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Ein paar Minuten gab uns Klara noch, doch als sie immer ungeduldiger zu werden schien, gab sich Marvin geschlagen und bot uns sogar an uns zum Schlosspark zu fahren.

Wir saßen also in seinem Auto und nutzen diese wenige Minuten, um uns weiter auszutauschen. Er schwamm immer noch, allerdings nicht mehr so oft wie früher seit dem er seine Ausbildung als Schreiner begonnen hatte. Er war ganz geschockt gewesen als ich ihm gestand vollständig aufgehört zu haben, doch er schien es besser nachvollziehen zu können als ich erwartet hatte. Trotzdem bedauerte er es sehr. Er ließ auch durchblicken, dass ich ja wieder anfangen könnte in der Zukunft und ein kleiner Teil von mir, fragte sich, ob das wirklich möglich sei. Um das Schwimmen als Karriere in Betracht ziehen zu können, hatte ich wichtige Jahre verpasst und ich bezweifelte, dass ich es so weit überhaupt wollen würde. Ich wusste nicht mal, ob ich mir vorstellen konnte, überhaupt in einem Wettkampf zu schwimmen. Aber wenn dann wohl nur in kleineren Rahmen. Andererseits war ich bereits wieder in einem Wettkampf geschwommen und vor wenigen Monaten war schon die Vorstellung ein Schwimmbad zu betreten undenkbar gewesen. Jetzt ging das weitestgehend ohne Probleme.

Das war wohl etwas, was ich einfach auf mich zukommen lassen musste. Wobei ich mich irgendwann mit dieser Frage auseinandersetzen musste, denn wenn ich etwas in den vergangenen Tagen gelernt hatte, dann war das, dass ich mich trauen musste Sachen zu tun für die ich mich noch nicht bereit hielt, wenn ich wirklich etwas schaffen wollte. Ich war zu mehr im Stande als ich mir selbst zugestand.

„Ruft mich später an, wenn ihr gehen wollt. Ich komm euch dann abholen. Ich gehe gleich zu Lisa, da werde ich ohnehin lange wach sein."

„Sicher, dass Elle nur Manus Prinzessin war? Du bist ihr ja auch zu dienen.", meinte Klara. „Mir hättest du nicht angeboten mich abzuholen."

„Du bist ja auch meine Schwester."

„Ja eben drum! Und eine verdammt coole noch dazu." Klara streckte ihm die Zunge raus, was Marvin lachend abtat. „Nimm es an oder lass es, Schwesterchen. Ich kann auch nur Elle und Robin abholen."

„Was hab ich denn getan?", wollte Isa grinsend wissen.

„Nichts, du hast recht. Isa kann natürlich auch mitfahren und du darfst dann schauen, wie du nachhause kommst."

„Du bist ja so witzig." Klara verdrehte die Augen, aber ich konnte ihre Mundwinkel zucken sehen.

Marvin hielt am Straßenrand und drehte sich nochmal zu mir um. „Wie lang bleibt ihr noch?"

„Nicht mehr lang.", gestand ich. „Am Montag geht die Schule wieder los, was heißt, dass wir spätestens Sonntag wieder im Internat sein müssen, aber ich wollte eigentlich nicht bis zur letzten Minute warten... Morgen gehen wir nochmal zu Lisa und ihrer Familie. Ich habe sie heute morgen angerufen und gefragt, ob wir uns nochmal sehen können, und am Samstag würden wir dann wohl fahren."

„Es gibt also keine Chance uns nochmal zu sehen?"

„Je nachdem wie lange wir heute bleiben, werden wir morgen früh ziemlich müde sein, aber vielleicht könnten wir einen Kaffee trinken gehen oder so... Oder du sprichst gleich mit Lisa. Vielleicht kannst du ja nach dem Essen noch dazu kommen. Zu einem Stück Kuchen oder so? Ich mein Achim und Katharina übertreiben es ja gerne ein bisschen."

Lachend nickte er. „Stimmt. Ich frag mal, dann habt ihr den Morgen auch noch in Ruhe, um euern Kater auszukurieren."

Ich sah es nicht als notwendig an ihn darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich nicht trank, sondern nickte nur.

„Jetzt kommt schon, wir müssen los!", rief Klara, die schon ausgestiegen war und nur ihren Kopf wieder durch die Tür steckte.

„Ich geh dann mal, bevor deine Schwester mich umbringt."

„Sie steht sehr kurz davor!", warf Klara ein.

„Lisa hat meine Nummer. Sprich mit ihr und dann schreib mir einfach, beziehungsweise sehen wir uns ja später, wenn du uns abholst. Wenn das bei ihnen nicht passt, dann treffen wir uns morgens. Das bekommen wir schon hin."

„Viel Spaß!"

Wir bedankten uns alle und stellten uns an. Obwohl wir so spät waren, war die Schlange noch relativ lang, aber das störte mich nicht. Dieses Festival mochte ja schön sein, aber ehrlich gesagt war es mir vollkommen egal. Für mich war es viel schöner, dass es mir gut ging. Ich unterhielt mich und lachte, ich genoss einfach die Zeit und zwar nicht nur obwohl, sondern weil ich Zeit mit meinen alten Freunden verbrachte und in Hofond war.

Ich hatte in diesen Ferien so viel mehr erreicht als ich gedacht hatte. Mehr sogar als zu träumen ich es mir gestattet hätte.

Robin hatte mir den Arm über die Schultern gelegt und ich lehnte mich leicht gegen ihn.

„Also wir kriegen gleich den Picknickkorb.", erklärte Klara. „Hab ich schon gesagt, dass wir den veganen Korb haben? Isa isst nur vegan."

„Voll cool, dass sie das anbieten! Also nicht nur vegetarisch, sondern auch vegan.", stellte ich fest. „Hätte ich ehrlichgesagt von Hofond nicht erwartet."

„Aber auch nur, weil du lang nicht hier warst." Isas Augen begannen zu strahlen. „In den letzten zwei Jahren hat sich die Stadt krass verändert. Die ist richtig öko geworden. Wir haben vier vegane Restaurants, mehrere Bioläden und vor allem auch drei unverpackt Läden."

„Drei? Hofond ist doch gar nicht so groß."

„Ja, aber die halten sich trotzdem, weil immer mehr Menschen da einkaufen gehen. Egal zu welcher Uhrzeit ich hingehe, da ist immer irgendjemand."

„Ach krass, aber richtig cool!" Ich war beeindruckt. Niemals hätte ich gedacht, dass Hofond so fortschrittlich war, aber so schien es. Die Stadt hatte sich verändert seit dem Unfall. Genauso wie mein Leben.

Aber wenn sich die Stadt auf positive Weise verändern konnte, sollte das gleiche auch für mich und mein Leben möglich sein. 

Greatest Love but Greatest FearWhere stories live. Discover now