55.Kapitel: Dort auf den Straßen

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Die Wachen des Königs waren in den Straßen unterwegs.
Blau gekleidete Männer, mit verhüllten Gesichtern und Speeren in den Händen. Sie maschierten durch die Trümmer, wie die kriegerische Geister der getöteten.
Sie hielten jeden Mann und jede Frau an, die ihnen begegneten. Zu erst hatte Ri gedacht, sie wären beauftragt bei der Bergung der Verwundeten zu helfen, doch sie taten nichts um den Menschen zu helfen.
Sie fragten nur.
Fragten nach Golem, die sich seltsam verhalten hatten, nach Auffälligkeiten, nach allem was nicht möglich sein sollte.
Doch sie ernteten nur Kopfschütteln.

Ri sah ihnen aus dem schrägen Fenster ihres Versteckes zu. Sah wie sie letzten endes irgendwelche Golem mitnahmen, die ihnen nicht würden antworten können.
Ihre Muskeln spannten sich an. Sie wollte hinunter laufen und ihnen sagen, das diese Golem unschuldig waren, das sie es war, die sie suchten, aber sie konnte nicht.

Der Plan sah vor, das sie sich gefangen nehmen ließ, aber jetzt, wo sich ihr die Chance bot, hatte sie mit einem mal nicht mehr den Mut dazu.
Er war verschwunden. Vielleicht war er im Sturm davon gerissen worden, oder sie hatte ihn zwischen den Trümmern verloren.

Das erste mal seit sie ihn verlassen hatte wünschte sie Kajatan wäre bei ihr. Er hätte ihre zweifelnden Gedanken beruhigt und ihr geholfen ihren Mut wieder zu finden oder seinen mit ihr geteilt. Er hatte ja so viel davon.
Egal was war, er hatte immer für sie gekämpft.
Sie vermisste ihn.
Seine ruhige Art, die so unvermittelt umschlagen konnte, wenn er sie wieder einmal beschützen musste. Seine sanfte Stimme, mit der er all das in ihr fortwischen konnte, was sie innerlich zu zerreißen drohte.
Seine starken Arme.
Sein Lächeln.

Selbst nach allem was passiert war konnte sie ihn nicht hassen, war nicht einmal wütend, war es nie gewesen.
Er hatte einen Fehler gemacht und ja, es hatte vielen Menschen das Leben gekostet und sie, Ri bis ins Mark erschüttert.
Aber sie alle machten Fehler.

Ihrer war gewesen einfach fort zu laufen, das wusste sie. Aber vielleicht hatte es auch sein Gutes. Schließlich hatte sie ihn immer wieder in Lebensgefahr gebracht, solange sie bei ihm war. Immer und immer wieder, war er dem Tod nur knapp entkommen, nur weil er ihr helfen wollte.

Es sicher das beste, wenn sie sich alleine dem König stellte. Das hieß sie durfte nicht länger zögern und musste sich schnappen lassen, bevor Kajatan sie fand. Sonst würde er wieder mit hinein gezogen werden.
Schließlich war der Ausgang des ganzen Plans ungewiss und vielleicht führte er ins Verderben. Wenn dem so war, war sie froh, das Kajatan nicht dabei sein würde.

Ri erhob sich.
Sie durfte jetzt nicht ihren Ängsten nachgeben, sie hatte sich entschlossen und würde diesen Weg gehen, egal was passierte.
Auch wenn es hieß sich freiwillig in die Arme ihres Feindes zu begeben. Es war ja nicht das erste mal.
Sie schüttelte sich, als sie daran dachte was das letzte mal passiert war, als sie sich so kopflos in die Höhle des Löwen begeben hatte. Die Bilder verfolgte sie immer noch.

Aber sie hatte es überstanden und das würde sie dieses mal auch wieder. Sie musste nur ganz fest daran glauben, sonst würde sie den Mut, sich den Wachen zu stellen nie finden.

Aber war es wirklich klug sich ihnen einfach da zu bieten?
Sollte sie sich nicht lieber fangen lassen um das Bild der Flüchtigen aufrecht zu halten.

Ja, das wäre besser.

Ihr Herz flatterte furchtsam, als sie zur der Treppe trat, die noch erstaunlich intakt war. Alle möglichen Szenarien wie alles schief gehen und sie sterben würde, rasten durch ihre Gedanken, als wollten sie sie warnen.
Doch Ri stämmte sich gegen sie und ihre Angst, sie musste gehen.
Für ihr Volk, ob sie wollte oder nicht.

Die Rüstung verbarg das Zittern ihrer Glieder, als sie vorsichtig auf die Straße trat. Ein schneller Blick in beide Richtungen sagte ihr, das sie einen günstigen Moment gewählt hatte.
In beiden Richtungen standen die Männer des Königs und redeten auf die normalen Bürger ein.
In welche Richtung sie also auch immer vorgab zu fliehen, sie würde gefasst werden.

Sie zog sich ein wenig in den Schatten der Tür zurück.
Ihr Plan war, das einer der Wachen sie dort stehen sehen sollte, als wolle sie sich verstecken. Er würde an ihren Goldenen Augen erkennen was sie war und sie würde weg rennen und von den Männern weiter die Straße runter aufgehalten werden.
Da war gut, befand sie.

Sie starrte den Rücken des einen Mannes an, als könne sie ihn alleine durch ihren Blick dazu bringen sie zu bemerken, aber er drehte sich nicht um. Er und sein Begleiter beendeten das Gespräch und machten sich auf den Weg in Richtung Marktplatz.

Verzweiflung und Erleichterung mischten sich in Ri. Sie wollte nicht gefangen genommen werden und wollte es doch.
Ein seltsamer Laut entwich ihren Lippen. Hatte sie den Wachen nachrufen wollen?

Doch die konnten sie bereits nicht mehr hören, dafür aber eine der Frauen, mit denen diese gerade gesprochen hatten. Sie schrie erschrocken auf, als sie Ris goldene Augen bemerkte und zeigte mit dem Finger auf sie, als wäre sie eine entlaufene Bestie.
Ihr Schrei rief die Wachen zurück, die einen Augenblick wie erstarrt wirkten, bevor sie abrupt zu rennen begannen.

Ihre blauen Gewänder zogen sich um ihre trainierten Körper fest und ihre Speere glänzten im matten Tageslicht. Sie wirkten wie zwei Mensch gewordenen Wellen, wie sie auf sie zu jagten.
Endlich fand Ri die Kraft sich von diesem Anblick zu lösen und stürzte davon.
Ihre Instinkte feuerten sie an schneller zu laufen, so schnell sie konnte, schließlich war sie auf der Flucht. Ihr Körper begriff nicht, das sie sich schnappen lassen wollte und die Angst trieb sie vorwärts.

Die zweite Patrullie, die nun vor ihr auftauchte, war durch die Rufe ihrer Kameraden gewarnt worden und machte sich bereit. Stahl blitzte auf, als wie mit ihren Waffen nach ihr ausholten.

Waffen, Metall.
Ri spürte, wie ihr Verstand von ihrem Überlebenswille hinfort gewischt wurde. Der Plan war vergessen, nur noch reiner Instinkt lenkte sie und sie sprang.
Die Männer folgten überrascht ihrer Flugbahn, doch sie endete weit früher, als Ri es hatte aussehen lassen. Während sie noch ihre Speere senkten, um sie am Boden zu erwischen, wohin sie so schnell gewechselt hatte, schlitterte sie zwischen ihren Beinen hindurch.

Kaum auf der anderen Seite angekommen, begann sie wieder zu rennen.
Erst einige Sekunden später, schaltete sich ihr Kopf ein und sie fluchte Innerlich.
Das Training mit Kajatan hatte sie besser in Form gebracht, als sie geglaubt hatte, aber in diesem Moment konnte sie sich nicht darüber freuen.

Aber noch war sie nicht entkommen.
Hinter sich hörte sie die schnellen Schritte von, mindestens vier Männern und Erleichterung erfasste sie.
Wenn sie nur langsam genug lief, würden sie sie dennoch erwischen. Also drosselte sie ihr Tempo, als ginge ihr die Puste aus.
Das Donnern der Füße wurde wieder lauter. Sie konnte nicht anders, als wieder schneller zu laufen. Es war, als schöbe der Klang sie vor sich her, sie war unfähig sich ihm zu nähern, ihre Instinkte verboten es ihr.

Vor ihr tat sich eine Kreuzung auf. Ohne zu überlegen stürzte sie nach Rechts und flüchtete sich in die nächste Seitengasse.
Es war zu schnell gegangen, als das die Wachen sie gesehen hätten. Mit klopfendem Herzen hörte sie sie an sich vorbei stürmen.
Nur langsam beruhigte sich ihr Atem und das Rauschen ihres Blutes.
Sie zitterte, teils von der Anstrengung, teils aus Wut auf sich selbst.
Sie hatte sich gefangen nehmen wollen!
Das war der Plan gewesen!

Vor Wut bemerkte sie den Schatten, der sich zwischen den Häusern auf sie zu schob erst, als sie nur noch wenige Meter trennten. Er bewegte sich schnell, aber völlig lautlos, wie ein Raubtier und sie war die Beute.

„Kajatan?"
Sie hauchte seinen Namen in die Stille und der andere erstarrte. Das Zwielicht verbarg sein Gesicht, aber Ri konnte deutlich zwei gelbe Augen aufblitzen sehen.
Kalte Augen.
Das war nicht Kajatan.

In der Sekunde in der sie das begriff schlossen sich zwei Arme von hinten um sie und zogen sie in eine Seitentür.

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now