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„Wie war es?", fragte Robin, während wir uns umarmten.

„Gut, denk ich." Ich kuschelte mich an seine Brust. „Es war hart... Aber ihr hat es geholfen und mir vielleicht auch."

„Das ist gut.", flüsterte er in meine Haare. „Das ist sehr gut."

„Okay, los geht's.", rief ich und löste mich von ihm.

Er runzelte die Stirn. „Wohin?"

„Keine Ahnung, aber ich will weiter machen und zwar gleich! Ich muss die Sachen einfach durchziehen, dann schaffe ich es auch irgendwie. Fake it till you make it. So sagt man doch."

„Wow!" Robin strahlte mich an. „Ich bin so verdammt stolz auf dich!"

„Ohne dich wäre ich nie soweit gekommen."

„Nur weil du Hilfe hattest, warst es immer noch du, die das alles geschafft hat."

Ich griff nach seiner Hand. „Danke."

„Wie oft denn noch? Du musst dich nicht bedanken. Ich mach das gerne." Er verdrehte die Augen. „Willst du was Essen?"

„Nein, obwohl ja." Wie auf Kommando, begann mein Magen zu knurren. „Die Sache ist die, dass ich hunger habe, aber Angst habe, dass ich es nicht durchziehe, wenn ich es nicht sofort angehe."

„Was genau machen?"

„Das Haus betreten."

„Die Entscheidung liegt bei dir. Was auch immer du für das richtige hälst."

„Kannst du mich nach dem Essen zwingen es durchzuziehen?", fragte ich.

„Ich... Ich kann dich zwingen es zu versuchen, aber nicht, dass du es durchziehst."

„Das ist in Ordnung. So machen wir es."

Wir holten uns etwas bei einem Imbiss und setzten uns draußen auf eine Bank.

„Was hättest du gemacht, wenn ich nie aufs Internat gekommen wäre?", fragte ich.

„Wie meinst du?"

„Wenn wir uns nie kennengelernt hätten, aber der Rest gleich geblieben wäre... Wie hättest du deine Ferien verbracht?"

„Achso..." Er runzelte die Stirn. „Ganz ehrlich?"

„Ja."

„Je nachdem wer im Internat geblieben wäre, wäre ich dorthin gegangen oder wäre zuhause geblieben... und dann... hätte ich wohl versucht irgendjemanden zu verführen."

„Ich verhindere also eine heiße Nacht?", fragte ich grinsend. „Oder sogar mehrere?"

„In gewisser Weise schon."

„Du bist mir nichts schuldig, also... Wenn du jemanden siehst, der dich interessiert, dann nur zu. Flirte was das Zeug hält."

„Ach, das ist nicht nötig."

„Wieso denn nicht? Ich will dich nicht aufhalten." Obwohl ein Teil von mir das unbedingt wollte.

„Das wäre meine Beschäftigung gewesen, wenn ich dich nie kennengelernt hätte, aber das habe ich. Ich kenne dich."

„Und?"

„Und du bist die Einzige, die mich interessiert." Er strich mir mit dem Daumen über die Wange. „Deswegen werde ich sicher nicht mit jemanden anderen flirten."

Mein Herz setzte für einen Schlag aus. Hatte er das wirklich gerade gesagt? „Aber-"

Als würde er genau wissen, was ich dachte, unterbrach er mich: „Aber momentan geht es einfach nicht. Ich hab doch schon gesagt, dass es ganz sicher nicht daran liegt, dass ich nicht will, sondern daran, dass ich möchte, dass du dir absolut sicher bist, dass du das auch möchtest. Und gerade ist viel zu viel los, als dass du es könntest."

Ich nickte und als hätten er das nicht gerade gesagt, fragte ich: „Was ist deine schönste Erinnerung von früher? Du musst nicht, wenn du nicht willst."

„Ich weiß." Er lächelte mich an. „Vielleicht klingt das für viele als wäre es nichts Besonderes, aber meine liebste Erinnerung ist an einem Sommertag vor, äh... Ich müsste glaub ich 12 gewesen sein. Lyca war im Krankenhaus, doch an diesem einen Tag ging es ihr ganz plötzlich sehr viel besser. Ich hab damals meine Eltern gefragt, ob Kim und ich mit ihr in den Park gehen können. Ich hab damals nicht verstanden, warum sie so traurig aussahen, schließlich ging es ihr fantastisch! Erst Jahre später wurde mir klar, dass sie Angst davor hatten, dass es sich dabei nur um die berühmte Ruhe vor dem Sturm handelte. Man hört ja oft von Totkranken, die noch einen schönen Tag erleben und dann kurz darauf sterben..."

Ich nickte.

„Es war nicht der Fall und ich weich auch vom Thema ab. Diesen Gedanken hatte ich damals, wie gesagt, nicht. Ich bin also mit Lyca und Kim in den Park. Wir haben nichts besonderes gemacht, weißt du? Wir haben Ball gespielt, Karten, vor allem Skipo, haben Musik gehört. Alles mögliche. Mein Vater hat uns damals ein Picknick vorbeigebracht, damit wie ja nicht vergaßen zu essen. Es war einfach ein wunderschöner Tag. Es ist nicht groß was passiert, aber vielleicht war es eben deshalb so schön. Wir konnten unsere Sorgen für einen Tag vergessen und zu sehen, wie sehr Lyca es genoss aus dem Krankenhaus rauszukommen... Das allein hätte gereicht, um mir einen wunderschönen Tag zu bescheren."

„Es klingt sehr schön."

„Ja, ich weiß, dass das kein krasses Erlebnis war, aber-"

„Ich meine das nicht ironisch! Ich verstehe, warum du diese Erinnerung gewählt hast. Es muss nicht immer irgendetwas großes passieren. Viele wissen solche Momente nicht zu schätzen, aber doch nur, weil sie nicht erlebt haben, wie es ist sie zu verlieren."

„Was ist deine schönste Erinnerung?"

„Ehrlich gesagt keine Ahnung." Ich zuckte mir den Schultern. „Ich habe das Gefühl, dass alles was vor dem Unfall war, einfach großartig war. Als hätte ich damals keinen Schmerz oder Trauer gekannt. Ich bin mir sicher, dass nicht alles perfekt war, aber es fühlt sich so an."

„Es wird alles überdeckt von der Größe deines Schmerzes bei dem Unfall."

„Ja, genau." Ich zuckte erneut mit den Schultern. „Vielleicht war es der Urlaub mit meiner Familie am Klopeiner See. Dort ist es echt wunderschön und ich konnte den ganzen Tag im Wasser sein. Gemeinsam mit Manu. Damit hatte ich alles, was ich immer wollte an einem Fleck."

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt