77.Kapitel: Dort zeigt sich der wahre Feind

254 48 0
                                    

Ri zog dem gewaltigen Wesen ihre Klingen über den Leib. Es jaulte und fuhr mit der riesigen Pranke durch die Luft, in dem Versuch sie zu erwischen, doch Ri war schneller. Sie wich zurück und beobachtete, wie es sich unter Schmerzen wand. Es erfüllte sie mit einer art grimmiger Zufriedenheit, wie sie sie selten gespürt hatte.

Das Monster krümmte sich um den goldenen Riss, der durch seinen Körper lief. Seine Schatten versuchten ihn zu bedecken und schluckten das Licht, das Ri in sie hinein getrieben hatte.
Nur Sekunden später war von Ris Anstrengung nichts mehr zu sehen.
Das Ungetüm wandte sich ihr wieder zu und fletschte die Zähne. Fast sah es aus, als lache es über ihren gescheiterten Versuch.

Sie fluchte leise. Doch würde sie sich davon nicht entmutigen lassen. Wenn seine Wunden heilten, musste sie eben schneller zuschlagen, als es sich regenerieren konnte.

Sie packte die Schwerter fester und sprang vor. Es gelang ihr zwei tiefe Schnitte an seiner Flanke zu platzieren, doch sie hielt nicht an, um ihr Werk zu betrachten. Flink wich sie seinen Gegenangriffen aus und platzierte mehrere Treffer an Hals und Schultern.
Das Wesen brüllte vor Frust und schickte seine Schatten los, die Golem zu fangen, die ihm solche Schmerzen bereitete.

Ri sah die flinken Fäden aus Dunkelheit kommen, die sich wie riesige Schlangen auf sie zu schoben. Ihre Schwerter zerteilten sie, ehe sie ihr etwas anhaben konnten, doch die Anstrengung ließ sie keuchen.

Als der letzte Schatten zerlegt war, blickte sie zurück zu ihrem eigentlichen Gegner und hätte fast aufgeheult. Seine Haut war wieder so glatt und markelos wie zu beginn ihres Kampfes. Es wirkte nicht einmal erschöpft, dafür hatte das Mädchen, unter ihm angefangen zu weinen.

„Halte durch, ich werde dich davon befreien!“
Rief sie ihr zu, auch wenn sie nicht sicher war, ob sie sie hören konnte. Das Wesen aus Angst konnte es, denn es blähte sich über ihr auf, um sie vor Ri aubzuschirmen.

Noch einmal warf Ri sich ihm entgegen und wieder schlugen ihre Klingen tiefe Furchen aus Licht in die Finsternis, doch wieder verschwanden sie, als hätte es sie nie gegeben.
Ri spürte ihre zunehmende Erschöpfung, während sie ihre Anstrengung noch einmal erhöhte.

Mit aller verbleibenden Kraft griff sie an und es gelang ihr, den Kopf des Wesens vom Rumpf zu trennen.
Mit einem Zischen verschwand sein grimmiges Gesicht im Nichts um sie her und Ri jubelte.
Doch ihre hochstimmung währte nicht lange, denn schon Sekunden später schob sich ein zweites Haupt aus der Schnittstelle hervor, noch großer und grimmiger als zuvor.

Verzweiflung stieg, bei diesem Anblick, in ihr auf. Wie sollte sie einen Gegner besiegen, der durch ihren Kampf immer nur stärker zu werden schien?
Egal was sie tat, sie konnte es weder zurück drängen, noch ernsthaft gefährden.
Sie wusste, das sie diesem Gefühl nicht nachgeben durfte, sonst würde sie verlieren, mehr verlieren als nur den Kampf. Also griff sie erneut an, doch nichts zeigte Wirkung und mit jedem Schlag wurden ihre Arme schwerer.

Mit ihrem Geist rief sie nach Kajatan, der anderen Golem, irgendjemanden, der ihr helfen konnte. Der ihr sagen konnte, was sie tun sollte, denn sie sah keinen Ausweg.
Doch es kam niemand. Niemand hörte ihren stummen Ruf, sie war alleine.

Sie hatte bisher immer Hilfe erhalten, wenn sie sie am nötigsten brachte und ein Teil hatte sich für diese Schwäche verachtet. Sie hatte nicht mehr auf Hilfe angewiesen sein wollen, hatte es alleine schaffen wollen, aber in diesem Moment sah es aus, als würde sie alleine einfach nicht ausreichen.

Das Mädchen, das noch immer im Griff des Monsters hing, schrie wieder. Ihr klagen drang durch Ris verzweifelte Gedanken und brachten diese zum verstummen. Das Mitleid, das sie für die Gefangene der Angst empfand, drohte sie jäh zu überfluten. Beinahe hätte es sie unaufmerksam genug gemacht, das es dem Ungetüm gelungen wäre sie zu erwischen.
Schnell zog Ri sich weiter zurück. Sie musste nachdenken, sich etwas überlegen, denn so wie sie jetzt kämpfte würde sie nicht mehr lange durchhalten.

Ihr Blick blieb dabei die ganze Zeit am Gesicht des Mädchens haften.
Das verzehrte, Angst erfüllte, Ausdruck brannte sich in ihren Verstand und der zu einem Schrei geöffnete Mund schien ihr etwas zuzurufen. Ri war, als übersehe sie etwas, etwas wichtiges.

Wieder nutzte das Monster seine Gefangene wie eine Puppe um Ri eine weitere Welle von Eis entgegen zu schleudern. Wieder wich sie aus, doch in der selben Sekunde erkannte sie, was sie die ganze Zeit vernachlässigt hatte. Jetzt, wo sie es begriffen hatte, fragte sie sich, wie sie je so dumm hatte sein können. Es war doch offensichtlich.

Sie bekämpfte den falschen Gegner.
Das Monster als solches war nicht ihr Feind, war es schon, auf gewisse Weise, aber es war nichts als Angst. Angst, die auf dieser Ebene Körperlich geworden war und selbstständig handelte. Aber es erhielt seine Kraft noch immer von dem Mädchen. Ohne sie wäre es machtlos und würde von alleine vergehen.

Zudem erinnerte sie sich an ihre eigene Ängste. Unterdrückte oder kämpfte gegen sie an, so wurden sie nur stärker. Angst musste man überwinden oder auflösen und das war etwas, das Ri nicht für die Fremde tun konnte. Das musste sie alleine schaffen.

Aber das würde sie nie.
So gefangen wie sie war, konnte sie das Monster nicht einmal so sehen wie Ri es tat. Sie würde sich ihm nie stellen, es betrachten und akzeptieren. Doch all das war nötig, wenn sie es auflösen wollte.

Ri musste mit ihr sprechen. Sie musste ihr helfen all das zu tun.
Kaum hatte sie diesen Entschluss gefasst, wollte sie vorpreschen, doch sie hatte über ihre Grübeleinen fast vergessen, das zwischen ihr und dem Mädchen noch immer eine riesige Bestie kauerte.

Wie sollte sie ein ordentliches Gespräch führen, wenn sie die ganze Zeit versuchen musste nicht zu sterben. Sie sah es schon vor sich, wie sie der Gefangenen immer wieder einzelne Worte zurief, während die Krallen des Monsters sie in Stücke zu hacken versuchten. Es hätte nicht die Ruhe, die es ihrer Meinung nach für rin solches Gespräch brauchte.
Was sollte sie also tun?

Als wolle es sie an seine Existenz erinnern, glühte das Körchen aus Schöpferkraft in ihre Tasche auf.
Sie holte es hervor und während sie es betrachtete, bildete sich langsam ein Plan in ihrem Kopf. Es hing alles davon ab, ob es genügend Kraft in sich trug uns sie die richtigen Worte finden würde.

Sie schluckte, als sie erkannte was vor ihr lag. Es drohte sie fast zu überwältigen, aber das durfte sie nicht zulassen. Sie würde es tun und hoffentlich siegreich sein, denn sie hatte nur diesen einen Versuch.

Das Herz der GolemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt