52.Kapitel: Dort kommt ein Sturm auf

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Shindas Pfoten donnerten über den Sand, als er freudig auf sie zurannte. Nur winzige Schwaden tanzten um ihn, um einen richtigen Sturm zu erzeugen war hier jedoch nicht genug Platz.
Ri fühlte wie die Erleichterung durch ihren Körper floss wie ein warmes Prickeln. Zugleich flammte erneut Wut auf. Shinda und die anderen Bestien, die Tieger und die Bären, sie alle waren aus dem selben Grund hier wie die Golem. Um zur belustigung der Menge zu sterben.

Jetzt war die Sandbestie bei ihr und rieb schurrend ihren gewaltigen Kopf an Ri, die lachend versuchte nicht davon geschoben zu werden. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Mähne und genoss für einen wunderbaren Augenblick einfach das er hier war.

„Kommst du?“
Kajatan lehnte sich von Shindas Rücken zu ihr hinunter, eine Hand wartend ausgestreckt.
Er grinste schief, unter seinem Tuch.

Sie konnte sich das erleichterte Lächeln nicht verkneifen. Es ging ihm gut, er war da. Alles würde gut werden, da war sie sich in diesem Moment sicher.
Ihre Finger schlossen sich um seine und mit einem Ruck zog er sie zu sich hinauf.
Für einen Augenblick hielt er sie in seinen Armen und am liebsten wäre sie dort für immer geblieben. Seinen vertrauten Geruch in der Nase, seine Wärme, die alles andere so unbedeutend erscheinen ließe. Der plötzliche Wunsch ihn nie mehr los zu lassen, überraschte sie.
Woher kam dieses Gefühl?

Dann drangen die Stimmen der Menschen wieder zu ihr durch und erinnerten sie daran wo sie sich gerade befand. Es war nicht die Zeit sich über ihre Gefühle klar zu werden, jetzt mussten sie erst einmal fliehen.

Die Menschen hätten keine Sandbestien in ihr Kolloseum gebracht, wenn sie daraus hätten entkommen können. Die Mauern waren einfach zu hoch, selbst für diese gewaltigen Tiere. Mit der Kraft ihres Sturm hätten sie die Wände zwar einfach einreißen können, aber die Fläche, die Ri während ihres Kampfes noch so unendlich weit erschienen war, war einfach zu klein um einen solchen zu erzeugen.
Sie wollte sich gerade an Kajatan wenden, um ihn darauf aufmerksam zu machen, da ging ein Ruck durch die gewaltigen Muskeln unter ihr.

Shinda sprang vor, die anderen Sandbestien folgten seinem Beispiel und wie eine massive Wand aus sandfarbenen Körpern jagten sie auf die Mauer zu. Doch statt dagegen zu rennen, bewegten sie sich daran entlang, so nah, das Ri nur die Hand hätte ausstrecken müssen um den Stein zu berühren.
Die Wachen schrien, als die riesigen Bestien auf sie zu donnerten und flüchteten in die Mitte der Arena. Sie, die eigentlich die Ordnung aufrecht erhalten sollten, sahen machtlos zu, wie alles um sie her im Chaos versank.

Shinda wurde immer schneller und mit wachsender Geschwindigkeit nahm auch das Reißen um ihn zu. Der Sturm begann sich aufzutürmen, doch es reichte nicht. Mit einem Brüllen nahm Shinda noch einmal Tempo auf, wobei ihn seine eigene Geschwindigkeit immer näher an die Wand drückte. Schließlich blieb ihm keine andere Wahl, als vom Boden auf die Senkrechte zu wechseln.
Seine Krallen gruben sich dabei immer wieder in den Fels und lösten Brocken daraus, die zur Erde rieselten.

Die anderen Sandbestien folgten ihm noch immer und langsam baute sich ein Wirbelsturm im Rund der Arena auf. Über das sich steigernde Heulen des Windes hörte Ri das zunehmende Schreien der Menge, die endlich zu begreifen schienen, was ihr längst klar geworden war: Sie würden entkommen und sie würden das Kolloseum mit sich nehmen.
Schon jetzt stürzten immer größeren Brocken in die Tiefe und Ri, die sich in Shindas Mähne klammerte hätte bei jedem Stück jubeln können.

Sie sah das obere Ende der Mauer immer näher kommen. Es war ein verschwommenes gelbes Band, gegen das dahinter liegende Blau des Himmels. Es lockte sie, mit der Freiheit die es versprach.
Dann machte Shinda einen besonders großen Satz, sie spürte wie sich alles in ihm bis zum zerreißen spannte und sie tauchten ins Blau hinein.

Für einen Moment schwebten sie über den Rängen, frei, zwischen Himmel und Erde. Ri hatte sich noch niemals so leicht gefühlt. Sie war frei, ihr Volg würde es auch bald sein und der Sturm, den die Sandbestien hervor gerufen hatten, würde das Kolloseum in Stücke reißen. Von diesem Ort, an dem so viele von ihnen ihr Leben, auf die grausamste Weise, hatten lassen müssen, würde nichts als Sand und Gesteinsbrocken bleiben. Nur Geschichten würden bleiben, Geschichten von seinem Untergang.

Verblüfte Ausrufe halten zu ihnen hinauf, wie das ferne Echo brechender Ketten, dann krachte Shinda mit seinem ganzen Gewicht in die Sitzreihen.
Holz splitterte und Menschen schrien, als die Trümmerteile auf sie nieder regneten. Überall um sie her versuchten fein gewandete Gestalten die Ausgänge zu erreichen und trampelten sich dabei gegenseitig nieder. Panik schwebte über allem, wie eine elektrische Ladung in der Luft, der sich niemand entziehen konnte.

Ri hatte wenig Zeit die Szene in sich aufzunehmen, denn schon richtete Shinda sich wieder auf. Um sie her gingen die anderen Sandbestien nieder, wie Kanonenkugeln. Hinter ihnen tobte der Wirbelsturm, der sich in einer dunklen Säule immer höher schraubte und seine Erschaffer schon lange vergessen hatte. Er brüllte und riss die ersten Steine aus dem Mauerwerk, als wögen sie nicht mehr als Strohhalme. Er trug sie hinauf, schleuderte sie herum und ließ sie am höchsten Punkt fallen. Ein wahrer Schauer aus Trümmern stürzte auf sie herab und begrub all jene, die sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnten.

Fassungslos sah Ri auf all die Zerstörung um sie. Als Kajatan sagte, er würde sie aus der Arena holen hatte sie nicht damit gerechnet, das er zu solchen Mitteln greifen sollte. Ihr Herz erschreckte sich vor der Gewalt, die sie herauf beschworen hatten, aber hatten die Menschen das nicht verdient?

„Halt dich fest!“
Brüllte Kajatn ihr ins Ohr. Seine Wort gingen fast unter in dem Lärm, der von allen Seiten auf sie einschlug.
Shinda mühte sich die Sitzreihen hinauf, doch die Bänke, die unter seinen Pfoten wegbrachen wie trockene Äste, machten ihm das voran kommen schwer. Dann erreichten er endlich das obere Ende des Kolloseums und katapultierte sie mit einem gewaltigen Satz in die Tiefe.

Ri sah die Arena hinter sich verschwinden. Dachte an den Leichnam ihrs Gegners, dessen Namen sie nicht einmal kannte und den sie doch getötet hatte, gewollt oder nicht.
Sein Körper würde in den Mahlströmen des Sturms zerquetscht werden, bis nichts mehr an das Leben erinnerte, das er einmal gehabt hatte.

Der Fall kam ihr unendlich lang vor und gleichzeitig währte er doch nur wenige Herzschläge. Aber ihre Freude über ihr Entkommen war verschwunden, auch die Genugtuung einmal etwas das den Menschen gehört hatte zerstört zu haben.
Tod und Schmerz hatte sie nie gewollt, für keine von beiden Seiten.
Alles was sie wollte war Freiheit gewesen, Freiheit für ihr Volk.

Hallo ihr Lieben.
Heute ist Donnerstag und normalerweise lade ich das neue Kapitel viel früher hoch. Doch heute hätte ich es echt fast vergessen😨
Sorry dafür😅

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now