25.Kapitel: Dort wo Zweifel wohnt

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Ri blickte hinunter auf die belebte Straße. Menschen in bunten Gewändern tummelten sich dort, riefen, fluchten und lachten. Von oben sahen sie aus, wie schillernde Fische, die in einem viel zu kleinen Teich um einander kreisten.
Ri hasste sie führ ihre Ausgelassenheit.

Sie seufzte und das Gefühl verflog. In Wirklichkeit galt ihr Zorn ihr selber.
Galt dem Tier in ihrer Brust, das wieder tobte und ihrer eigenen Schwäche ihm nicht zu wiederstehen.

Kajatan war los gezogen, wie so viele male zuvor, um neue Vorräte zu besorgen und seit seinem Aufbruch, war sie von Minute zu Minute missmutiger geworden.
Sie verstand einfach nicht, woher diese Gefühl kam.
Machte sie sich Sorgen, das er der Frau wieder begegnen könnte?
Selbst wenn das passierte, würde sie wahrscheinlich versuchen ihn zu töten. Sollte sie sich dann nicht lieber Sorgen um ihn machen?

Unruhig, als wäre sie selbst das Tier in ihrem Inneren, begann sie auf und ab zu laufen.
Sie hatte Angst, erkannte sie mit plötzlicher Klahrheit. Doch nicht um Kajatan selbst, wie es hätte sein sollen, sonder davor ihn zu verlieren.
Nicht aber durch seinen Tod, sondern durch diese Frau, durch Taynari.
Sie hatte Angst, er könne mit ihr gehen und sie einfach vergessen.

Im Grunde wusste sie, das es Blödsinn war. Kajatan konnte nicht zurück. Er war durch ihre Schuld zum Verräter geworden und wurde von seinem eigenen Volk gejagt.
Plötzlich war sie froh darum, nur um sich im nächsten Moment für diesen Gedanken zu verfluchen.
Wie konnte sie nur so egoistisch sein!

Generell hatte ihr diese ganze Geschichte gezeigt, das sie deutlich egoistischer war, als sie gedacht hatte.
Kajatan hatte alles für sie getan, er liebte sie. Eine Liebe die sie nicht erwidert hatte. Doch kaum tauchte eine andere Frau auf, da wollte sie ihn für sich beanspruchen.
Nur weil sie es nicht ertrug, wie er dieser Taynari nachgesehen hatte.

Frustriert schnaubte sie. Sie war so unglaublich wütend auf sich selbst, so unglaublich enttäuscht.
Kajatan hatte gesagt, das sie ein liebenswertes Wesen sei. Er hatte sich geirrt!
Ob er sie immer noch wollen würde, wenn er wüsste was in ihr vorging, wenn er all diese schrecklichen Gefühle sehen könnte?

Ob er sie überhaupt noch wollte?
Oder würde er lieber zu dieser Frau gehen?

Mit einem zornigen Laut fuhr sie sich durchs Gesicht. Es hatte keinen Sinn darüber nach zu denken. Ihre Überlegungen drehten sich ja doch nur wieder im Kreis.

Sowieso gab es andere Dinge, um die sie sich kümmern musste.
Sich einen Weg in den Palast zu überlegen, zum Beispiel.

Genau, sie hatte eine Aufgabe und sie hatte sich von Kajatans Gefühlen nicht ablenken lassen, also würde sie es sich von ihren eigenen auch nicht.

Sie legte die Stirn in Falten, während sie alles durch ging, was sie wusste.

Der Palast lag im Herzen der Stadt, bildete sein Zentrum und ragte über allen andern Gebäuden auf.
Er war von einer Mauer umgeben, die komplette aus Diamantit bestand.
Vor ihr war eine zehn Meter breite Freifläche, die es den Bogenschützen erleichtern sollte, die Feinde kommen zu sehen.
Die Männer, die dort patrulirten waren dafür bekannt erst zu schießen und dann zu fragen.
Sie hatte Geschichten gehört, über Reisende, die nach Amidala gekommen waren und sich der Mauer genähert hatten, unwissend.
Es waren Leichen über die niemand sprach und die Nachts einfach verschwanden.

Diese Mauer allein stellte bereits ein unüberwindliches Hinderniss dar, den auch auf ihr hielten Beschaffer wache und wenn Kajatan es auch mit einem oder zwei von ihnen leicht aufnehmen konnte, so würde er gegen drei oder vier verlieren.

Selbst wenn sie es, auf welchem Weg auch immer über diesen ersten Wall schaffen würden, direkt dahinter lag der zweite.
Der lag für die Außenwelt verborgen. Er war schlicht zu niedrig um gesehen zu werden und bestand aus einem etwar zwei Meter breiten Streifen Straße, der neben der Mauer entlang lief.
Kajatan hatte ihr seinen Zweck erklärt.
Lanzenwächter, ein ganzes Battalion davon, zogen darauf ihre Kreise.
Immer im gleichen Abstand und ohne eine Unterbrechung.
Es war schlicht unmöglich unbemerkt an ihnen vorbei zu gelangen.

Danach kamen schließlich die königlichen Gärten, die aus hunderten kleinen und großen Diamantitkuppeln bestanden, die die kostbare Erde vor der Verödung schützen.
Jede Kuppel bildete eine eigene kleine Welt. Ein Utopia, dem drohenden Untergang der Menschheit zum trotz.
Sie wölbten sich über Meeren aus Zierpflanzen, mächtige Bäume und Büsche, deren Blüten einfach nicht vergingen.
Die Gärten waren wunderschön.
Doch was half diese Schönheit denen, die Hunger liten und von denen gab es, außerhalb der Mauet genug.

Ri schüttelte den Kopf, während sie darüber nach san.
Die Menschen hatten noch immer nicht gelernt. Ihre Rasse drohte auszusterben, doch statt sich gegenseitig zu helfen, zogen die Mächtigen sich hinter riesige Mauern zurück und horteten ihren Wohlstand, als stände ihnen alles zu, was die Welt zu bieten hatte.

Sie seufzte und versuchte sich wieder auf ihren gedanklichen Rundgang zu konzentrieren.
Erst hinter den Gärten, die die adeligen Herren so gerne besuchten, lag der wirkliche Palast.
Das Gebilde aus Diamantit trug goldene Kuppeln, die nach oben hin spitz zuliefen. Die Türme, die über jedes andere Gebäude ragten, waren ebenfalls mit Bogenschützen besetzt.
Sie galten als spezialtruppe, die über genetisch veränderte Sehfähigkeiten verfügten und über mehrere Kilometer noch die kleinste Bewegung wahr namen. Die sogenanten Falkenaugen bildeten die letzte Bastion gegen mögliche Angreifer.

Erst wenn man auch an ihnen vorbei war, konnte man das Innere betreten.
Dieses stellte ein einziges Labyrinth dar, so hatte Kajatan jedenfalls erzählt.
Die Gänge waren weitläufig und prunkvoll, Treppen führten in schwindel erregende Höhen und Türen öffneten sich vor gewaltigen Hallen.
Das alles war mit Gold und Edelsteinen ausgelegt, verziert und verschnörkelt, so das man leicht die Orientierung verloren.

Der Tronsaal und die Gemächer des Königs befanden sich in den obersten Stockwerken. Dort, hoch oben über der Stadt entschied ein Mann über das Schicksal Tausender.
So gesichert, als würde mit ihm die gesamte Welt stehen oder fallen.

Wie man es auch drehte und wendete. Ri sah keinen Weg zu ihm zu gelangen.

Das Geräusch von Schritten ließ sie aufsehen und erleichtert lächelte sie Kajatan entgegen, der durch die Tür zu ihrer Rechten ins Zimmer schlüpfte.
Er war zu ihr zurück gekommen.
Hatte sich nicht mit Taynari auf und davon gemacht, wie sie befürchtet hatte, auch wenn sie wusste, wie lächerlich diese Angst war.
Schließlich würde sie ihn eher töten.
Also sollte sie nicht eigentlich froh sein, das er lebte?

Sie musste dem Drang widerstehen ihren Kopf gegen die Wand zu schlagen, nur damit die ewig wiederkehrenden Gedanken ruhe gaben.

„Wie war's?“
Sie bemühte sich ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. Es gelang ihr nur unter großer Anstrengung und sie schallt sich innerlich dafür, das sie dieses Gefühl so aus der Bahn warf.

„Gut,“
sagte er und blickte sie dabei fragend an.
„Wie war's hier?“

Sie konnte sehen, das er ihr das falsche Lächeln nicht abnahm, das sie aufgesetzt hatte.

Sie drehte seufzend den Kopf weg, um ihre Verlegenheit zu überspielen, doch statt sie darauf hin nicht mehr zu fragen, wie sie es gehofft hatte, trat er neben sie ans Fenster.
Sein Blick glitt über die Straße, die Dächer der Häuser und blieb schließlich an den hohen Türmen des Palastes hängen.

„Ich kann verstehen das du dir Sorgen machst.“

Einen Moment glaubte sie er meine seine Beziehung zu Taynari und wollte schon alles abstreiten, doch dann wurde ihr klar, das er ihre Mission meinte. Sie schloss den Mund hastig wieder und schluckte die Worte hinunter, die ihr auf der Zunge gelegen hatten, stattdessen nickte sie.

„Mir fällt kein Weg ein, wie wir dort hinein gelangen könnten. Nach allem was du mir erzählt hast, klingt diese Festung ziemlich uneinnehmbar.“

Er nickte ebenfalls und Ri beobachtete den Wandel in seinem Gesicht. Er wirkte besorgt und grüblerisch, aber von dem abwesenden Ausdruck, den die Frau bei ihm hinterlassen hatte, war nichts mehr zu sehen.
Ihr Herz wurde leichter, als ihr klar wurde, das er nicht mehr an sie dachte.

„Ich denke es gibt nur eine Möglichkeit, hinein zu gelangen, ohne das die Wachen uns in Stücke reißen.“

„Und die währe?“
Hoffnung blühte in ihr auf, so hell und kräftig wie ein junger Stern.
Es gab einen Weg!
Sie würde ihr Volk doch retten können.
Taynari war für sie vergessen.
Er hatte gesagt es gab einen Weg.

„Wir lasse uns gefangen nehmen.“

Das Herz der GolemWhere stories live. Discover now