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Die letzte Nachricht kam von Robin: „Heyho Elle, um das direkt abhaken zu können: frohes neues Jahr! Aber genug davon. Solche Nachrichten hast du wahrscheinlich eh schon genug. Noch mehr Leute, die dir irgendwas gutes für das neue Jahr wünschen, brauchst du wohl nicht. Stattdessen möchte ich ein paar andere Sachen schreiben: das erste, was ich loswerden möchte ist die Tatsache, dass ich finde, dass du perfekt in unsere kleine Gruppe passt! Abgesehen davon, dass wir es mit dir unglaublich gut getroffen haben, bin ich schon allein deswegen ganz froh, weil ich jetzt nicht mehr das dritte Rad am Wagen unseres Traumpaares bin. Aber auch für Kim. Du tust ihr gut, sehr gut sogar. Besser als dir vielleicht bewusst ist, vielleicht sogar besser als ihr selbst bewusst ist. Umso schwerer ist es für sie, dass sie das Gefühl hat irgendwas falsch gemacht zu haben... Ich weiß, eigentlich sollten Neujahrsnachrichten nicht so ernst sein, aber es war mir wichtig... Ich weiß nicht, was passiert ist... ich weiß nicht, was dich so sehr verletzt hat, aber ich bin mir sicher, dass du Kim nicht absichtlich weh tust... Ich will damit gar nicht sagen, dass du irgendwas machen musst, aber vielleicht könntest du ihr die Tage ein bisschen mehr schreiben... Sie zerbricht sich den Kopf darüber, was sie falsch gemacht haben könnte, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass sie gar nichts falsch gemacht hat, beziehungsweise es nichts mit ihr zu tun hat... Wie gesagt, ich weiß nicht, was dir passiert ist, aber irgendwas scheint ja vorgefallen zu sein. Das ist bei den meisten, die aufs Internat kommen, so. Normalerweise hat es immer einen Grund, warum jemand von zuhause weg geht und deinen kennen wir nicht... Was an sich natürlich dein gutes Recht ist, auch wenn ich nicht immer so gehandelt habe, als würde ich das so sehen, weiß ich das. Vielleicht sollte ich mich dafür auch mal entschuldigen, doch zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich nicht geahnt hatte, dass es so schlimm ist. Mir ist das erst letztens bewusst geworden, dass da wohl viel mehr dahintersteckt... Naja, aber ich glaub ich sollte mich wieder positiveren Dingen widmen, auch wenn ich diese Nachricht wohl nicht mehr retten kann... ich bin mir gerade nicht mal mehr sicher, ob ich diese Nachricht überhaupt senden soll, aber ich werde es wohl tun. Um aber nicht mit dem hier zu enden: Du bist ein toller Mensch, Elle und wir sind alle froh dich kennengelernt zu haben! Ich freu mich darauf dich nach den Ferien wiederzusehen 😊 Dein Robin (P.S. ich habe diesen Namen seit Jahren nicht mehr außerhalb eines offiziellen Rahmens geschrieben)"

Ich schluckte und legte mein Handy beiseite. Meine Augen hatten angefangen zu brennen. Ich wollte Kim nicht verletzen und es brach mir das Herz zu lesen, dass sie nicht etwa sauer auf mich war, sondern sich selbst die Schuld gab. Dabei hatte Robin ja absolut recht. Es lag nicht an ihr. Sie hatte nichts, rein gar nichts falsch gemacht. Es lag nur an mir. Ich war die mit den Problemen und Fehlern und- „Verdammt!"

Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und schüttelte dabei unentwegt den Kopf. „Verdammt, verdammt, verdammt!"

Wieso zum Teufel dachte sie, dass sie etwas falsch gemacht hätte? Wie konnte sie annehmen, dass der Grund dafür, dass ich nicht mit ihr trainieren wollte irgendwas mit ihr zu tun hatte? Das war so weit von der Wahrheit entfernt, dass mir das gar nicht in den Sinn gekommen war und doch schien es so zu sein. Konnte ich es ihr verdenken, dass sie auf der falschen Fährte war? Nein, eigentlich konnte ich das nicht, weil ich ihr nichts erzählt hatte. Sie kannte nichts von der Wahrheit.

Was hatte ich ihr denn erzählt? Dass ich nicht mehr ins Wasser ging und generell nicht in Berührung mit Wasser kommen wollte, sogut ich es vermeiden konnte. Das wars. Mehr hatte ich nicht gesagt. Mehr wusste sie nicht. Wie könnte ich es ihr dann verdenken?

Aber was sollte ich jetzt tun, um ihr zu zeigen, dass es nicht ihre Schuld war? Selbst wenn ich es schaffen würde mit ihr trainieren zu können, würde das nicht reichen. Ich wollte nicht, dass sie sich die Ferien über Sorgen machte, weil sie dachte, sie hätte etwas falsch gemacht. Ich müsste ihr also schreiben, aber ich durfte ihr auch nicht sagen, dass sie nichts falsch gemacht hatte, weil ich wohl nicht ansprechen sollte, dass Robin mir das gesagt hatte... Aber wie sollte ich ihr das schreiben? Vor allem, weil ich nicht bereit war ihr meine Geschichte zu erzählen. Ihr nicht und auch sonst keinem.

Ich griff nach einem Kissen, drückte es auf mein Gesicht und ließ einen Schrei los.

Meine Finger zitterten leicht als nach meinem Handy tastete und meinen Finger zögernd auf den Fingerabdrucksensor legte. Robins Nachricht blinkte auf und erneut fuhr ein Stich durch mein Herz.

Trotzdem las ich die Nachricht erneut. Es war genauso grausam, wie beim ersten Mal. Kim dachte wirklich, sie hätte etwas falsch gemacht.

Meine Daumen schwebten über die Tastatur, während ich überlegte, was ich antworten sollte. Miene Gedanken rasten in meinem Kopf hin und her, ohne in Stillstand zu kommen, um sie greifen zu können. 

Greatest Love but Greatest FearWhere stories live. Discover now