können.

Dann trat wieder Stille ein.
Sofort gefolgt von einem Chor aus Jubel und Buh-rufen und Ri wusste, das einer der Golem sein Leben gelassen hatte.

Die Erkenntnis donnerte durch ihren Verstand, wie ein steter Hammerschlag. Er war tot.
Ihn hatte sie nicht mehr retten können, aber die Anderen, die nach ihr kommen und jeden weiteren Golem, der irgendwann in diesen Kampf gezwungen werden sollte, in dem es keinen wirklichen Sieger gab, konnte sie retten.

Wieder ein Ratter, das nächste Paar Waffen, das aufeinander traf, der nächste Jubbel. Ri wurde übel.
Sie wollte ihnen zurufen sie endlich hier hinaus zu lassen, damit sie es beenden konnte. Jeder weitere ihres Volkes, der dort draußen starb war einer zu viel.
Wie von selbst stämmte sie sich gegen das Tor und spürte seine harte Kälte unter ihrer Haut.
Sie wollte gegen das Metall hänmern, sich mit ihrem ganzen Körper dagegen werfen, bis es nachgab. Sie war dem Geschehen so nah und konnte doch nichts tun.
Sie war zur untätigkeit gezwungen.

Diese Gedanken beschäftigten sie so sehr, das sie zu erst garnicht spürte, wie die Bajere zu vibrieren begann. Doch dann schoß die Bedeutung dessen durch ihren Verstand wie ein greller Blitz, der alles andere zu Asche zerfallen ließ, was bis dahin in ihren Gedanken gewesen war.
Das Tor öffnete sich!

Sie wirbelte herum. Wo war ihr Helm!
Sie fand ihn am Boden, wo sie ihn abgelegt hatte.
Ihre Finger zitterten, als sie ihn sich überziehen wollte und das scharfe Eisen sich in ihre Wange grub. Sie spürte den leichten Schmerz kaum. Zu gefesselt war sie in diesem Moment von dem Spalt, zwischen dem Stein unter ihren Füßen und dem grauen Metall des Tores, der immer breiter wurde.
Licht fiel durch ihn zu ihr hinein und bildete auf dem Boden ein perfekt geschnittenes Rechteck, das sich langsam auf sie zu bewegen.
Es schien nach ihr greifen zu wollen, floss dann als warmes Gold über ihre Glieder und zwang sie die Augen zuzukneifen.
Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich daran gewöhnt hatte, doch dann sah sie das Tor wieder deutlich vor sich.
Als die Öffnung breit genug war, das sie hindurch passte, tat sie was von ihr erwartete wurde und schritt darauf zu. 

Es war ein unwirkliches Gefühl, durch die Wand aus Licht hindurch zu schreiten, an diesen völlig fremden Ort, der ihr beinahe wie eine eigene Welt vorkam.
Als erstes tauchen der Sand der Arena aus dem blendenden Weiß auf. Einem goldenen Meer gleich, erstreckte er sich in alle richtungen, bis er an die inneren Mauern stieß. Mehrere Meter hoch umgaben sie sie zu allen Seiten, wie die Gitter eines Käfigs. Sie waren aus schweren gelben Steinen erbaut worden und schien ihr ihre unüberwindbarkeit geradezu hämisch entgegen zurufen.
Dahinter erhob sich Reihe um Reihe, mit ausgelassenen Menschen, gefüllte Bänke. Die Zuschauer tribüne.

Ri hatte mit einer riesigen Menge an Gaffern gerechnet, doch die schiere Masse, die sie jetzt vor sich sah, überwältigte sie. Unendlich viele Köpfe streckten sich um einen Blick auf sie zu erhaschen. Eine Wand aus Leibern und erst dahinter, so weit in der Ferne, das sie es kaum noch wahrnahm, war der Himmel zu sehen.

Ihr blieb die Luft weg, als sie die wirkliche Größe des Kolloseums zu begreifen versuchte. Das Herz donnerte ihr dabei unerträglich laut in der Brust, fast glaubte sie, es wolle ihr die Rippen sprengen.
Jubel brandete um sie auf, als von der gegenüber liegenden Seite, aus einem Tor, das ihrem gegenüber lag und das sie kaum bemerkt hatte, in der unendlichen Weite, ein Golem schritt.
Wie sie trug er Rüstung und Waffe und wie sie war er für den Kampf in die Arena geschickt worden.
Nur das er nicht stehen geblieben war, weil ihn der Anblick überforderte.
Jetzt hörte sie auch Kajatans Stimme, die leise, aber eindringlich ihren Namen rief.

Sie kannte ihre Befehle und sie kannte ihren Plan. Aber jetzt, wo sie tatsächlich in der Arena stand erschien er ihr wahnwitzig. Wie sollte sie, so klein wie sie war, die alleinige Aufmerksamkeit dieser erdrückenden Menge aushalten?

„Ri, beweg dich, bitte.“
Das letzte Wort flüsterte Kajatan so leise, das sie selbst es beinahe überhört hätte.
Auch für ihn stand einiges auf dem Spiel. Wie für sie alle.
Ihr Volk wartete auf sie.

Das Dröhnen ihres Blutes überdeutlich in den Ohren bewegte sie langsam vorwärts. Die Mitte der Arena kam mit jedem ihrer Schritte näher. Dort wartete bereits ihr Gegner, gegen den sie keinen Kampf zu führen beabsichtigte. Er war größer als sie, schwerer und trug eine glänzende Streitaxt. Ri konnte ihren Blick nicht davon lösen.

Über ihren Köpfen erklang die Stimme des Mannes, den sie bereits aus ihrer Kammer gehört hatte. Er kündigte den nächsten Kampf an. Zählte die Waffen der beiden Kontrahenten auf und verlor sich dann in einer Erzählung über deren Vor und Nachteile.
Letzte Wetten wurden abgeschlossen und Ri wartete.
Sie wartete darauf das das Gefasel des Mannes enden würde. Dann, wenn alle Augen sich auf sie richten würden, wenn die Menge den Atem anhielt, dann würde sie mit ihrer Rede beginnen.

Endlich war es soweit.
Das Summen der Stimmen erlosch und Ri spürte ein Kribbeln überall in ihren Körper.

Sie hob die Hände.
Ihre Finger legten sich um das Metall ihres Helmes, dann erstarrte sie.
Schmerz explodiert in ihrer Seite und warmes Blut lief ihr Bein hinab.
Als sie ungläubig an sich hinunter sah, fand sie die Axt ihres Gegners in ihrem Fleisch.

Sie hatte ganz vergessen, das sie im Sand der Arena nicht alleine war.

Das Herz der GolemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt