38.Kapitel: Dort im Wolfsbau

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Taynari hielt den Kopf gesenkt, als sie durch die Straßen der Stadt huschte. Nicht einfach nur, um zu verhindern, das jemand sie bemerkte, auch weil es ihr gerade unmöglisch schien ihn stolz zu heben, wie sie es sonst tat.
Sie hatte nicht gekämpft und doch hatte sie das Gefühl verloren zu haben.
Im normal Fall hätte sie das wütend gemacht und sie hätte es solange weiter versucht, bis sie die Gewinnerin war, aber dieses mal...

Sie seufzte, als sie ihr Ziel erreichte. Vor ihr, am Ende einer schmalen Gasse, lag der Eingang in ihr derzeitiges Versteck, nicht mehr als ein breiter Riss im Mauerwerk.
Sie hatte umziehen müssen, nachdem Kajatan sie besucht hatte, sie hatte nicht riskieren können, das einer ihres Teams seinen Geruch entdeckte.

Sie hatte ihnen gesagt, der alte Besitzer sei wieder gekommen. Etwas das durchaus einmal passieren konnte, aber doch ungewöhnlich genug war, das sie sich allmählich fragte wie lange sie ihre Lügen noch aufrecht erhalten konnte.

So war es nicht verwunderlich, das sie kaum Lust hatte ihnen gegenüber zu treten. Noch weniger, nach dem was zwischen ihr und Kajatan passiert war, oder eben nicht passiert war.
Aber sie musste, sonst würde man nach ihr Suchen. Also sog sie tief die trockene Luft ein und streckte den Rücken durch. Sie wurde sich ihre Gefühle nicht anmerken lassen.

Die Kühle im Inneren legte sich wohltuend auf ihr Gesicht, als sie den dunklen Raum betrat. Ihre Augen brauchten einen Moment um sich an die anderen Lichtverhältnisse zu  gewöhnen. In dieser Zeit war sie fast blind, aber ihre Nase sagte ihr das sie nicht alleine war.

Sie hörte eine Schritte hinter sich. Schuhe die über Stein und Sand schabten. Dann wurde etwas Großes bewegt und das spärliche Licht, das zu ihnen herein fiel erlosch.
Der Ausgang war versperrt.

„Was soll das?“
fragte sie und versuchte sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.

Die Gestalt, die sie nur als flüchtigen Schatten wahr nahm, trat näher.
In der Finsternis leuchteten seine Zähne weiß auf, als er lächelte. Da sie den Rest von ihm nicht erkennen konnte, schien es, als schwebe dieses Lächeln körperlos in der Luft.

Ein Schauder lief kalt ihren Rücken hinab, dennoch hob sie den Kopf ein Stück höher. Sie würde sich nicht einschüchtern lassen.

„Ich denke du bist uns eine Erklärung schuldig,“
sprach die tiefe Stimme des Mannes.

Hinter sich hörte sie zustimmendes Knurren aus zwei Kehlen.

„Eine Erklärung? Dann erklär du mir zuerst warum du deine Anführerin einsperst!“
Sie wusste nicht was vorgefallen war oder was sie durchschaut hatten, aber sie wusste, wenn sie jetzt Schwäche zeigte wäre dies der zweite Kampf, den sie an diesem Tag verlor. Nur das diese Niederlage die deutlich mehr kosten würde, als nur ein gebrochenes Herz.

„Einsperren? Nein, ich wollte nur sicher gehen das niemand ungebetenes herein kommt. Aber du kannst natürlich gehen wohin du willst. Auch zu ihm.“

Taynari schwieg obgleich sie wusste das es einer Zustimmung gleich kam. Aber was hätte es gebracht es abzustreiten.

„Hast du wirklich geglaubt wir würden seinen Geruch an dir nicht bemerken. Du hast versucht in mit Sand abzureiben, aber du warst nicht gründlich genug.“

Die Augen vor ihr verängten sich zu schmalen Schlitzen und seine Worte waren wie Säure auf ihrer Haut.
Sie bleckte die Zähne in einem letzten Versuch ihr Gegenüber daran zu erinnern wer der Boss war, auch wenn sie wusste das es zwecklos war.

„Das einzige was ich nicht versehe ist, warum du es getan hast.“
Er spuckte ihr die Frage gerade zu entgegen, aber sie reagierte nicht.

Langsam konnte sie ihn in der Dunkelheit erkennen. Die breite Gestalt mit dem kantigen Gesicht. Er war nicht so groß wie Kajatan, aber immer noch deutlich größer als sie.

„Ja, warum Boss?“
meldete sich einer der anderen zu Wort.

Sie erkannte Joton an seinem tiefen, dümmlichen Ton und hätte fast gelacht.

Warum?
Diese Frage hatte sie sich selbst wieder und wieder gestellt, ohne eine Antwort zu finden.
Oder?
Ein Teil von ihr kannte den Grund, aber nichts würde sie dazu bringen es zuzugeben, nicht einmal vor sich selbst.

„Ich weiß nicht wovon du redest,“
sagte sie in einem verspäteten Versuch alles abzustreiten.

Er schnaubte.
„Verdammt Taynari. Er hat deinen Bruder auf dem Gewissen und dennoch hilft du ihm?
Warum, zum Teufel?“

Sie seufzte. Sie hatte verloren, was das für sie bedeuten würde, wollte sie sich garnicht ausmalen.
Aber dann konnte sie auch mit erhobenem Kopf untergehen.

„Er war es nicht!
Der König hat den Befehl zu Tyrons ermordung gegeben.“

„Das spielt keine Rolle,“
zischte er böse.
„Er ist unser Auftrag. Dein Auftrag Taynari.“
Der tiefe drohende Ton vibrierte in ihren Knochen, doch noch immer regte sie sich nicht.

„Er hat sich verändert,“
flüsterte sie langsam.

„Er hatte schon immer diesen unbedingten Willen sein Ziel zu erreichen, aber damals war er noch ein Kind.
Er ist erwachsen geworden, Gahdir. Während du ein Kind geblieben bist.“

Sie sah die Bewegung nicht kommen, doch war ihr klar gewesen, das sie kommen würde.
Sie kannte die alte Wunde, die er mit sich rum trug und hatte diese mir Absicht wieder aufgerissen.

Seine Hand packte ihren Hals und der Schwung warf sie gegen die Wand. Es krachte und weiße Blitze durchzuckten ihr Sichtfeld. Der Druck auf ihre Kehle nahm ihr zudem die Luft zum atmen. Wie Stahl krallten sich die Finger in ihr Fleisch und erstickte Laute verließen ihren Mund.

„Jetzt lass die Spielchen,“
hörte sie, wie aus weiter Ferne, die hohe Stimme des letzten Mitgliedes.

Splitt war noch ein gutes Stück kleiner als sie, was durch eine Krankheit in seiner Kindheit ausgelöst worden war. Taynari konnte sich noch gut erinnern, das sie zu Beginn nicht gewusst hatte ob er Junge oder Mädchen war. Doch nach der spötischen Frage hatte sie sich schneller am Boden wiedergefunden, als ihr lieb gewesen war.
Splitt war klein, aber schnell und konnte es garnicht ausstehen wenn man ihn unterschätzte.

Er und Joton waren meist zusammen, auch wenn sie so unterschiedlich waren wie zwei Wesen nur sein konnten.

„Lass sie runter Gahdir. Wir müssen sie nicht töten, wenn wir ihren Fehler ausbügeln gehen.“

Der Druck auf ihren Hals verschwand, so abrupt wie er gekommen war und sie sackte auf dem Boden zusammen.
Keuchend umklammerte sie die schmerzende Stelle.

„Du wirst ihn nie besiegen,“
krächzte sie.

Es beachte ihr einen Tritt in die Rippen ein. Aber das war es ihr wert. Dann wandte er sich mit einem Ruck ab und öffnete den Ausgang.

Taynari war unfähig sich zu bewegen und als das Licht so plötzlich auf ihre Netzhaut traf musste sie den Blick abwenden.

Joton, der Riese zog sie auf die Füße.
„Tut uns leid Boss,“

„Sprich nicht für uns alle,“
zischte Splitt, als er an ihnen vorbei schritt.

Der Regen ihrer Tränen hatte die Asche hinfort gewaschen. Aber die schwarze Erde, in ihrer Seele war geblieben und lag schwer in ihrem Herzen. Ob sich die Landschaft jemals wieder erholen würde, war zweifelhaft. Auch der zweite Tag voller Kampf und Schmerz hatte es nicht besser gemacht, aber in ihrem Inneren gab es nichts mehr das brennen konnte.

Kajatan konnte es kaum ertragen, wie sie hinter ihm herlief und er durch ihr Schweigen all das hörte, was sie nicht aussprechen konnte.
Er fürchtete sich vor dem Moment, wenn sie den Helm abnehmen würde und er sehen konnte um wieviel schlimmer die Zerstörung geworden war.

Sie erreichten ihr Versteck, aber als er den Flur betrat, beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Er stoppte, die Tür zu ihren Räumen noch ein dunkler Fleck, am Ende des Ganges.

Es konnte keinen bedrohlichen Geruch in der Luft ausmachen, oder Spuren am Boden, dennoch sagten ihm seine Instinkte das irgendetwas nicht stimmte.

„Was ist?“
fragte Ri hinter ihm leise.

„Du bleibst hier,“
sagte er bestimmt, dann legte er seine Hand auf die Klinke.

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now