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Adrian hatte mir am Abend noch eine Nachricht geschrieben und versicherte, dass er das gerne machte und sich freuen würde mich am nächsten Morgen zu sehen.

Der Tag hatte mich wieder so erledigt, dass ich schnell eingeschlafen war, auch wenn die Zeit gereicht hatte, um über Adrian zu grübeln. Wieso tat er das für mich? Es war absurd. Er kannte mich überhaupt nicht und trotzdem hatte er das getan. Mehr noch, er hatte vorgeschlagen das die ganze Woche über zu tun.

Gab es Menschen, die wirklich so nett waren oder hatte er Hintergedanken? Wenn er welche hatte, dann war die Frage, welche?

Ich hatte mich seufzend umgedreht und war eingeschlafen. Jetzt aber war ich wieder wach und auf dem Weg zum Schwimmbad. Zu ihm.

Tatsächlich wartete er bereits auf mich bei seinem eigenen Fahrrad und lächelte mich an. „Guten Morgen, Elle! Gut geschlafen?"

„Morgen." Ich stieg ab und bevor ich darüber nachdenken konnte, hatte er mich schon umarmt. „Wie ein Stein, du?"

„Wunderbar! Zuhause schläft man immer noch am besten, findest du nicht?"

„Ja, wahrscheinlich..."

Er hob seine rechte Augenbraue. „Du klingst nicht sehr überzeugt."

„Ja, weißt du... Ich..." Ich seufzte. „Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr, was ich wirklich als zuhause betrachte..."

„Oh, seid ihr in letzter Zeit viel umgezogen?" Er kratzte sich am Hinterkopf. „Also wenn du darüber sprechen möchtest."

„Es ist schon über drei Jahre her, dass ich hier her gezogen bin, aber so richtig als Zuhause habe ich es nie sehen können... Aber im September bin ich jetzt auch auf ein Internat gezogen. Was sich auch nicht wie ein zuhause anfühlt, aber manchmal mehr als hier." Ich rieb mir über die Stirn. „Ich weiß es nicht. Es ist alles irgendwie komisch... Wie war es gestern mit deinen Freunden?"

„Gut, aber... weißt du... Das klingt undankbar, ich weiß, aber es ist so, dass meine Schulfreunde in gewisser Weise Zwangsfreunde waren... Ich mein, mittlerweile möchte ich sie auch nicht verlieren. Ich mag sie ja auch, aber ich wusste schon immer, dass sie nicht unbedingt meine Freunde gewesen wären, wenn es andere Menschen in meinem Umfeld gegeben hätte zu Schulzeiten und seit ich an der Uni bin und andere Menschen kennengelernt habe, wurde das nur bestätigt. Ich hab mit meinen Freunden hier einfach nicht viel gemeinsam."

„Oh, das... verstehe ich sogar irgendwie..."

„Ja?" Er wirkte überrascht und führte mich wieder hinter das Gebäude zum Freibad.

„Ich hab keinen Kontakt mehr zu meinen Freunden von früher... Das hat zwar hauptsächlich andere Gründe, aber da waren auch mehrere dabei, die ich mir wohl nicht als Freunde ausgesucht hätte, wenn ich eine größere Auswahl gehabt hätte, aber sie waren eben ein Teil der Gruppe." Ich lief die ersten Meter an den Becken vorbei. Ich spürte zwar wie mein Herzschlag sich etwas beschleunigte, aber wirklich merklich wurde es erst etwas vor dem Punkt, an dem ich gestern aufgehört hatte. „Es ist, wie gesagt, nicht genau das, was du fühlst, aber ich versteh was du meinst."

„Du scheinst es besser zu verstehen als jeder andere Mensch, mit dem ich bisher darüber gesprochen habe." Er ließ mir wieder Freiraum, aber blieb nur einen Meter von mir entfernt. Jeden Augenblick bereit zu mir zu kommen. „Das ist eine sehr nette Abwechslung."

„Aber an der Uni hast du neue Leute kennengelernt meintest du?"

„Ja, wir sind meistens als Vierergespann unterwegs, was ziemlich perfekt ist. Wir verstehen uns alle untereinander super und so können sich auch mal zwei unter sich unterhalten, ohne dass eine andere Person ausgeschlossen wird."

„Ja, ich weiß genau was du meinst. Im Internat sind wir auch zu viert." Die Unterhaltung lenkte mich ein wenig von dem ab, was ich tat, sodass ich schneller vorankam als gestern. Obwohl ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte und sich meine Innereien zu verkrampfen schienen.

„Verstehst du dich gut mit ihnen?"

„Ja, total!" Ich nickte und lief noch ein wenig weiter. Wie konnte mir früher nicht auffallen, wie penetrant der Chlorgeruch war? Früher hatte ich mich bei diesem Geruch gefreut. Jetzt löste es bei mir fast einen Brechreiz aus. „Sie sind großartig. Ich hatte wirklich Glück so eine tolle Mitbewohnerin zu haben und dass sie mich direkt in ihre Gruppe aufgenommen haben. Mit einem von ihnen hatte ich am Anfang ein paar Schwierigkeiten. Er ist... Ich weiß gar nicht, wie ich es in Worte fassen soll. Damals hätte ich wohl gesagt, dass er ein arroganter Arsch sei und in gewisser Weise sehe ich das auch immer noch so, aber ich muss zugeben, dass er auch eine andere Seite hat, wie die anderen mir immer wieder zu erklären versucht hatten. Er ist nicht nur ein Arsch, wenn auch hauptsächlich."

Adrian lachte laut auf. „Und trotzdem magst du ihn?"

„Ob ich ihn mag? Puh..." Ich zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Ich betrachte ihn mittlerweile schon als einen Freund, aber ob ich ihn mag? Da bin ich mir nicht so sicher. Ich weiß, dass das total dumm klingt, aber es ist... seltsam. Seltsam ist wohl ein ganz passendes Wort. Er bringt mich regelmäßig zur Weißglut und es gibt so oft Momente, in denen ich ihm am liebsten eine reinhauen würde, doch zur selben Zeit mag ich es auch, dass er mich... weckt."

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt