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Dieses Mal zögerte ich nicht und klingelte sofort. Auch während wir warteten bis Achim die Tür öffnete, hatte ich keinen Gedanken daran verschwinden zu wollen. Ich freute mich darauf sie zu sehen und mit ihnen zu essen.

Achim wirkte überrascht als ich ihn sofort umarmte und ihn dann eine Pralinenschachtel gab. „Hier, die sind für euch. Die müssten allerdings in den Tiefkühler."

„Das wäre doch nicht nötig gewesen."

„Doch war es." Ich lächelte ihn breit an. „Schon allein, um mich für den letzten Besuch zu entschuldigen."

„Du musst dich überhaupt nicht entschuldigen!" Katharina kam an die Tür und umarmte mich. „Wir sind diejenigen, die sich entschuldigen müssen."

„Nein, das stimmt nicht!"

„Sagen wir einfach, dass sich keiner entschuldigen muss.", schlug Robin vor. „Ist doch viel einfacher."

„Da hat er natürlich recht, aber kommt rein. Lisa ist schon im Garten und sonnt sich."

Katharina und Achim gingen in die Küche, während Robin und ich in den Garten liefen.

Als Lisa uns bemerkte, sprang sie auf und griff nach ihrem Kleid, dass sie sich schnell über ihren Bikini zog. „Sorry, ihr seid ja schon da! Ich wollte mich noch fertig machen, bevor ihr kommt."

„Ist doch alles gut.", versicherte ich lachend und umarmte sie.

Auch Robin umarmte sie zur Begrüßung. „Du kannst dich auch weiter sonnen, wenn du möchtest."

„Ach was, nein. Jetzt seid ihr hier. Wollt ihr was trinken?"

„Für mich nur ein Wasser, danke."

Robin nickte. „Für mich auch, bitte."

„Wir haben auch mehr zur Auswahl, aber das wisst ihr ja. Ich komme sofort."

Während sie im Inneren verschwand, drehte ich mich einmal langsam um meine eigene Achse und lehnte meinen Kopf dann auf Robins Schulter. „Ich bin echt froh, dass ich das gemacht habe. Dass ich hierhergekommen bin."

„Und ich bin unglaublich stolz auf dich."

„Ohne dich-"

Augenverdrehend unterbrach er mich: „Nein. Damit fangen wir gar nicht erst an. Du hast das geschafft. Ich hab nichts damit zu tun. Das warst ganz allein du."

Er irrte sich. Er hatte so viel dazu beigetragen und ich wusste mit absoluter Sicherheit, dass es ohne ihn nicht möglich gewesen wäre.

„Einmal für dich und einmal für dich." Lisa reichte uns jeweils ein Glas Wasser. „Prost."

„Prost.", antworteten wir im Chor und setzten uns auf die Treppenstufe der Terrasse.

„Wie war es gestern mit Marvin?", fragte ich Lisa als wir eine Weile schweigend nebeneinandergesessen hatten.

„Echt schön." Trotz der Worte schien ihr Lächeln traurig. Stirnrunzelnd sah ich sie an, aber bevor ich mich entscheiden konnte sie deswegen anzusprechen, fuhr sie fort: „Du bist wohl die letzte Person, der ich das sagen muss, aber... Also nein, anders. Marvin wollte, nachdem er dich gesehen hat, viel über Manu sprechen... und es war schön. Wir sind in Erinnerungen geschwelgt und alles, aber es tut auch weh. Es ist schön und schrecklich zu gleich an ihn zu denken, verstehst du? Natürlich verstehst du. Ich erinnere mich gerne an ihn, wirklich, aber es kostet einfach sehr viel Energie..."

Ich nickte und schloss die Augen. „Ja, das verstehe ich... Aber dir geht es gut?"

„Ja, alles gut! Es war, wie gesagt, wirklich schön, aber ich muss gestehen, dass, seitdem du wieder hier bist, auch ich seinen Verlust wieder mehr spüre. Ich hab nie aufgehört über ihn zu trauern, aber jetzt... Jetzt ist ein Teil von ihm, aber wieder da und dadurch spüre ich seine Abwesenheit noch viel mehr."

Robin drückte meine Hand. Mein Hals verengte sich ein wenig, aber ich schaffte es trotzdem zu antworten: „Ich weiß was du meinst. Genau das ist mein Problem mit der ganzen Stadt hier gewesen. Es war ja nicht so, als hätte ich davor nicht jeden Tag an ihn denken müssen, aber hier... Es gab so viele Dinge, die mit ihm verbunden sind... oder waren... wie auch immer. An so vielen Orten steckt ein Teil von ihm und das macht es so schwer. Auch dich zu sehen ist nicht einfach, aber ich versuch mich auf das schöne zu konzentrieren. Nicht darauf, dass er weg ist, sondern darauf, dass er dich geliebt hat. Darauf, dass er mit dir glücklich war. Darauf, dass du sein Leben bereichert hast und das... das hilft... Irgendwie."

„Du hast vollkommen recht. Er hätte nicht gewollt, dass wir uns nur an seinen Tod erinnern. Er würde wollen, dass wir ihn so in Erinnerung behalten, wie er war."

Ich nickte zustimmend. „Ganz genau."

„Ihr zwei seid wirklich stark.", flüsterte Robin. „Es ist nie einfach jemanden zu verlieren, den man geliebt hat, aber ihr schafft es euch auf das Positive zu konzentrieren. Das ist fantastisch."

„Es hat ja auch lange genug gedauert...", murmelte ich.

„Na und? Du hast es geschafft. Jeder Mensch braucht unterschiedlich lang, um mit dem Verlust klarzukommen. Jeder muss seinen eigenen Weg einschlagen. Es gibt kein Geheimrezept für sowas. Manche haben Glück und finden schnell eine Möglichkeit nach vorne zu schauen, andere brauchen mehr Zeit und irren in dem Labyrinth der Trauer herum bis man seinen Weg findet."

„Weise Worte."

„Das hat man mir damals gesagt, als meine kleine Schwester gestorben ist.", berichtete er.

Lisas Augen weiteten sich überrascht. „Du- Deine- Oh, das tut mir so leid."

Greatest Love but Greatest FearWhere stories live. Discover now