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„Ich riss Manus Gurt raus, aber er wachte nicht auf..." Für einige Atemzüge wurde mein Schluchzen so stark, dass ich nicht weitererzählen konnte. „Es wäre wohl gegangen, aber in dem Moment wusste ich nicht wie ich Manu durch das Fenster bringen sollte. Also hinten. Er hatte ziemlich breite Schultern, war durchtrainiert... Ich hab ihn also zur Windschutzscheibe gezogen und bin mit ihm nach oben getaucht. Es war nicht tief. Stehen konnte ich zwar auch nicht, aber ich weiß nicht... Vielleicht eine Wassertiefe von zwei Metern? Manu war aber immer noch bewusstlos. Das Ufer war nah... Vielleicht war es dumm, aber ich schwamm mit ihm dort hin und zog ihn an Land. Und dann bin ich, vielleicht ein weiterer Fehler, zurück zum Auto geschwommen, Luft geholt und untergetaucht. Zu meiner Erleichterung sah ich dort, dass mein Vater wach war. Er zog an seinem Gurt, schien ihn aber nicht aufzukriegen. Ich wollte ihm helfen, aber er zeigte auf meine Mutter." Ich schlang meine Hand um den Ring, der an meiner Kette hing. So fest, dass es schmerzte. „Ich wusste, was er mir sagen wollte. Ich solle sie rausholen, nicht ihn. Ich hätte es besser wissen sollen. Die Wunde in ihrer Brust war riesig gewesen und sie hatte so viel Blut verloren... Ich hätte wissen müssen, dass es zu spät für sie war, aber trotzdem öffnete ich ihren Gurt. Es dauerte mehrere Anläufe, aber irgendwann gelang es. Auch sie trug ich ans Ufer. Ihr Körper war weiß. Ich habe nie nachgefragt, aber ich glaube, dass sie kein Blut mehr in den Adern gehabt hatte. Durch das Wasser war wahrscheinlich alles ausgewaschen... Statt dort zu bleiben, tauchte ich erneut zum Auto. Er sah mich an, aber er bewegte sich nicht mehr. Ich zog an seinen Gurt, versuchte ihn zu öffnen, aber es ging nicht. Ich tauchte auf, um Luft zu holen und wieder runter. Ich war so dumm! So unfassbar dumm! Ich hab alles falsch gemacht! Alles falsch gemacht!" Wie in weiter Ferne spürte ich wie Robin mir über die Arme strich und mich fester an sich zog. „Erst beim dritten Mal schaffte ich es ihn zu befreien, in dem ich eine der Scherben nahm und den Gurt damit kaputtschnitt. Dann zog ich Papa an Land. Keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Da lagen sie nun. Alle drei. Keiner regte sich. Ich weiß nicht, wer die besten Chancen gehabt hätte. Dass es Mama nicht war, erkannte ich. Jetzt wo ich sie dort liegen sah, wusste ich es. Oder sagen wir, ein Teil von mir wusste, dass sie keine Chance hatte, ein anderer Teil hatte das noch nicht wahrhaben wollen. Ich war noch bei Papa, deswegen hatte ich bei ihm angefangen. Er atmete nicht mehr. Sein Herz schlug nicht mehr. Ich weiß nicht, ob ich es mir eingebildet hatte, ob er da noch gelebt hatte oder ob ich es mit nur eingeredet hatte. Keine Ahnung, aber ich dachte, dass ich gesehen hatte wie Manu atmete. Ich gab meinem Vater eine Herzdruckmassage. Kennst du das Lied? ha, ha, ha, stayin' alive, stayin' alive." Ich zuckte mit den Schultern. „Ich versuchte mich auf den Rhythmus zu konzentrieren und nach einer Weile, da richtete er sich auf. Ganz plötzlich. Achso und währenddessen, also davor, also-" Ich schloss kurz die Augen, um meine Gedanken zu ordnen. Nicht, dass das viel half... „Ich hatte aus Papas Hosentasche sein Handy gezogen. Der hatte so krassen Outdoorteil. Wasserfest im Gegensatz zu meinem... Ich wählte also den Notruf, während ich ihm reanimierte... Beantwortete Fragen, so gut es ging, während in meinem Kopf nur das Lied spielte. ha, ha, ha, stayin' alive, stayin' alive. Ich kann mich an das Gespräch gar nicht mehr erinnern. Ich kannte den Ort, wo wir waren, also hab ich ihnen wohl sagen können, wo der Unfall war, aber ich weiß es nicht mehr... Auf jeden Fall hatte sich Papa aufgerichtet, hustete und spuckte Wasser. Er lebte. Für Erleichterung blieb mir aber keine Zeit. Ich rannte zu Manu. Stürzte mich neben ihn auf den Boden. Seine Brust hob sich nicht. Ich suchte seinen Puls, aber da war nichts. Also fing ich wieder an. ha, ha, ha, stayin' alive, stayin' alive. Im Hintergrund hörte ich meinen Vater immer noch husten. Wirklich ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrich. Vielleicht war das insgesamt eine Sache von wenigen Minuten gewesen. Für mich hatte es sich angefühlt wie Stunden. Irgendwann dann aber hörte ich die Sirenen, Stimmen, Schritte. Jemand redete auf mich ein. Ich spürte Hände auf mir, aber ich schüttelte sie ab. ha, ha, ha, stayin' alive, stayin' alive. Immer weiter. ha, ha, ha, stayin' alive, stayin' alive. Doch der Griff wurde fester. Man zog mich von ihm davon. Sie übernahmen meinen Platz, reanimierten weiter, aber dann war ich weg. Ich konnte ihn nicht mehr sehen. Sie brachten mich in eines der Krankenwagen. Ich hörte, wie sie sprachen. Mit mir, aber auch untereinander, als ich keine Reaktion zeigte... Man gab mir etwas. Ich weiß nicht mehr was. Wahrscheinlich etwas zur Beruhigung? Damit ich einschlief... oder es wurde aus einem anderen Grund einfach schwarz."

Greatest Love but Greatest FearWhere stories live. Discover now