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„Da seid ihr ja endlich!", schrie Robin von der anderen Seite des Strandes zu als wir dort ankamen. Er kam mit Oli an seiner Seite zu uns geeilt. Beide hielten einen Plastikbecher in der Hand.

Kim und Oli küssten sich zur Begrüßung. „Du siehst unglaublich aus, Kimmi."

„Du aber auch.", fügte Robin an mich gewandt hinzu.

Ich verdrehte die Augen. Oli hatte sich ein weißes Hemd angezogen, aber die Ärmel hochgekrempelt. Robin jedoch sah aus wie immer. Schwarze Shorts, schwarzes T-Shirt. Ich wusste nicht, warum er immer schwarz trug, aber ich musste, so ungern ich es tat, zugeben, dass es ihm sehr gut stand. Viel zu gut.

„Was willst du trinken?", fragte er und beugte sich zu mir, seine Hand auf meiner Schulter und seine Lippen ganz nah an meinem Ohr.

„Ich hole es mir selbst.", sagte ich und lief zu den Kühlboxen. Robin folgte mir und während ich die Truhen nach etwas alkoholfreiem durchsuchte, füllte Robin seinen und noch einen weiteren Becher, vermutlich für Kim.

Ich schenkte mir selbst Wasser ein und nahm direkt einen Schluck.

„Ist das Wasser?", fragte Robin als er es bemerkte. „Wieso nimmst du nichts richtiges?"

„Wasser ist etwas richtiges.", stellte ich fest, als würde ich nicht wissen, was er meinte, fügte dann aber doch hinzu: „Ich will nichts alkoholisches."

Er hätte wohl noch etwas gesagt, aber ich lief zurück zu den anderen, ohne darauf zu warten.

Das Thema war damit aber leider trotzdem nicht beendet, denn Kim betrachtete stirnrunzelnd mein Getränk, während sie dankend den zweiten Becher von Robin annahm. Sie zeigte auf mein Becher. „Was ist das?"

„Das ist Wasser." Ich verdrehte die Augen. „Schon witzig, dass wir in der Schule lernen, was hier vor tausend Jahren passiert ist, aber ihr scheinbar nicht einmal wisst, was diese wunderbare Flüssigkeit ist, die uns das Leben ermöglicht."

Kim verdrehte nun ebenfalls die Augen. „Wieso um alles in der Welt trinkst du Wasser?" Doch noch bevor ich antworten konnte, griff sie nach Olis Hand und sprang aufgeregt auf und ab. „Das ist unser Lied! Lass uns tanzen!" Sie stiesen in die Menschenmenge vor und liesen uns damit am Rand zurück.

Doch als ich mich zu Robin umblicken wollte, musste ich feststellen, dass auch er schon nicht mehr da war. Schulterzuckend lief ich einige Schritte zurück und lehnte mich an einen Baumstamm, um von dort aus die anderen zu beobachten.

Viele tanzten, andere standen in kleinen Gruppen am Rand und unterhielten sich, beziehungsweise schrien sich über die Laute Musik gegenseitig an.

An verschiedenen Stellen standen riesige Musikboxen am Rand. Was ein Aufwand das gewesen sein musste, die alle zu organisieren und hier aufzubauen... Doch das war bei weitem nicht das Einzige, was mich an dieser Party überraschte. Ich fand es schon seltsam, dass die Schule das überhaupt erlaubte. Insbesondere mit dem ganzen Alkohol. Ich hatte nicht erwartet, dass es keinen Alkohol geben würden, aber er stand einfach überall in den Boxen. Es war nicht so, dass sie es heimlich machten. Überhaupt fragte ich mich, wer die ganzen Getränke gekauft hatte.

Ein paar wenige waren sogar schon in den See gesprungen. Sie schienen wohl noch einmal ausnutzen zu wollen, dass das Wetter mitspielte. Als hätte die Welt es gut mit uns gemeint, war es heute noch einmal besonders warm, doch vermutlich würde es sich um den letzten warmen Tag des Jahres handeln.

Das war auch der offizielle Grund für die Party. Sie wollten den Sommer noch einmal feiern und sich von der warmen Jahreszeit verabschieden. Mit reichlich Alkohol wie es schien. Je länger ich die Leute beobachtete, desto stärker fiel mir auf, dass einige schon ziemlich betrunken wirkten, und dabei hatte das Fest erst angefangen. Nicht einmal die Sonne war untergegangen.

„Hier, nimm das."

Erschrocken drehte ich mich zur Seite, wo Robin mir einen Becher reichte. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Ich will keinen Alkohol."

„Das ist auch kein Alkohol." Er nahm mir meinen Becher aus der Hand und schüttete das Wasser auf den Boden hinter mir, um den Becher, den er mir mitgebracht hatte reinzustellen und ihn mir erneut reichte.

Instinktiv griff ich danach, aber musterte stirnrunzelnd die orangegelbe Flüssigkeit und führte den Becher an meine Nase, um daran zu riechen.

„Falls dich jemand fragt, dann sag, dass das Malibu-Maracuja ist.", erklärte er.

Skeptisch sah ich an.

„Ist es nicht, keine Sorge." Er schaute sich kurz um, als würde er überprüfen, ob uns jemand hören konnte. „Das ist nur Maracujasaft mit etwas Kokos. Wenn es jemand probieren sollte, dann wird er denken, dass das Malibu ist." Er legte seine Hand auf meine Schulter. „Aber ich schwöre dir, da ist kein Tropfen Alkohol drin."

Ich suchte in seinem Gesicht nach einer Lüge oder nach einer anderen Erklärung, aber ich fand nichts. „Warum?"

„Wenn du nichts trinken willst, dann ist das deine Entscheidung. Nur deine. Aber wir leben in einer Gesellschaft, die so etwas nicht akzeptiert. Wir leben in einer Gesellschaft, in der man, wenn man sagt, dass man nichts trinken möchte, nur noch stärker dazu gedrängt wird. Einem wird plötzlich von jedem etwas ausgegeben, aber wenn man sagt, man möchte sich heute so richtig die Kante geben, dann interessiert das keinen. Das wird einfach akzeptiert, als wäre es das Normalste der Welt." Er lächelte zu mir hinab. „Also nimm das und man wird dich in Ruhe lassen."

Erstaunlicherweise erkannte ich, dass er recht hatte. Was seine Beweggründe waren mir zu helfen, wusste ich zwar nicht, aber er half mir und es wäre dumm von mir gewesen seine Hilfe nicht anzunehmen. Also tat ich es und nahm einen Schluck. 

Greatest Love but Greatest FearWhere stories live. Discover now