50.Kapitel: Dort wo Gold auf Stein trifft

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Mit einem schmatzenden Geräusch zog der andere Golem seine Waffe auf der Wunde. Es war als hätte man einen Korken aus der Flasche gezogen. Das Blut schoß aus ihrem Körper, wie eine goldene Fontäne.
Ri wurde schwindelig.
So viel Blut hatte sie noch nie verloren.

Instinktiv presste sie die Hand darauf, um den Strom zu stoppen, aber im nächsten Moment musste sie ihre Hände hoch reißen. Die breite Klinge prallte auf ihre Armschienen und Funken stoben. Die schiere Kraft ihres Gegners zwang sie beinah in die Knie. Der Sand unter ihren Füßen boht keinen Halt, so das sie Zentimeter um Zentimeter zurück gedrängt wurde.

Ri biss die Zähne zusammen. Der Schmerz der durch ihre Adern brannte raubte ihr die Sinne, schon spürte sie das lockende Schwarz, das hinter ihrem Verstand auf sie wartete.
Aber sie durfte ihm nicht nachgeben, genauso wie sie dem Giganten vor sich nicht nachgeben durfte.

Sie sprang bei Seite und ließ damit ihren Gegner ins Leere laufen. Doch die wenigen Sekunden die er brauchte um sich neu zu orientieren reichten nicht aus, das sich die Wunde vollkommen schließen konnte.
Der Blutfluss war zwar versiegt, aber noch immer klaffte der Schnitt in ihrer Seite, wie ein zweiter Mund.

Ri griff nach ihren Schwertern. Kaum hielt sie sie in Händen, kam bereits der nächste Schlag.
Sand wurde hoch geschleudert, als die Axt in den Boden eindrang.

Sie war dieser zwar entkommen, aber was sollte sie jetzt tun?
Gegen diesen ihres Volkes wollte nicht kämpfen, aber für immer ausweichen war auch keine Lösung.
Zwar hatte sie ihre Waffen, doch benutzen wollte sie sie nicht. Ja, ein innerer Drang rief ihr sogar zu sie solle sie wegwerfen und lieber die Flucht ergreifen.

Dann hörte sie mit einem mal, durch den Lärm der Menge Kajatan, der ihr Befehle zurief.
Erleichterung packte sie. Er war ein exzellenter Kämpfer und würde alles tun was er konnte damit sie überlebte. Wenn sie auf ihn hörte, und da war sie sich sicher, würde sie nicht sterben. Sie wusste das sie sich auf ihn verlassen konnte.

Wie von selbst führte sie aus was er verlangte und fand sich im nächsten Moment auf der ungedeckten Seite ihres Gegners wieder.
Ein gezielter Tritt gegen sein Standbein und er lag am Boden. Sie setzte ihm ihre Klinge an den Hals und um sie her, sog die Menge scharf die Luft ein.

Ri lächelte. Sie hatte es gerade noch geschafft, jetzt konnte sie endlich das tun wozu sie gekommen war und ihre Rasse befreien. Sie versuchte sich an die Worte zu erinnern, die durch das Fürchten um ihr Leben in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins gewandert waren.
Warum jubelten die Menschen eigentlich nicht?

Ein plötzlicher Schlag gegen ihre Mitte, ließ sie zurück kehren ins Kampfgeschehen. Die Kraft, mit der er ausgeführt worden war, schleuderte sie mehrere Meter nach hinten.
Hart schlug sie am Boden auf und spürte wie die feinen Körner ihr die Haut von Schultern und Rücken schliffen.

Reglos blieb sie liegen. Ihr Körper weigerte sich ihr zu gehorchen, zu stark war das Brennen, das durch ihre Glieder jagte. Selbst ihre Lunge verkrampfte und für einige schreckliche Herzschläge glaubte sie ersticken zu müssen.

Was war gerade geschehen?
Sie hatte den anderen Golem besiegt, warum hatte er trotzdem angegriffen?
Es fiel ihr schwer zu denken, aber dann rastete etwas in ihrem Hirn ein und sie begriff.
Golem Kämpfe gingen bis zum tot und sie beide lebten noch.
Noch.
Es war fraglich wie lange es noch für sie galt, wenn sie nicht schnellstens auf die Füße kam.

Taumelnd versuchte sie sich hoch zu stämmen, da traf sie bereits der nächste Schlag. Die Schneide, die in ihren Hals eindringen sollte, prallte auf ihren Arm, den sie gerade noch hoch reißen konnte.
Sie meinte ihren Knochen splittern zu hören, so groß war die Wucht.

Ihr Angreifer holte erneut aus, dieses mal sollte die Axt ihr von Oben den Schädel spalten. Ri sah die tötliche Waffe auf sich zukommen, Adrenalien wurde in ihre Adern ausgeschüttet und mit einem Satz warf sie sich herum. Sie spürte noch den Luftzug, dann grub sich die Klinge erneut an der Stelle in den Sand, an der sie einen Wimpernschlag zuvor noch gelegen hatte.

Angst und Überlebenswille brodelten in ihrem Inneren durcheinander und ließen alle anderen Eindrücke verblassen. Wie von alleine bewegten sie ihre Muskeln vorwärts und ihre Schwerter vergruben sich in dem, noch immer ausgestreckten Arm, des Giganten.

Die Hand, die Sekunden zuvor noch den Stiel gehalten hatte, fiel mit einem leisen Geräusch zu Boden.
Blut spritzte aus dem Stumpf hervor und Ri wich zurück, ehe ihr Verstand noch recht begriff was geschah.
Dann konnte sie ihre Augen nicht von der abgetrenten Gliedmasse lassen.
War das wirklich sie gewesen?
Sie hatte ihn nicht verletzen wollen, aber in diesem Augenblick hieß es: Er oder Sie.

Der Lenker schien sofort zu erkennen was geschehen war und gab seinem Golem neue Befehle. Dieser packte die Waffe nun mit der anderen, verbliebenen Hand, keine Notiz nehmend von seinem goldenen Lebenssaft, der noch immer in großen Mengen seinen Körper verließ.

Ri sah die dunklen Augen, die nicht vorhandenen Gefühle darin und doch.. und doch wollte sie schreien.
Sie wusste das er den Schmerz empfand, auch wenn er selbst es nicht wusste.
Es trieb sie zur Verzweiflung, doch für Tränen hatte sie keine Zeit, der nächste Hieb hätte sie um ein Haar in zwei Teile geteilt.
Sie wich aus. Diesem, dem nächsten. Der dritte erwischte sie an der Schulter und zeichnete einen blutigen Striemen in ihre Haut.

Sie hörte Kajatan, der ihr befahl anzugreifen, hörte das Publikum, das verwundert Murmelte, aber der Golem mit nur einer Hand, der immer wieder nach ihr ausholte, war nahm ihr ganzes Bewusstsein ein. 

Dann krachte sie mit dem Rücken gegen den harten Stein der Arena Wand und ihr wurde klar, das es keinen Ort mehr gab an den sie fliehen konnte. Der Gigant jagte auf sie zu. Schon sah sie die scharfe Klinge seiner Axt auf sich zuschnellen, spürte das Donnern jeder seiner breiten Schritte und wusste, das sie nicht mehr ausweichen konnte.
Instinktiv riss sie die Arme hoch, dann krachte ihr Angreifer mit seinem vollen Gewicht gegen sie. Stein splitterte, Sand und Staub wirbelten auf und verhüllte die beiden Kämpfer.

Das Publikum stieß überraschte Laute aus und reckte sich um zu sehen was dort unten geschah. Kajatan rief ihren Namen, ein heiserer Laut aus seiner Kehle, wie sie es noch nie gehört hatte, dann öffnete Ri die Augen.

Ihr Herz schlug noch immer viel zu schnell und sie verstand nicht was gerade geschehen war.
Dann tropfte etwas warmes auf ihre Wange und als sie atemlos aufsah, fand sie das Gesicht ihres Gegners über sich in den Nebeln des Kampfes.
Es war Blut, das da auf sie hernieder tropfte und nun erkannte sie auch woher es kam.
Ihre Schwerter hatten sich in seine Kehle gegraben.

Der Golem sackte langsam über ihr zusammen, während auch der letzte Funken lebendigkeit aus seinen Augen verschwand. Dann traf er mit einem Dumpfen Laut am Boden auf.
Ri konnte ihn nur anstarren.
Er war tot, wurde ihr klar.
Tot.
Sie hatte ihn getötet!

Um sie her brandete der Jubel der Menschen auf, die so einen spannenden Kampf schon lange nicht mehr erlebt hatten. Wie ein fernes Dröhnen drang es an ihre Ohren, klang wie das Brüllen eines grausamen Tieres.

Ri ging in die Knie und ihr Schrei halte durch die Arena. Verwirrt erstarben die Rufe der Menge, als das Klagen und Weinen immer lauter wurde.
Fassungslos blickten sie hinab auf den Kampfplatz, wo die kleinere Gestalt gerade über ihrem besiegten Gegner zusammen brach.

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now