2.Kapitel:Dort wo Schatten sind

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Ris Bewusstsein umgab eine grenzenlose Leere. Doch sie hatte nichts beängstigendes an sich, sie war ihr vertraut, hatte sie doch viele Nächte hier verbracht und mitlerweile gelernt sich darin zu bewegen.

Es war ganz ähnlich wie in der Energieebene, schließlich war dieser weite Raum auch nur Teil ihres Verstandes. Sie hätte leicht auf die andere Ebene wechseln können und sicher hätte sie dann den Geist ihrer Freunde in der Ferne wahr genommen, doch das hätte bedeutet dieser Teil ihrer Selbst schutzlos zurück zu lassen.

„Glaubst du immer noch dich vor mir verteidigen zu müssen?“
Die Stimme, die durch die Dunkelheit zu ihr sprach klang warm und freundlich. Ganz ähnlich der einer Mutter, die sich um ihr Kind sorgte, aber Ri hatte schon beim ersten mal erfahren müssen, dass das Wesen, dem sie gehörte alles war, doch ganz sicher nicht freundlich.

„Warum versuchst du es schon wieder auf diesem Weg? Glaubst du wirklich das ich dieses mal darauf herein falle?.“

Obgleich ihre Geistigerkörper keine Muskeln besaß, spannte sich alles in Ri an, als das Wesen aus den Schatten trat.
Die flirrenden Umrisse schienen tatsächlich die Form einer Frau angenommen zu haben, doch es wirkte falsch, als sei sie nichts als ein verzerrtes Abbild eines Menschen.

„So misstrauisch? Dabei will ich dir nur helfen.
All das ist doch viel zu schwer für dich. Wäre es nicht schön keine Schmerzen mehr zu empfinden?“
Wieder klang die Stimme süß und einlullend, doch Ri kannte ihr Spiel zu gut um sich davon täuschen zu lassen.

„Ich weiß wie deine Hilfe aussieht und ich will sie nicht!“
brüllte sie dem Wesen entgegen.

Die Umrisse flackerten und verschwammen, bis es wieder seine ihr bekannte, warbernde Gestalt annahm, die eigentlich keine war.

„Einen Versuch war es wert,“
sagte es lachend.
Alles freundliche und warme war aus der Stimme verschwunden, wie Werkzeug das unbrauchbar geworden war.
Jetzt klang sie schrill und kalt, so wie Ri sie kennen gelernt hatte und jedes Wort schmerzte in ihren Ohren.

„Ach, sieh an wer da in meine Arme zurück gekehrt ist. Hast du mich vermisst?“
Wieder lachte es und in Ri erwachte der Zorn, wie ein dunkles Tier, das in ihrem Inneren geschlafen hatte.

„Wie ich eine Fleischwunde vermissen würde,“
rief sie und versuchte ihre Wut wieder zu zügeln. Sie wusste, das dieses Wesen nicht wie der Kommandant war, dessen ganzes Sein so von Hass und Angst zerfressen war, das es alles, was sie ihm entgegen schleuderte verschluckte.

Dieses Ding, oder was immer es war, konnte sie mit jeder art von Gefühlen bezwingen und dennoch wollte sie es lieber mit guten Gefühlen besiegen.

„Hass erzeugt immer nur mehr Hass und Zorn zerfrisst dich am ende selbst,“
sagte sie gedankenverloren.

„Was redest du da?“
Es schien ihm nicht zu gefallen, das Ri es so wenig beachtete.
Was seltsam war, müsste es nicht eigentlich froh darüber sein und sich in der Zeit, in der sie abgelenkt war, an ihren Gefühlen zu schaffen machen?

Denn das war es was es wollte, was es immer gewollt hatte, wenn sie ihm begegnete. Sie wieder in eine gefühllose Puppe verwandeln, wie es alle Golem im bekannten Land waren und wie auch Ri einst gewesen war, bevor sie dem Herrn der Wüste begegnete.

Entschlossen grub Ri nach einer der positiven Empfindungen in ihrem Herzen und holte sie hervor.
Es war Freude, die einfache, schiere Freude am leben zu sein.
Sie strahlte ein sanftes Leuchten aus und durchbrach die Finsternis wie eine kleine Sonne.

Ri beobachtete die Reaktion des Wesens genau, es versteifte sich  augenblicklich und auf dem verzehrten Gesicht erschien eine Mischung aus verlangen und abscheu.

„Willst du das, willst du es?“
Sie wedelte damit hin und her, den Blick immer auf die Augen ihres Gegenübers gerichtet.
Sie waren wie schwarze Abgründe, hohl und leer und allein damit schien es ihre Gefühle verschlungen zu wollen.

Sie erkannte den Moment in dem es die Beherrschung verlor und sich heulend und kreischend auf sie stürzte. Schattenklauen durchschlugen den Raum um sie her, auf ihrem Weg zu Ris Bewusstsein.
Doch sie schlossen sich um Nichts und das Wesen schrie frustriert auf. Der Laut klang wie das Jaulen einer Bestie und Ri überlief es kalt.

Aber sie wusste, das sie jetzt nicht zögern durfte. Wären ihre Rollen vertauscht, hätte es eben so wenig Gnade walten lassen und genau das war Jahre lang der Fall gewesen.

Ri packte die kleine Sonne, in ihrer Hand fester und formte einen glühenden Sperr, den sie wie einen Blitz, auf die Schatten nieder sausen ließ.

Wieder kreischte das Wesen, doch diesmal klang es wie ein verwundetes Tier.
Mitleid flammte, gegen ihren Willen in ihr auf und für einen kurzen Moment strauchelte sie.

Dieser winzige Moment reichte ihm und kalte Schatten griffen nach ihr. Sie borten sich in ihr Bewusstsein und Ri schrie auf, als der bekannte Schmerz durch ihren Körper zuckte.

Schnell barg sie die verwundete Seite hinter einer Wand auf weitere Gefühlen. Doch das Wesen hatte seine alte Sicherheit wieder gefunden und hieb nun auf sie ein, schneller als sie den Angriffen folgen konnte.

Es kreischte vor Vergnügen, als seine langen Krallen wieder und wieder in sie fuhren.

Jetzt packte sie doch die Wut und wie eine Rüstung aus gleißenden Flammen legten sie sich um ihren Körper. Die Schatten verglühten, wo immer sie sie berührten und jetzt war es wieder das Wesen, das vor Schmerzen schrie.

Ri ließ ihre Hände durch die Finsternis fahren, bis die Schatten langsam verschwanden und das Wesen in sich zusammen schrumpfte.

„Ich komme wieder,“
spie es ihr voller Verachtung entgegen, doch Ri packte es, bevor es sich ganz auflöste.
Es war mittlerweile so klein, das es in ihre Hand passte und zappeld versuchte es sich gegen ihren Griff zu wehren, doch ihre Finger blieben geschlossen.

„Ja, davon bin ich überzeugt. Du kommst wieder um zu versuchen meine Gefühle zu rauben und mich zu einem Spielzeug der Menschen zu machen, wie du es mit so vielen meines Volkes getan hast.“

„Ihr seid eine niedere Lebensform, ihr habt es nicht anders verdient,“
kreischte es in ihrer Hand.

Ris Augen verängten sich, als sie diese Worte hörte, die sie, auf erschreckende Weise an die des Kommandanten erinnerten und sie musste sich beherrschen, die Wut nicht überbrannden zu lassen und das Wesen versehentlich ganz auszulöschen, denn sie hatte noch ein paar Fragen an die Schattengestalt.

„Wer bist du wirklich?“

Die schwache Gegenwehr erstarb, als Ri ruhig ihre Frage stellte und es betrachtete sie aus zusammen gekniffen Augen.

„Wie meinst du das?“
Jetzt klang seine Stimme lauernd, als versuche es einzuschätzen wie groß die Gefahr, die von Ri ausging wirklich war.

„Ich kann dich aus meinem Geist vertreiben und das werd ich auch, egal wie oft du wieder kommst, aber ich kann dich nicht wirklich vernichten.
Dein Bewusstsein muss also einen Körper haben und dieser Körper einen Namen und den will ich wissen.“

Die dunklen scharfen Augen musterten sie lange, dann begann es zu lachen. Lauter als sie es so einem klein Wesen zugetraut hatte, doch schließlich verstummte es abrupt.

„Du bist schlau, aber du hast keine Ahnung. Von mir erfährst du nicht, hast du gehört, nichts.“
Damit löste es sich in ihrer Hand auf, wie der letzte Schleier, eines Alptraums und ließ sie ohne Antwort zurück.

Das Herz der GolemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt