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Robin hatte mir die Zeit gekauft, die ich benötigte, um mein Herzschlag wieder einigermaßen auf normales Tempo zu drosseln, sodass ich fast bereit war, als Klara wieder eine Frage an mich richtete: „Also ihr zwei, seit wann seid ihr zusammen? Wie habt ihr euch kennengelernt?"

„Wir gehen auf dasselbe Internat.", antwortete ich ehrlich. „Aber wir sind nicht zusammen."

„Seid ihr nicht?" Sie wirkte wahrlich überrascht, aber das waren wohl alle. Es sollte mich also nicht überraschen.

„Nein, sind wir nicht.", bestätigte ich.

„Ach wirklich? Hast du denn einen Freund? Oder eine Freundin?"

„Weder, noch."

„Da wird sich Leo aber freuen, wenn er das hört." Sie begann hinter vorgehaltener Hand zu kichern.

„Was? Wieso sollte sich Leo darüber freuen?"

„Wie? Sag bloß du wusstest es nicht?"

„Wusste was nicht?"

„Leo war total in dich verschossen!"

„Ach was!"

„Doch natürlich!", rief sie. „Er redet immer noch ständig von dir. Er ist quasi von dir besessen!"

„Das klingt eher unheimlich...", gab ich zu bedenken.

Sie verdrehte die Augen. „Du weißt wie ich das meine! Wahrscheinlich hat er dich auch etwas romantisiert, seit du nicht mehr da warst. In seinen Augen bist du perfekt."

„Ist sie ja auch.", meinte Robin mit einem Grinsen.

Augenverdrehend stieß ich ihn mit meinem Ellenbogen in die Seite, doch Klara lachte nur: „Sicher, dass da nichts zwischen euch läuft?"

Ich schluckte, unwissend was ich antworten sollte. Nicht etwa, weil ich überlegte zu lügen, sondern weil ich die Wahrheit nicht kannte. Lief da etwas zwischen uns? Konnte man das so nennen? Gab es denn etwas, was man so nennen konnte? Um mich vor einer Antwort zu drücken, fragte ich zurück: „Wie sieht es denn bei dir aus? Hast du jemanden?"

„Erinnerst du dich noch an Isabella?", erkundigte sie sich. „Die ist hergezogen, kurz bevor zu verschwunden bist."

Ich runzelte die Stirn. „Ganz vage."

„Naja, auf jeden Fall ist sie großartig! Sie ist witzig, schlau, empathisch, wunderschön und ein totaler Geek."

„Aha." Ich grinste sie an.

„Und meine Freundin!"

„Das ist großartig! Ich freu mich so sehr für dich!"

„Das hab ich dir zu verdanken."

„Mir? Was habe ich denn damit zutun? Ich war nicht mal hier..."

„Nein, das zwar nicht, aber du warst vorher da..." Sie wendete sich Robin zu. „Um dir etwas Kontext zu geben: Mit vielleicht zwölf oder so fiel mir auf, dass ich mehr Interesse an den weiblichen Stars hatte als an den männlichen. Ich hatte eine krasse Schwärmerei für Emma Watson. Elle war die erste und einzige Person damals, der ich davon erzählt hatte. Ich wollte nicht wahrhaben, dass das bedeuteten könnte, dass ich lesbisch bin. Ich wollte so nicht sein. Ich dachte damals, dass Elle mir vielleicht helfen könnte" Sie formte Anführungszeichen in die Luft. „normal zu sein. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass Elle gar nicht verstand, worauf ich hinauswollte als ich ihr von meiner Schwärmerei erzählte. Also hatte ich ihr erklärt, dass es nicht nur um Emma Watson ging, sondern generell. Wieder wusste sie nicht, worauf ich hinauswollte. Es ging einige Mal so hin und her, bis ich mich traute es ganz offen zu sagen. Ich sagte ihr, dass ich Angst habe lesbisch zu sein und ihre Hilfe wolle, um normal zu sein." Sie lächelte mich an. „Elle hat mir tief in die Augen gesehen und gesagt, dass ich normal sei. Dass es keinen Grund gäbe mich zu verändern. Dass ich toll sei, so wie ich war. Sie hielt mir keine weltbewegende Rede, wie es in Filmen so oft geschieht, aber ich mein, wir waren noch Kinder. Aber diese Worte bedeuteten mir so viel. Elle hatte mir gezeigt, dass nicht alle mich für das verurteilen würden, was ich bin."

„Es gibt keinen Grund dich zu verurteilen. Wieso kann nicht jeder einfach den lieben, den er möchte?", fragte ich.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe mich trotzdem noch jahrelang nicht getraut es jemanden anderen zu erzählen. Erst als ich Isa kennengelernt habe und wir uns näher kamen, war ich bereit den Schritt zu wagen. Mit ihr an meiner Seite."

„Das ist toll!" Robin lächelte sie an.

„Und noch toller ist die Tatsache, dass eigentlich keiner in Hofond jemals etwas Negatives geäußert hat!"

„Wow! Krass!" Ich seufzte. „Es ist echt traurig, wie sehr mich das überrascht. Das sollte ganz normal sein."

„Sollte es. Ist es aber nicht."

Mit diesem Gespräch schienen wir zumindest einen Teil des Eises gebrochen. Ich konnte nicht behaupten, dass ich mich vollends wohl fühlte, aber es war viel besser geworden. Ich hatte sogar Spaß.

Es war seltsam. Irgendwie fühlte es sich sogar leicht an. Na gut, nicht leicht. Es war verdammt schwer, aber im Vergleich zu meiner Begegnung mit Lisa gestern war das hier ein Kinderspiel.

Aber war das hier wirklich einfacher oder war ich nur stärker als zuvor? Konnte ein Tag ausreichen, um mit einer vergleichbaren Situation zurechtzukommen? Andererseits war das vergleichbar? Klara und Lisa hatten zwar beide zu meinen besten Freundinnen gehört, aber anders als Klara, hatte Lisa eine viel engere Verbindung zu Manu gehabt...

Wir verließen gerade das Café, als Klara sich zu uns umdrehte: „Also kommt ihr zur Party? Bitte?"

„Ich weiß noch nicht...", gestand ich. „Das ist alles nicht so einfach für mich... Ich kann dir nicht versprechen, dass ich kommen werde. Ehrlich gesagt zweifle ich daran... Ich weiß nicht, ob ich es schaffe..."

Sie seufzte und umarmte mich. „Bitte denk darüber nach. Ich würde mich sehr freuen, wenn du kommst. Es war so toll dich wieder zu sehen! Ich hab dich vermisst!"

Ich erwiderte die Umarmung, aber konnte nichts sagen.

„Denk einfach darüber nach. Die anderen würden sich auch riesig freuen!"

„Sag ihnen nichts...", bat ich.

„Wieso denn nicht?"

„Ich will nicht, dass sie es wissen. Ich glaube nicht, dass ich damit umgehen könnte... Ich... bitte, behalt es einfach für dich, dass du mich gesehen hast."

„Aber-" Sie seufzte. „In Ordnung. Ich werde es niemanden erzählen, aber versprich mir, dass du über die Party nachdenken wirst."

„Versprochen."

Greatest Love but Greatest FearNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ