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Heiner fielen fast die Augen aus dem Kopf. Er schien nicht einmal zu blinzeln. Er starrte mich einfach nur an. Regungslos.

„Hallo Heiner."

Als hätte meine Stimme ihn aus der Starre befreit, stürzte er auf mich zu und zog mich fest in seine Arme. „Elle! Wie geht es dir? Mein Gott, es tut mir so leid, was passiert ist und auch, was ich eben gesagt habe! Es stimmt zwar, dass dein Aufhören mir das Herz gebrochen hat, aber das heißt nicht, dass ich es nicht verstehe! Wirklich! Ich weiß genau, dass das auch für dich keine einfache Entscheidung war."

Ohne darüber nachzudenken, berichtigte ich ihn: „Es war eine einfache Entscheidung. Sehr einfach sogar. Ich hatte keine andere Möglichkeit, aber das heißt nicht, dass mir diese Entscheidung nicht auch das Herz gebrochen hat. Denn das hat sie. In gewisser Weise tut sie das immer noch, aber..." Ich schaute in die Richtung der Schwimmbecken. Ich wollte sagen, dass ich es auch nicht ertrug ins Wasser zu springen. Schließlich war es so oder nicht? Ich hatte es getan und es überlebt. Ich war ins Wasser gesprungen. Ich war geschwommen. Ich hatte an einem Wettkampf teilgenommen. Konnte ich wirklich noch behaupten, dass ich es nicht ertrug, wenn ich es doch offensichtlich ertragen hatte? Es war furchtbar gewesen, aber ertragen hatte ich es irgendwie.

„Schon okay. Du musst es nicht erklären." Heiner hielt mich an den Armen fest und musterte mich genau. „Meine Güte bist du groß geworden! Wie geht es dir?"

„Überraschend gut. Mittlerweile." Ich schaute zu Robin, der mich aufmunternd anlächelte. „Das ist übrigens Robin. Ein... Sehr guter Freund."

Robin und Heiner schüttelten sich die Hände zur Begrüßung.

„Wollt ihr was essen? Wollt ihr beim Training später zuschauen?" Heiner lächelte mich an. „Du bist hier immer noch eine Legende. Die Kinder würden sich freuen dich zu sehen. Du bist ihre Heldin!"

„Ihre Heldin?" Ich schüttelte den Kopf. „Etwas übertrieben."

„Von wegen übertrieben! Du warst die beste Schwimmerin, die ich jemals trainieren durfte!"

„Ach komm, das ist nicht wahr. Du hast mit Olympia-Siegern gearbeitet. Wenn auch nur kurz, aber du hast auch die trainiert."

„Du warst besser als die."

Ich verdrehte die Augen. „Ist klar. Verarschen kann ich mich selber."

„Nein, ernsthaft!" Heiner führte uns ins Bistro, ohne, dass wir den Eintritt bezahlten. „Mag sein, dass er schneller geschwommen ist, aber das lag nur daran, dass er viele Jahre länger als du trainiert hatte. Wenn du weiter geschwommen wärst, hätte er neben dir ausgesehen wie der absolute Anfänger."

Mich hätten seine Worte traurig machen können. Ich hatte so viel Potential gehabt und hatte es einfach weggeschmissen, aber tatsächlich erfüllten mich seine Worte mit Stolz. Ich hatte zwar aufgehört, aber es waren die besten Jahre meines Lebens gewesen und es war schön zu hören, dass man gut darin war. Selbst wenn diese Zeit vorbei war.

„Das ist keine noble Küche, aber die Pommes sind noch genauso gut wie damals."

„Nichts geht über Schwimmbad Pommes!"

„So kenne ich dich!" Heiner ging zum Kiosk und brachte ein großen Teller Pommes mit, den er auf den Tisch zu unserer Mitte abstellte. „Also, was machst du hier? Bist du zurück? Willst du wieder trainieren?"

„Nein. Tut mir leid, aber es bringt nichts, um den heißen Brei zu reden. Ich bin nicht hier, um wieder zu trainieren."

Seine Schultern sackten nach unten, aber er fing sich gleich wieder. „Das wäre auch zu viel des Guten."

„Ich bin auch nicht wirklich wieder zurück. Wir haben gerade nur Ferien und ich dachte es wäre an der Zeit Hofond zu besuchen und mit der Vergangenheit abzuschließen."

Er nickte verständnisvoll. „Wie lang seid ihr hier? Und wo wohnst du jetzt eigentlich?"

Ich beantwortete seine Fragen, auch wenn die Liste immer länger und länger wurde. Doch überraschenderweise ging es mir gut damit.

Heiner war für mich ein Teil der Familie gewesen und jetzt wieder mit ihm zu reden war großartig. Es war schön zu hören, dass es ihm gut ging. Dass er noch immer das Schwimmtraining leitete und Spaß dabei hatte. Dass er und seine Frau ein drittes Kind bekommen hatte, welches schon jetzt nur schwer vom Wasser fernzuhalten war, auch wenn es gerade mal zwei Jahre alt war.

Er war noch die gleiche, freundliche Person, die er damals gewesen war. Er hatte ein paar mehr Falten im Gesicht, aber das schien das einzige zu sein, was sich bei ihm geändert hatte.

Es war schön zu sehen, dass manche Dinge die Zeit überdauerten.

Auch wenn ich mich verändert hatte. Manche Dinge blieben die alten. 

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt