86.Kapitel: Dort geht ein Stern auf

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Golem.
Mehr Golem als Ri in ihrem ganzen Leben je gesehen hatte. Selbst mehr, als damals im wandelnden Berg gefangen gehalten worden waren. Und sie alle liefen planlos über die Straßen der Stadt. Ri konnte das Gewirr aus goldenen Körpern gut überblicken, als sie durch das Tor der Schlossmauer schritt. Einen Moment blieb sie sprachlos stehen und konnte nicht anders als das Schauspiel zu beobachten, das sich vor ihr abspielte.
Beobachtet die Wüstenbewohner, die herum liefen, als wären sie gerade aus einem langen Schlaf erwacht. Manche von ihnen wurden verfolgt von ihren ehemaligen Besitzern, die auf sie einredeten oder gar versuchten sie zurück an ihre Aufgaben zu ziehen.

Die Männer der Königin hatten den Befehl verlesen, das die Golem frei zu lassen waren. Aber der Gedanke, das diese Wesen zu nichts anderem da waren als die geforderten Abreiten zu verrichten, saß so fest, das nur Wenige die goldenen Wesen einfach ziehen ließen. Palastwachen versuchten auf den Straßen für Ordnung zu sorgen, aber das Geschrei wurde immer lauter. Einige der Golem wehrten sich gegen die grobe behandlung und verletzten ihre ehemaligen Besitzer mit ihrer übermenschlichen Stärke.
Ri sah einen Händer, der von einer unbedachten Bewegung eines Golem, gegen die Wand des Hauses geschleudert wurde und ächzend liegen blieb. Unweit stand eine Frau, die auf das, was sie für ein wild gewordenes Werkzeug hielt, einschlug, bis der Wüstenbewohner blutend versuchte zu entkommen.

„Worauf wartest du? Sie brauchen dich.“
Kajatan war hinter ihr durch das Tor getreten uns sah sie nun abwartend an. Ri hatte gar nicht gemerkt wie lange sie so da gestanden hatten, einfach zusehend. Aber er hatte recht, ihr Volk brauchte sie noch immer, in diesem Moment vielleicht mehr als jemals zuvor. Sie brauchten Führung, oder die Befreiung würde in ein Blutbad übergehen.

„Hört mich an!“
Ris Stimme schallte über das Gewirr, aber nur wenige wandten den Kopf um zu einer von vielen Golem zu blicken, die sich plötzlich frei bewegten.

„Hört mich an!“
Ein zweites mal versuchte sie die Aufmerksamkeit der Menge zu bekommen, doch wieder ohne Erfolg.
Einen Moment verunsicherte es sie, doch dann erkannte sie ihren Fehler.
Wenn sie alle Golem erreichen wollte, so konnte sie das nicht mit ihrer normalen, körperlichen Stimme.

Ri schloss ihre Augen und ließ sich ganz in die Energieebene fallen. Dort griff sie nach den Verbindungen zu all jeden, die sich in dieser Stadt befanden. Das Schwarz war aus den Goldenen Bändern gewichen, wenn auch noch dunkle Schatten über manchen lagen. Doch auch die hoben sich, als ginge die Sonne über der Energieebene auf.

Die Ebene, die sie zuletzt als dunklen Ort erlebt hatte, wurde mit jeder Sekunde heller.
Jeder Golem leuchtet, in Ris Augen, wie ein goldenes Feuer in der Landschaft, die einst aus nichts als Finsternis zu bestehen schien. Ihre Geistkörper schienen so lebndig, so Funken sprühend lebendig, das es Ri fast die Sprache verschlug. Der Anblick berührte Etwas tief in ihr und sie spürte Tränen in ihren Augen brennen. Wie lange hatte sie auf diesen Moment gewartet, auf diesen Anblick?
So unendlich lange.

„Willkommen, oh wie schön ihr seid. Willkommen, Willkommen unter den Lebenden.“
Beinahe körperlich war ihr bewusst, wie sich die Aufmerksamkeit eines Jede auf sie richtet.
Wie all die Golem, die keine Erfahrung hatten mit dieser Art von Kommunikation, inne hielten und lauschten.
Ri merkte, das sie sich einen Moment von ihren Gefühlen hatte überwältigen lassen, doch wenn sie ihnen helfen wollte, dann musste sie ihnen erklären was hier geschah.

„Habt keine Angst. Es wird alles gut. Ihr müsst einiges Verstehen.“
Langsam, um sie nicht zu überfordern, öffnete Ri ihren Geist und ließ Bilder aus ihren Erinnerungen in das Bewusstsein der Golem fließe. Erzählte ihnen auf diese Weise was sich zugetragen hatte. Begonnen mit der wirklichen Entstehung ihrer Rasse und mit dem was die Menschen ihnen angetan hatten.

Einige entbrannten zornig, über dieses Unrecht und Ri spürte, wie der Wunsch nach Rache in ihren Köpfen erblühte, doch schnell fasste sie nach dem Geist dieser Einzelnen und beruhigte sie mit sanften Worten. Das letzte was sie jetzt, so kurz vor dem Ziel brauchten, war ein Aufstand, egal auf welcher Seite.

Weiter ging sie mit ihren Erzählungen, als sie ihnen in kurzen Bildern das Monster beschrieb, dem sie auf der Grenze des bekannten Landes begegnet war und was sie von ihm erfahren hatte, über all die Nächte. Sie zeigte ihnen, wie sie es schließlich in seiner körperlichen Form gesucht und gefunden hatte. Zeigte ihnen den Kampf, der um sie statt gefunden hatte. Ri tat es nicht, weil sie Anerkennung erwartete, sondern weil sie wollte das jeder von ihnen verstand, woraus genau die Ketten gewesen waren, die sie all die Jahrhunderte gehalten hatten. Damit sie erkannten, das es nicht die Menschen, sondern die Angst gewesen war, die sie in der sklaverei gehalten hatte.

Leises, verstehendes Flüstern drang durch die Verbindung und eine Welle der Trauer und Unsicherheit schwappte Ri entgegen.
Die Golem hatten begriffen was ihnen geschehen war und nur die Wenigsten hegten noch immer den Wunsch nach Vergeltung. Die Meisten unter ihnen erfüllte das Geschehene nur mit einer unendlichen Schwermut und dem Wunsch nach Frieden.

Und Frieden war was sie verdient hatten, nach all dieser Zeit der Gefangenschaft. Ri erkannte schnell, das sie die Stadt verlassen mussten. Sie konnten nicht bei den Menschen bleiben, es würde wieder zu Streitereien kommen, früher oder später. Das beste, so dachte sie sich, wäre wenn sie zurück kehren würden in das was nun das unbekannte Land genannt wurde. Zurück in ihre Heimat und zurück zum Palast.

Den Kristall würden sie mit sich nehmen. Ein weiteres mal würden sie ihn nicht in falsche Hände fallen lassen. Dort draußen konnten sie ihre Zivilisation wieder aufbauen. Bessere dieses mal, größer und schöner.

„Kommt zu mir, gemeinsam verlassen wir diese Ort. Dies ist die Welt der Menschen und sie ist ein sinkender Stern.
Wir gehören nicht hier her, denn unsere Rasse ist jung, unser Stern beginnt gerade erst zu erstrahlen. Und ich will ihn strahlen sehen! Zu lange wurde unser Licht unterdrückt, zu lange, als das ich einen weiteren Tag warten will. Also folgt mir, in das Land unserer Vorfahren!“
Sie ließ Erinnerungen aufblitzen, von den Städten, die die Golem einmal besessen hatten. Von dem Ort, der ihnen einmal eigen gewesen war, von den Festen die dort gefeiert worden waren und unendlichem blauen Himmel über nichts als Wüste. Sie rief ihnen zu, das sie dort hin gehörten, sie alle und das sie all das wieder aufbauen konnten. Das sie wieder so leben konnten.

Ein Sturm der Zustimmung war die Antwort auf ihren Ruf.

„Ich bin hier.“
Dieses mal sprach sie ganz ruhig und legte all ihre Liebe für dieses, ihre Volk in die Worte. Sie setzte darauf, das Jeder von ihnen ihre Absichten erkennen würde und versammeln würden, denn die Gruppe bot einen gewissen Schutz.

Von überall kamen sie gelaufen. Große, Kleine, Alte und Kinder. In Scharen sammelten sie sich auf dem Platz vor dem Schloss und riefen aufgeregt durcheinander. Für die Menschen, die sich ängstlich in ihre Häuser zurück zogen, musste es ein seltsamer Anblick sein, konnten sie die Stimmen der goldenen Wesen doch nicht hören. Denn die Golem hatten ihre Gespräche auf die Energieebene verlegt, so das es auf dem Platz beinahe unheimlich still war. Es wirkte auf Ri, als wollen sie den Menschen nicht einmal mehr das Geräusch ihrer Stimmen schenken. Zwar empfanden sie keinen Zorn, doch waren sie der Ausnutzung überdrüssig.

Es dauerte lange bis alle versammelt waren, auch wenn es Ri nicht so vorkam.
Dort, in der Masse aus endlich befreiten Golem, mit Kajatan an ihrer Seite und dem Versprechen der Königin auf ihrer Seite, war Ri so glücklich wie noch nie in ihrem Leben.


Hallo ihr Lieben.
Entschuldige das diesen Montag kein Kapitel kam. Ich hatte eine winzige Blockade🙈
Und das zum Happyend, wie passend. Naja.
Aber das Buch ist noch immer nicht zu ende. Ein Kapitel und der Epilog noch, aber das ist beides fast fertig.

Auf sehr bald, eure 🐺🐾

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now