006

154 22 12
                                    

Wundersamer weise verlor abends keiner ein Wort über das was geschehen war. Oli war wahrscheinlich zu taktvoll und ich, naja, ich war froh nicht darüber sprechen zu müssen. Was genau Robins Motive waren, vermochte ich nicht zu sagen, doch ich konnte mir gut vorstellen, dass es etwas mit dem zu tun hatte, was Oli ihm gesagt hatte.

Wir aßen gemeinsam zu Abend und schauten uns danach sogar noch zusammen einen Film an. Eigentlich hatte ich gar keine Lust dazu gehabt, aber reflexartig hatte ich zugestimmt. Es stellte sich auch als gar nicht so schlimm raus.

Als ich dann aber in mein Zimmer zurückkehrte und eigentlich schlafen wollte, ging es nicht. Ich war hellwach und in meinem Kopf flogen die Gedanken nur so rum. Ich dachte, wie eigentlich immer, an meine Eltern und an meinen Bruder, aber ich dachte auch darüber nach, wie ich in Zukunft mit der Wassergeschichte umgehen sollte. Wie konnte ich es ihnen erklären, ohne die Wahrheit zu sagen. Immer wieder sagte ein Teil von mir, dass es doch ganz einfach sei. Ich müsste sie nur glauben lassen, dass sie recht hatten. Keiner von ihnen ahnte, wie lächerlich die Vorstellung war, ich könne nicht schwimmen. Es wäre keine schlechte Ausrede. Allerdings müsste ich mich dann mit dem nächsten Problem auseinandersetzen, und zwar, wie ich Robin klar machen würde, dass er mir das Schwimmen nicht beibringen solle. Außerdem meldete sich der rationale Teil in mir, würde das doch nicht wirklich helfen. Wenn ich sagte, ich könne nicht schwimmen, würde ich zwar eine Ausrede haben, warum ich nicht schwimmen gehe, aber doch keineswegs dafür, dass ich nicht ins Wasser gehe. Man musste schließlich mehrere Meter reinlaufen, um eine Tiefe zu erreichen bei der ich nicht mehr stehen könnte.

Doch es gab noch ein Thema, das mich wachhielt. Ein Thema, worüber ich mir die letzten Tage überraschend selten nachgedacht hatte, auch wenn ich oft daran erinnert wurde. Mein Blick fiel auf das leere Bett und glitt über die Fotos und Plakate an der Wand. Kim würde bald zurückkommen. Ich wusste nicht, ob morgen oder erst am Sonntag. Es hieß nur, sie würde am Wochenende kommen. Die Jungs wussten auch nichts Genaueres.

Als ich endlich einschlief, ging die Sonne bereits auf. Letzen Endes hatte die Müdigkeit doch noch gesiegt. Die letzten Gedanken, die ich hatte, bevor der Schlaf über mich fiel, waren, dass ich echt froh sein konnte, dass morgen, beziehungsweise genaugenommen heute, keine Schule war.

Ich ließ meine Augen geschlossen, als ich aufwachte. Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte, aber auch wenn ich nicht mehr müde war, schien es mir nicht besonders lang gewesen zu sein.

Seufzend drehte ich mich und schwang meine Beine aus dem Bett. Dabei öffnete ich die Augen und der Anblick, der sich mir bot, ließ mich einen erschreckten Laut ausstoßen. „Was zur Hölle- Was machst du denn hier?"

Robin breit grinsend lag auf dem zweiten Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Jetzt richtete er sich aber ein wenig auf und stützte sich mit den Unterarmen ab. „Na, heute kommt Kimmi!"

„Sie ist aber noch nicht hier, wie du siehst- Also?"

„Ich warte auf sie."

„Aha.", murmelte ich und runzelte die Stirn als sich die nächste Frage in meinem Kopf bildete: „Wie bist du denn überhaupt reingekommen?"

Er lachte auf. „Durch die Tür?"

Ich verdrehte die Augen „Ja, schon klar. Aber wie? Die war abgeschlossen."

„Ja und ich glaube du bist die einzige Person im gesamten Internat, die hier nachts die Tür abschließt. Die meisten schließen nicht einmal ab, wenn sie nicht da sind."

„Vielleicht will ich nicht, dass irgendwelche Vollidioten einfach in mein Zimmer kommen, während ich schlafe.", gab ich scharf zurück. Nachdem der Schock etwas gewichen war, begann ich langsam wütend und vor allem ungeduldig zu werden. Das war jetzt wirklich das letzte, was ich wollte. Ich hatte gehofft noch ein Wenig meine Ruhe zu haben, bevor Kim auftauchen würde. „Also sag schon, wie bist du hier reingekommen?"

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt