7.Kapitel:Dort in der Hölle

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Kajatan befand sich in einem Alptraum.

Es musste einer sein, denn das was sich vor seinen Augen abspielte konnte, durfte nicht die Wirklichkeit sein.

Er sah Ris Körper wie in Zeitlupe fallen. Goldenes Blut ging in einem Schauer um sie nieder, zu viel, als das sie seinen Verlust überleben würde. Das Geräusch ihres Aufschlags klang dumpf in seinen Ohren und halte in seinem Verstand wieder und wieder, als wäre er in diesem Moment gefangen.
Als wäre er in einem Alptraum gefangen.

Wieso wachte er nicht endlich auf?

Stille.
Schreckliche Stille.

Da war kein Atem, der von ihr ausging, keine Worte, die über ihre Lippen kamen.
Da war nur Blut und ein leichtes Zittern, das viel zu schnell erstarb.

Warum nur wachte er nicht auf?

Er wankte wie ein Schlafwandler, als er sich in Bewegung setzte und auf das Ding am Boden zu taumelte, das einfach nicht Ri sein konnte.
Es konnte einfach nicht sein.

Er spürte wie Tränen seine Wangen hinab liefen, als hätte sein Körper begriffen, was sein Herz mit aller Macht auszusperren versuchte. Begriffen das dies hier kein Alptraum war, sondern die Wirklichkeit.

Als hätte in dieses kleine Stück Weg alle Kraft gekostet, fiel er neben ihr auf die Kniehe und starrte hinab auf das Wesen für das er bereit gewesen war zu sterben.

Erst jetzt, wo er nah genug war die tötliche Wunde zu sehen, die geschlossenen Augen, den Brustkorb, der sich nicht mehr hob, drang es zu ihm durch.
Dies hier war die Realität.

Ri war tot.

Nie wieder würde sie da stehen und den Sonnenuntergang betrachten, nie wieder würde sie ihn anlächeln, nie wieder würde sie ihren Dickkopf durchsetzen. Ihr Mut, ihre Liebe, ihre Tränen und ihr Herz, das größer war als alles was er je gekannt hatte, all das war mit ihr gestorben und auch in ihm schien etwas zu sterben.

Sein Herz.
Es fühlte sich an, als habe jemand es heraus gerissen und dort, wo es einmal gewesen war wuchs nun ein schwarzes Loch heran. Ein Nichts, giftig wie Säure, fraß sich durch jede Ader seines Körpers. Es war ihm, als zerfresse der Schmerz alles aus dem er bestand. Herz, Seele, Verstand. Alles stand in Flammen und war im Begriff sich in Asche aufzulösen,
als ein anderer Schmerz ihn aus der Finsternis riß, in der er zu verschwinden begonnen hatte.

Er blickte, noch immer wie im Traum, dorthin wo dieser entstand.
Ein Dolch, der den er fallen gelassen hatte, ragte aus seiner Schulter. Rotes Blut quoll aus seinem Fleisch hervor.

Er verstand nicht. Sein Gehirn war wie betäubt und konnte die Zusammenhänge nicht herstellen.
Sein Blick wanderte an der Hand hoch, die den Dolch hielt und fand schließlich Ryus Gesicht.

Ryu,
der Ri getötet hatte.
Ryu den er einst verschont hatte, nur damit er das hier tun konnte. Ryu, an dessen Händen ihr Blut klebte.
Ryu.

All das Leid, all der Schmerz, der sich in ihm sammelte, färbte sich mit einem mal tief Rot.
Zorn, verzehrend wie die Lehre aber um ein vielfaches heißer, brandete in ihm auf und ließ ihn alles um sich vergessen.

Da war nurnoch Ryu, der ihm alles genommen hatte und, als wäre mit Ri auch alles menschliche in ihm gestorben, erwachte die Bestie, die er so lange versucht hatte zu kontrollieren.

Er brüllte auf wie ein verwundetes Tier und sprang mit gebleckten Zähnen auf seinen ehemaligen Kameraden zu.
Der hatte gerade noch genügend Zeit seine Waffe wieder an sich zu reißen, als sich auch schon Kajatans Krallen in seinem Arm vergruben.

Panisch schlug er mit dem Dolch zu und erwischte noch einmal die selbe Stelle an seiner Schulter. Stoff und Fleisch regneten zu Boden, doch Kajatan schien es kaum zu spüren.
Er holte wieder aus und zeichnete blutige Striemen über Ryus Brust. Immer wieder ließ er seine Krallen nieder sausen, schneller als sein Feind reagieren konnte und innehalb weniger Minuten war dessen Körper zerfurcht wie die Karte einer Gebirgslandschaft.

Verzweifelt versuchte Ryu sich zu wehren, doch egal wie oft er Kajatan traf, der wich nicht zurück oder zuckte ob des Schmerzes auch nur mit der Wimpern.
Er schien es überhaupt nicht wahrzunehmen, wenn die Klinge eine weitere Furche durch seine Haut zog.

Der Zorn stachelte ihn an, die Wut betäubte den Schmerz und das Monster in ihm lechtzte nach Blut und Blut floss.
Beide Kontrahenten hinterließen feuchte Spuren im Sand, die die feinen Körner färbten, wie Roststaub.

Doch während Ryu erste Anzeichen von Erschöpfung zeigte, trieb der Hass Kajatan weiter. Sein Gesicht war verzehrt, als brenne sich die Hölle, die in ihm tobte, durch seine Haut nach außen und er schlug weiter auf seinen Gegner ein, selbst als dieser kaum noch Widerstand leistete.

Schwankend stand Ryu da, unfähig weiter zu kämpfen. Brustkorb und Bauch waren nurnoch eine einzige Masse aus blutigem Fleisch, aus der die Knochen wie weiße Perlen hervor ragten. Er wimmerte vor Schmerz, doch selbst da stoppte Kajatan nicht.

In ihm gab es nurnoch den Wunsch zu töten und so packte er schließlich Ryus Hals und hob ihn hoch, wie eine Puppe.

„Da ist er wieder, der Kajatan den ich kenne,“
scherzte Ryu, doch es klang schwächlich und als er lachte, trat blutiger Schaum über seine Lippen.

„Du weißt, das sie dich finden werden,“ sagte er zitternd. Kajatan zeigte durch nichts das er ihn gehört hatte. In seinen Augen stand der Wunsch zu töten, wie ein mit Feuer geschriebener Satz und schließlich öffnete er doch den Mund.

„Sie können nichts töten, das längst gestorben ist.“
Dann gab es ein Knacken, viel zu leise für das was es bedeutete.

Ryus schlaffer Körper fiel wie ein nasser Sack zu Boden. Sein Genick war gebrochen.
Er war tot.

Kajatan blickte auf ihn hinab und empfand nichts.
Er hatte erwartet, das er, jetzt wo er seine Rache bekommen hatte, Genugtuung oder gar Freude fühlen würde, doch da war nichts.
Die Zornigen Flammen waren erloschen und ließen ihn ausgebrannt und hohl zurück.

Langsam wand er sich von dem Leichnam ab, den er hingerichtet hatte und trat zu dem was einmal Ri gewesen war.
Trotz der Verletzungen, ließ er sich neben sie fallen und spürte nur undeutlich wie der Sand sich in seine Wunden rieb.

So lag er lange da, in der selben Position wie sie und blickte in ihr Gesicht, das im Tod so friedlich wirkte.
Die Leere in ihm erlaubte ihm nicht zu weinen, aber gleichzeitig konnte er den Blick nicht abwenden. Alles in ihm war so seltsam taub und er wünschte sich das der Blutverlust ihn davon tragen möge, dorthin wo sie war und sie wieder zusammen sein konnten.

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