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Ich machte das Paket nicht direkt auf. Irgendetwas in meinem Inneren hinderte mich daran und zwar, so dumm das auch klang, weil ich kein Geschenk öffnen wollte, welchen als Geschenk von meinem Vater betrachtet wurde, auch wenn das unmöglich war, denn mein Vater war nicht mehr am Leben.

Stattdessen packte ich meinen Koffer aus, bezog mein Bett und stellte mich dann raus auf den Balkon. Der See schimmerte blau und als wäre es nicht ohnehin klar gewesen, beschloss ich vor dem Abendessen runter zu gehen und ihn mir von der Nähe anzuschauen. Ein Blick zu den Seiten verriet mir, dass es auf unserer Seite des Hauses immer nur zwei Balkone pro Stockwerk gab. Nur wenige Zentimeter trennte unseren Balkon von dem nebenan. Privat war etwas anderes, aber nun gut. Privatsphäre war in einem Internat wohl sowieso schwierig. Man hatte keinen Ort, an dem man sich zurückziehen konnte. Es war wohl ganz gut, dass ich diese Möglichkeit immerhin für eine Woche haben würde. Wohl der einzige Vorteil an der Tatsache, dass meine Mitbewohnerin ausgerechnet eine Schwimmerin war. Sie hätte doch jeden Sport machen können, aber es musste das Schwimmen sein. Früher hätte ich mich darüber gefreut, aber diese Zeiten waren vorbei. Zu vieles hatte sich verändert.

Als ich mich doch überwand das Geschenk zu öffnen, bereute ich es nicht gleich gemacht zu haben. Ich hatte Christoph unterschätzt. Es war das perfekte Geschenk und er hatte auch an alles gedacht. Neben einer nagelneuen Kaffeemaschine, lagen dort Kaffeebohnen, mehrere Tassen, Zuckerwürfel und sogar eine Milchtüte. Dass ich meinen Kaffee schwarz trank, schien er wohl nicht zu wissen, aber das war mir egal. Zu sehr freute ich mich über die Möglichkeit zu jeder Zeit einen Kaffee trinken zu können, ohne in den Speisesaal laufen zu müssen.

„Danke Christoph.", murmelte ich und lächelte kurz.

Die restliche Zeit verbrachte ich auf dem Balkon. Noch waren am See zu viele Menschen. Ich musste mir erst einen Überblick verschaffen und eine ruhige Stelle finden. Dafür konnte ich keine Zuschauer gebrauchen. Unbekannte Gewässer schlugen oft noch stärker auf meine Psyche ein als die mir schon vertrauten.

Plötzlich fiel mir ein, dass ich Christoph noch nicht geschrieben hatte. Ich zog das Handy aus meiner Hosentasche und begann zu schreiben:

Hallo Christoph,

Ich bin vor ein paar Stunden im Internat angekommen. Alles in Ordnung.

Du hättest mir das mit dem Zimmer schon sagen können. Ich finde es nicht schlimm, aber wäre schon gerne vorher informiert worden. Deinen Freund hast du damit auch in eine unangenehme Lage gebracht... Naja, wie dem auch sei. Vielen Dank für das Geschenk. Die erste Tasse habe ich gleich getrunken. Ich habe mich sehr gefreut.

Grüße

Nach und nach verschwanden die Jugendlichen von dem See und als auch der letzte gegangen war, schnappte ich mir den Schlüssel und verließ das Zimmer.

Gerade als ich den Schlüssel aus dem Schloss zog, hörte ich eine tiefe und dennoch melodische Stimme hinter mir: „Du bist also die Neue. Elena, richtig?"

Seufzend drehte ich mich um und runzelte bei dem Anblick, der sich mir bot, die Stirn. Aus irgendeinem Grund passte er überhaupt nicht zu meinem Bild, das erst vor drei Sekunden in meinem Kopf entstanden war. Bei der Stimme hatte ich mit etwas anderem gerechnet, wobei ich gar nicht genau wusste, was genau ich erwartet hatte.

Er war groß, sehr groß sogar, hatte etwas längere blonde Haaren und an jedem Ohr einen, zugegebenermaßen recht kleinen, Tunnel. Eigentlich dachte ich, die Zeiten, an denen man das trug, waren schon lange vorbei. Doch nichts davon fesselte mich so sehr, wie seine Augen. Dunkel, fast wie zwei schwarze Steine, doch gleichzeitig schienen sie zu leuchten.

Als ich mich gefangen hatte, antwortete ich: „Ja und du bist?"

Lachend zeigte er auf die Tür neben sich. Die Tür direkt neben der meinen. Er war also mein Nachbar.

Greatest Love but Greatest FearWhere stories live. Discover now