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Als ich mich genügend beruhigt hatte, um zurück aufs Zimmer zu gehen, war es schon recht spät. Wenn ich Glück hatte war nun Kim da anstelle von Robin und tatsächlich war es genauso.

„Wo warst du denn?", fragte sie und richtete sich etwas in ihrem Bett auf.

„Draußen und doch noch in der Bibliothek."

„Und was hast du mit Jack angestellt?"

„Wieso? Was hat er gesagt?", wollte ich wissen und begann mir die Zähne zu putzen, ließ die Badezimmertür allerdings offen, um weiter mit Kim sprechen zu können.

„Nicht viel."

„Nicht viel, heißt er hat was erzählt?"

„Naja, eigentlich hat er nichts erzählt. Er war nur echt... hm... ich weiß es nicht genau... Sauer?"

„Ist das eine Frage oder eine Feststellung?"

„Irgendwie beides. Eigentlich kann ich immer genau sagen, was er fühlt, abgesehen davon, dass er mir sowieso alles erzählt... aber irgendwie war das heute komisch..."

„Inwiefern?"

„Er schien wütend."

„Das sagtest du bereits."

„Ja, genau.", fuhr Kim fort. „Aber zeitgleich wirkte er traurig... Ich weiß auch nicht... Als hätte man ihn wirklich verletzt?"

„Ich kann kaum glauben, dass man ihn verletzen kann.", gab ich augenverdrehend zurück.

„Was wirklich? Ich dachte du hättest dein falsches Bild von ihm abgelegt..."

Ich seufzte und stellte mich in den Türrahmen. „Hab ich auch... Irgendwie zumindest."

Sie hob ihre Augenbrauen in die Höhe.

„Jedes Mal wenn ich denke, dass du recht hast, benimmt er sich wieder wie ein Idiot."

„Ich habe trotzdem recht." Sie grinste. „Jack ist ein guter Kerl, nur ab und zu... benimmt er sich nicht so, aber in Grunde ist er der Beste."

„Ich weiß ja nicht..."

„Doch wirklich! Er ist einer der besten Menschen, die ich kenne."

„Wenn du meinst."

„Ja, meine ich! Aber zurück zum Thema, es war komisch, weil ich wie gesagt, nicht zuordnen konnte, was in ihm vorgeht, aber als ich nachgefragt habe, meinte er, es wäre nichts. Das hat er noch nie getan! Er erzählt mir alles und ist ein offenes Buch für mich, aber gerade konnte ich ihn weder lesen, noch hat er mir erzählt, was los war."

Ich verließ das Bad und begann damit meinen Schlafanzug anzuziehen.

„Deswegen frage ich dich."

„Deswegen fragst du mich was?"

„Was du mit Jack gemacht hast.", spezifizierte sie. „Was ist vorgefallen zwischen euch?"

„Wie kommst du drauf, dass das etwas mit mir zu tun hat?"

„Er benimmt sich seltsam, wenn du da bist und eben, als ich nach dir gefragt habe, hat er richtig komisch reagiert. Außerdem wolltet ihr doch den Tag zusammen verbringen, was ihr nicht habt, also ist doch was passiert."

„Ich hab nie gesagt, dass ich den Tag mit ihm verbringen wollte."

Sie verdrehte die Augen und sah mich dann abwartend an.

„Also schön.", gab ich mich geschlagen. „Wenn du dir sicher bist, dass sein Verhalten was mit mir zutun hat, dann kann ich dir wohl erklären, was genau passiert ist."

„Ich höre?"

„Obwohl ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, dass es nur deswegen ist."

„Jetzt erzähl endlich!"

„Ist ja schon gut!" Ich seufzte. „Falls ich der Grund sein sollte, dann kann es nur daran liegen, dass ich ihm nichts von Adrian erzählt habe."

„Was?"

„Er hat vorhin, als ich im Bad war, eine Nachricht auf meinem Handy gelesen, was eigentlich bedeutete, dass ich einen viel besseren Grund habe sauer zu sein als er, von Adrian und er hat ein Riesending draus gemacht, weil ich nichts von ihm erzählt habe."

„Oh, okay ja, das macht Sinn."

„Findest du?"

„Naja, vielleicht etwas übertrieben, aber grundsätzlich ja. Er ist verletzt, weil du ihm nicht vertraust."

„Also findest du, dass Freunde, mal ganz abgesehen davon, dass ich nicht sicher bin, ob Robin und ich Freunde sind-"

„Seid ihr.", unterbrach sie mich.

„Ganz abgesehen davon, findest du, dass Freunde gezwungen sind alles sofort zu erzählen?"

„Nicht zwingend, aber ich finde es gehört zu einer Freundschaft, dass man sich vertraut."

Ich schluckte. Ich vertraute ihr. Das tat ich wirklich, aber ich konnte ihr nicht erzählen, was passiert war. „Aber... Das eine muss nicht unbedingt etwas mit dem anderen zu tun haben..."

„Ach nein?"

„Nein. Es gibt Sachen, die nicht wichtig genug sind oder sagen wir relevant, als dass ich sie erzählen muss. Zum Beispiel Adrian. Ich mag ihn echt gerne und alles, aber ihr werdet ihn in den nächsten Monaten ganz sicher nicht treffen. Ich auch nicht. Keiner von uns, also warum wäre es so wichtig, dass ich euch von ihm erzähle? Diese Info bringt euch nichts."

„Ja so gesehen hast du Recht..."

„Und dann gibt es Sachen über die man einfach nicht bereit ist zu sprechen. Das hat nichts damit zu tun, ob man der anderen Person vertraut oder nicht, sondern einfach, dass man es nicht schafft es auszusprechen..."

„Hmm..." Kim runzelte die Stirn.

„Wie bei... Wie bei Oli!"

„Bei Oli?"

„Ja, grundsätzlich schon. Wenn ich damals nicht dabei gewesen wäre, bei dem Streit zwischen ihm und Robin, dann hätte er mir doch nichts von Elisa erzählt. Egal, ob er mir vertraut oder nicht. Das wäre ein Thema gewesen über das er nicht sprechen möchte und ich finde, dass man niemanden zwingen sollte etwas zu erzählen. Jeder erzählt das was er erzählen möchte und zwar dann, wenn er bereit dafür ist. Deswegen sollte sich keiner beleidigt fühlen, weil das eine persönliche Sache ist und nichts damit zu tun haben muss, ob man jemanden vertraut oder nicht."

Greatest Love but Greatest FearWhere stories live. Discover now