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Wir saßen eine Weile da. Ich versuchte mich auf die schönen Erinnerungen zu konzentrieren und erzählte Robin ein paar Geschichten aus meiner frühen Kindheit. Ab und zu fuhren Autos oder rannten Kinder an uns vorbei. Doch während des Lebens für alle andere normal weiterging, hatte ein Körper nicht mehr aufgehört zu zittern. Mein Puls war bedenklich hoch und ich fühlte mich einfach nur elend.

Gerade lehnte ich meinen Kopf auf Robins Schulter ab, als ein schwarzes Auto an uns vorbeifuhr und einige Meter später stehen blieb.

Robin betrachtete das Auto stirnrunzelnd, als es nach ein paar Sekunden in den Rückwärtsgang schaltete und wieder auf uns zufuhr.

Noch bevor ich den Fahrer sah, wusste ich, dass es übel werden würde. Es gab nur einen Grund, wegen dem ein Auto nochmal zu uns zurückfahren würde und das war der, dass man mich erkannt hatte.

Verdammt. Es war dumm gewesen. Ich hätte mich niemals hier hinsetzen sollen, wo mich jeder sehen konnte. Ich hätte meine verdammte Kapuze ins Gesicht schieben sollen, damit keiner mich erkannte. Ich hätte mich nicht zeigen dürfen. Ich war nicht bereit irgendjemanden zu sehen.

„Elle! Du bist es wirklich? Elle!", rief Achim Schneider, ein sehr guter Freund meiner Eltern, noch beim Aussteigen.

Robin drückte mich etwas fester, während er mit seiner anderen Hand nach meiner griff. Ich wusste das zu schätzen, auch wenn es nichts half. Ich traute mich nicht ihn anzusehen, geschweige denn mit ihm zu reden, aber welche Wahl hatte ich? Was war die Alternative? Achim würde nicht einfach so wieder gehen. Ganz sicher nicht.

Meinen Blick starr auf die Straße gerichtet, nickte ich. „Hey, ja."

„Was machst du denn hier? Oh wie schön dich zu sehen! Wie geht es dir? Gott, es tut mir so leid, was geschehen ist. Wir vermissen sie sehr und ich weiß, dass es dir noch viel schlimmer ergangen ist. Mein Beileid."

Ich schaffte es nicht einmal zu nicken.

Robin, der mich immer noch festhielt, reichte Achim eine Hand: „Hallo, ich bin-" Er zögerte kurz. „Robin."

„Freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Achim. Ich bin mit Elles Mutter zur Schule gegangen und wir waren auch danach noch sehr gute Freunde."

„Und da soll noch jemand sagen, dass alle Schulfreundschaften nicht halten würden."

„So siehts aus." Achim lachte kurz auf, wendete dann seine Aufmerksamkeit wieder mir zu. „Hey ihr zwei, wir grillen morgen bei uns zuhause und wir würden uns sehr freuen, wenn ihr auch kommen würdet."
Seine Worte ließen mich zusammenzucken.

Vielleicht hatte er es gemerkt, denn er fügte hinzu: „Keine Sorgen, es sind nur wir, die grillen. Wir haben ansonsten niemanden eingeladen. Die werden Augen machen, wenn sie dich sehen, Elle! Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, weißt du?"

Mir war bewusst, dass ich antworten musste, aber abgesehen davon, dass ich nicht in der Lage war zu sprechen, wusste ich auch gar nicht, was ich antworten sollte. Ein „Nein, vergiss es! Das kommt gar nicht in Frage!" oder ein „In Ordnung, wir kommen." Das zweite wäre die Antwort, die man von mir erwarten würde. Die Höfliche Antwort. Die Antwort, die mein altes Ich, das Ich von vor dem Unfall, sofort gegeben hätte. Die erste Antwort war die, die ich eigentlich antworten wollte. Wie sollte ich das denn schaffen?

„Wir werden kommen.", hörte ich Robin sagen.

Auch wenn seine Antwort dem widersprach, was alles in mir schrie, war ich ihm dankbar, dass er geantwortet hatte. Ich wusste, dass ich es nicht geschafft hätte nein zu sagen. Nicht einmal ja zu sagen, aber nein erst recht nicht.

Achim war für mich quasi Familie gewesen.

Robin und er tauschten noch einige Informationen aus, während ich versuchte mich zu sammeln. Es funktionierte nicht wirklich, aber zumindest schaffte ich es ein kurzes „Bye." Herauszubringen, als er wieder in sein Auto stieg.

Er war gerade erst losgefahren als ich schon anfing zu weinen. Die Tränen flossen einfach unkontrolliert über mein Gesicht, ohne dass ich auch nur das geringste tun konnten.

Robin strich mir über den Rücken und murmelte beruhigende Wörter, doch von denen bekam ich nicht wirklich etwas mit. Es schien aus einer völlig anderen Welt zu kommen.

„Wie soll ich das schaffen, wenn ich nicht mal in der Lage bin vor mein altes Haus zu treten?", flüsterte ich.

„Du kannst das. Ich weiß, dass du das kannst.", erwiderte er. „Und wenn du das wirklich nicht willst... Er hat mir seine Nummer gegeben. Wenn du da nicht hinwillst, dann rufe ich ihn später an und sag, dass wir doch nicht kommen können. Ich kümmere mich darum, wenn es das ist, was du willst."

Seine Worte brachten mich zum Lachen. „Danke."

„Willst du, dass ich es mache?"

„Ja.", antwortete ich. Ich wollte, dass er absagte. Ich wollte da nicht hingehen. Ich wollte hier weg. So schnell wie möglich, aber das war keine Option. Denn was ich noch mehr wollte als das, war es mein Versprechen Manu und mir selbst gegenüber zu erfüllen. Ich wollte lernen wieder zu leben und dafür musste ich hier sein. „Nein."

Robin wartete darauf, dass ich weiter sprach.

„Ruf nicht an. Ich werde es versuchen..."

„Mehr kann keiner verlangen. Du gibst dein bestes, das weiß ich."

„Aber vielleicht ist mein Bestes nicht gut genug."

„Dein Bestes ist mehr als gut genug! Du bist großartig, Elle und das, was dir geschehen ist, ist furchtbar und es erfordert viel Mut, Stärke und Willenskraft sich dem zu stellen, so wie du es gerade tust."

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