69.Kapitel: Dort unter Wolfskindern

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Kajatan wusste, dass er gewinnen würde. Sein Bruder war verletzt. Er blutete stark und war von dem Kampf, den er zuvor bestritten hatte erschöpft.
Aber es beruhigte ihn nicht all das zu wissen, denn er wusste mit wem der vorige Kampf ausgefochten worden war und dieses Wissen bohrte sich wie eisige Splitter in sein Herz.

„Was hast du mit Tay gemacht?“
Seine Stimme war lauter als er gewollt hatte, aggressiver, denn eigentlich kannte er die Antwort.
Er hatte nicht erwartet, das es ihn noch so hart treffen konnte, nachdem was sie ihm angetan hatte, aber ihre Freundschaft ging wohl tiefer, als selbst er angenommen hatte.

„Tu nicht so, als würde es dich interessieren! Hör endlich auf so lieb zu tun. Ich weiß wie du wirklich bist, du bist eine Bestie, genau wie ich!“
Er schnaufte, nach der Heftigkeit, mit der er die Worte ausgestoßen hatte und sein Arm, mit dem er das Schwert hielt, begann zu zittern.
Er war am Ende seiner Kräfte, erkannte Kajatan.
Mit dieser Erkenntnis glomm unvermittelt ein Wunsch in ihm auf, hervor gerufen von Erinnerungen einer Gruppe Beschaffer, die über ihm aufragten und auf ihn einschlugen, während Gahdir daneben stand und lachte. Die Wunden dieses Tages waren kaum verheilt, er hatte sie nur vergessen bei all dem, was seit her auf ihn eingeprasselt war.
Die Hilflosigkeit dieses Momentes, steckte ihm noch in den Knochen und der Teil von ihm, der wirklich tierisch, wirklich eine Bestie war, wollte Rache.

Der Funke der Wut in ihm explodierte bei diesem Gedanken. Gleißende Flammen der Wut fraßen sich an all den Erinnerungen entlang, die von dem erzählten, was Gahdir ihm angetan hatte und in einer fließenden Bewegung jagte er nach vorne. Er packte seinen Bruder, dessen Reflexe sich durch die Erschöpfung verlangsamt hatten und schleuderte ihn gegen die Wand.
Der glühende Zorn wandelte sich in grimmiger Zufriedenheit, als rot glänzendes Blut unter seinen Krallen hervor sickerte. Das vor Schmerz verzehrte Gesicht seines Bruders war Futter, für seine Seele, die nach Rache gierte.

„Wir waren schon immer so unterschiedlich wie Geschwister nur sein können,“
grollte er und bedachte sein Gegner mit einem eisigen Blick. 

„Aber in einem Punkt sind wir uns endlich mal gleich, auch ich habe genug von dir.“
Mit diesen Worten packte er das Schwert seines Bruders und riss es ihm aus der Hand.

„Ich habe genug davon das du mir die Schuld gibst für alles was dir nicht passt, genug von deinen verdammten Komplexen und deinem Geltungsbedürfniss.“
Gahdir versuchte seinen Bruder von sich zu drücken, doch schon im unverletzten Zustand wäre er ihm überlegen gewesen, doch so, hatte dieser kaum eine Chance. Das schien er nur nicht zu begreifen.

Also wechselte er die Taktik.
Die Nähe ausnutzend, die Kajatan mit seinem Angriff geschaffen hatte, stieß er mit der freien Hand plötzlich vor.
Der sah etwas in den schwarzen Fingern aufblitzen und warf sich reflexartig zur Seite. Es erwies sich als richtig, den das aufblitzen kam von einer glatt polierten Klinge, kurz aber tötlich.
Der Dolch verfehlte ihn nur um wenige Zentimeter und fuhr stattdessen in den Stein der Zellenwand.
Mit einem seltsam singenden Geräusch blieb die Waffe stecken und Gahdir fluchte.

Kajatan zögerte nicht einen Herzschlag lang. Er packte den Griff des Schwertes fester und stieß ihn mit aller Kraft gegen seinen Bruder.
Der versuchte zu entkommen, doch die Klinge durchbohrte seine Schulter und versank im weichen Gestein hinter ihm. Wie ein Insekt war er an die Wand geheftet und jaulte vor Schmerz. Sofort begann sich der Stoff, um die Wunde herum, rot zu verfärben. Blut, das aus dem Gesicht des Beachaffers zu weichen schien, den Kajatan sah, wie er unter dem schwarzen Fell alle Farbe verlor.

„Bist du jetzt zufrieden? Bist du erst glücklich wenn einer von uns tot ist?“

Gahdir knurrte, wie ein wild gewordenes Raubtiet und versuchte sich zu befreien, aber seine Finger zitterten zu stark, als das sie sich um den Griff der Waffe hätten schließen können. In seinen gelben Augen lag der Glanz des Wahnsinns, wie ihn nur purer Hass erzeugen konnte.

Der Anblick erinnerte Kajatan unvermittelt an Ryu.
Der seiner Rasse, mit dem er in den Ruinen wache gehalten hatte. Den er verraten und damit dem zum Tode verurteilt hatte. Auch er war am ende seines Lebens dem Wahnsinn verfallen. Es lag einfach in der Natur der Beschaffer. Wenn sie hassten, dann mit allem was sie waren. Mit jeder Faser ihres Körpers und gaben erst Ruhe wenn entweder das Ziel dieser Gefühle oder sie selbst zur stecke gebracht worden waren.

Aber mit der gleichen Heftigkeit konnten sie auch lieben.
Das Bild von Ri erschien vor seinen Augen, wie sie lachte und das Gold in ihrem Blick freudig funkelten, während sich ihr Gesicht in tausend Fältchen legte.
Die Wärme, die seine Liebe zu ihr in ihm auslöste, war so ganz anders, als die versängende Hitze des Zorn, der seinen Bruder tot sehen wollte.

Das erste mal betrachtete er Gahdir ganz nüchtern und mit einem mal tat er ihm leid. Wie er so von Hass zerfressen vor ihm stand und selbst jetzt noch, wo der Kampf eigentlich beteits entschieden war, versuchte ihn mit seinen Krallen zu erreichen, statt die Blutung zu stillen und vielleicht zu überleben.
Die Wut, die er bis eben noch empfunden hatte, kam ihm nun so lächerlich vor, so kindisch, das er über sich selbst lachen musste.

Gahdir, der den plötzlichen Ausbruch falsch deutete, vergaß die Waffe in seinem Fleisch und versuchte mit letzter Kraft Kajatan zu erreichen. In seinen Augen lag blinder Hass. Er verstand nicht, das das Lachen nicht ihm galt, glaubte Kajatan mache sich über ihn lustig.

„Du dreckiger Mistkerl!“
Er war kaum mehr in der lage, mit seinen blutleeren Lippen Worte zu formen, aber er schimpfte weiter, selbst als seine Kniehe nach gaben und sein Gewicht nurnoch von der Klinge gehalten wurde.
Kajatan fing ihn auf. So entkräftet wie er war, stellte er keine Bedrohung mehr da.

„Du mieser...“
Gahdir war nicht mehr in der Lage den Satz zuende zu sprechen. Der Nebel des Blutverlusts übermannten ihn. Mit letzter Kraft krallte er sich in den Arm seines Bruders wie ein Ertrinkender, dann schlossen sich seine Augen.

Kajatan blickte auf ihn hinab. Trauer umspühlte sein Herz, so unvermittelt wie der Sonnenuntergang an langen Tagen. Was sollte er nun mit ihm tun?
Ihn hier liegen zu lassen würde vielleicht seinen tot bedeuten, aber er musste Tay finden und danach Ri.

Aber er konnte ihn nicht sterben lassen. Selbst nach allem was er ihm angetan hatte, war Gahdir immer noch sein Bruder und damit alles was von seiner Familie noch übrig war.
Kurz entschlossen warf er ihn sich über die Schulter. Er war schwerer als Kajatan erwartet hatte und das bereits erkaltete Blut sickerte langsam in seine Kleidung. Es klebte unangenehm auf seiner Haut, aber er versuchte es zu ignorieren.

Sein Plan war es Gahdir auf einem der Wege liegen zu lassen, wo er unter Garantie gefunden wurde. Er hatte schlicht keine Zeit sich jetzt richtig um seine Wunden zu kümmern.

Während er sich Schritt für Schritt vorwärts kämpfte, das schwächer werden der Atemzüge seines Bruders, mit Besorgnis beobachten, stieg ihm wieder Tays Geruch in die Nase.
Sie musste näher sein, als er geglaubt hatte.

Die Sorge um sie kam wieder in ihm hoch und mit der Kraft der Verzweifung schleppte er sich auf die Quelle des metallenen Dunstes zu.
Und dann sah er sie. 




Na, was meint ihr, ist Tay tot oder noch am Leben?
Würde mich mal interessieren was ihr glaubt😁

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