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Ein Mann mittleren Alters wartete bereits auf dem Parkplatz als der Bus anhielt. Er und weitere Schüler, die ihre Freunde umarmten und sich darüber unterhielten, wie sie die Sommerferien verbracht hatten. Während ich zur Gepäckausgabe lief, blickte ich auf den großen Gebäudekomplex auf der linken Seite. Es war eine seltsame Mischung aus alt und neu.

Das am ältesten aussehenden Gebäude bestand aus dunklen Backsteinen, hatte Spitzbogenfenster und Wasserspeier thronten auf den Dächern. Es könnte die perfekte Kulisse für irgendein Fantasy-Roman sein oder für einen Thriller, in dem jemand entführt wurde und den Weg aus den dunklen Gemäuern suchte, ohne von einem Psychopathen gefunden zu werden, um am Ende herauszustellen, dass sie mitten im Nirgendwo waren.

Das zweite Gebäude stand im großen Kontrast zu diesem. Der vordere Teil hatte einen runden Grundriss mit einer Kuppel als Dach, beides fast vollständig aus Glas. Die armen Leute, die das sauber halten müssen, schoss mir durch den Kopf. Der hintere Teil sah völlig normal aus. Ein Gebäude eben.

Etwas abseits von den beiden, waren noch zwei weitere zu sehen. Zwei identische Gebäude mit mehreren Stockwerken. Sie erinnerten mich an diese typischen Hotelkomplexe am Strand. Die gesamten Fassaden waren von Balkonen bedeckt. Das müssten die Wohnheime sein. Auf der Homepage wurde damit geworben, dass jedes Zimmer seinen eigenen Balkon hatte. Manche sogar mit Aussicht auf den angrenzenden See. Ich konnte nur hoffen, dass ich ein solches Zimmer bekommen würde. Wobei mich selbst das wohl nicht daran hindern würde, jeden Tag dort hinzulaufen und auf das Wasser zu starren.

„Du musst Elena sein, richtig?" Die Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Es war die des Mannes, den ich schon gesehen hatte.

Ich nickte und griff nach meinem Koffer.

„Sehr schön, dann komm mal mit. Mein Name ist Herr Schröder. Ich bin der Schulleiter dieses Internats. Soll ich dir bei deinem Gepäck helfen?"

„Nein, das geht schon.", antwortete ich und mühte mich zu einem kleinen Lächeln ab.

Er rieb seine Handflächen aneinander und lief los. Ich folgte ihm.

Während wir liefen, erzählte er mir ein wenig von der Geschichte der Schule, doch ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Stattdessen blickte ich mich suchend um und versuchte den See zu entdecken. Vermutlich lag er hinter den Gebäuden.

Ich erfuhr, dass in dem alten Gebäude die Klassenzimmer lagen, die Glaskuppel beherbergte den Speisesaal und hinten war ein großer Aufenthaltsraum, die Bibliothek und Lernräume, die zur freien Verfügung standen. Wir gingen jedoch in keines der Gebäude rein, sondern steuerten geradewegs auf die Wohnheime zu. Dass es sich tatsächliche um die Wohnheime handelte, bestätigte er mir auch direkt. Kurz bevor wir eines davon erreichten, verzog er das Gesicht, als wäre ihm gerade wieder etwas eingefallen und sah mich entschuldigend an. „Das ist wohl die perfekte Gelegenheit, um mich für die Umstände zu entschuldigen."

Ich runzelte die Stirn und überlegte kurz, ob er gerade etwas erzählt hatte wozu seine Worte passten, aber mir kam nichts in den Sinn. „Entschuldigung, aber worüber genau sprechen Sie?"

Er stockte, blieb abrupt stehen und sah mich mit vor Entsetzen geweiteten Augen an. „Du... Du weißt es nicht? Christoph hat es dir nicht gesagt?"

„Christoph?", wiederholte ich verwirrt. „Was soll er mir gesagt haben?" Was hatte er mir verschwiegen?

„Christoph und ich sind alte Freunde. Als Kinder haben wir in derselben Straße gewohnt, hat er das nicht erzählt?"

Ich schüttelte den Kopf. Es war mir jedoch egal, ob sie sich kannten. Viel mehr wollte ich wissen, was ihm so leidtat und was Christoph solche Angst gemacht hatte, dass er es mir nicht persönlich hatte sagen wollen.

Greatest Love but Greatest FearWhere stories live. Discover now