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Draußen war es dunkel, als ich aufwachte. Robins Arme lagen immer noch um meinen Körper, allerdings weniger fest als beim Einschlafen. Vorsichtig drehte ich mich um, sodass ich ihn ansehen konnte. Er schlief. Sein Gesicht in völliger Ruhe. Zwischen unseren Körpern hätte auch noch eine weitere Person Platz gefunden. Die Bettdecke war nach unten gerutscht.

Der Gedanke, dass keiner von uns vollständig angezogen war, aber wir zusammen ein gesamtes Outfit trugen, brachte mich kurz zum Schmunzeln. Ich trug sein T-Shirt, er noch immer seine dunkle Jeans.

Die Lampe auf seinem Nachttisch brannte und hüllte ihn in ein schummriges Licht.

Als wir uns kennengelernt hatten, hatte ich mich bremsen können, doch dieses Mal konnte ich nicht anders und strich leicht über das Tattoo auf seiner Brust.

Mittlerweile konnte ich mir doch vorstellen, dass es eine Bedeutung hatte. Vielleicht täuschte ich mich, aber irgendwas sagte mir, dass es sogar eine tiefere Bedeutung hatte als viele andere.

Der schwarze Wolf, der auf einer Herzstromlinie rannte.

Was könnte das bedeuten?

„Gefällt es dir?"

Ich zuckte zusammen und schaute hoch zu seinem Gesicht.

Robin lächelte mich an und strich über meine Haare, bevor er seine Hand wieder auf meine Taille legte.

„Ich... Ähm... Ja."

„Willst du dir auch eins stechen lassen?"

Ich schüttelte den Kopf. „Sorry... Ich hatte mich nur gefragt, was es für eine Bedeutung hat..."

„Wieso entschuldigst du dich immer?"

„Das mach ich nicht immer..."

„Es gibt keinen Grund dich zu entschuldigen."

„Ich hab dich geweckt und außerdem geht mich das nichts an..."

„Wollen wir uns auf etwas einigen?", fragte er, wartete aber nicht auf meine Antwort. „Wie wäre es, wenn wir eine Abmachung schließen. Wenn einer von uns etwas wissen will, dann fragt er. Wenn der andere nicht darauf antworten möchte, dann sagt er genau das und das Thema hat sich gegessen."

„In Ordnung.", stimmte ich zu. Wieso eigentlich nicht. Das war doch eine gute Sache. „Na, dann: Was bedeutet dein Tattoo? Es hat doch eine Bedeutung, oder?"

„Ja, hat es." Er begann mit seinem Daumen in kreisenden Bewegungen über meine Taille zu streichen. „Jetzt bin ich dran mit erzählen... Wo fang ich an? Meine Eltern haben sich oft gestritten... Schon seitdem ich denken kann, aber wirklich schlimm wurde es dann als meine kleine Schwester krank wurde. Sie hatte Krebs. Schon als sie echt klein war. Mehrere Jahre lange ging das so... Es ging ihr besser und dann wieder schlechter. Lyca, so hieß sie, und ich haben uns gegenseitig geholfen. Wenn unsere Eltern stritten, waren wir immer füreinander da gewesen. Sie war mir wirklich wichtig. Meine Güte, ich bin schlecht in so was!"

Nun begann ich damit über seinen Arm zu streichen, so wie er es gestern bei mir getan hatte.

„Es wurde schlimmer und sie kam ins Krankenhaus. Wieder einmal. Dieses Mal waren es mehrere Wochen. Meine Eltern wollten gar nicht, dass ich so viel Zeit bei ihr verbringe, weil ich alles andere links liegen ließ. Insbesondere die Schule... Aber ich musste bei ihr sein. Wir hatten es nie ausgesprochen, aber Lyca und ich hatten es geahnt. Wir wussten, dass es vorbei war." Tränen standen in seinen Augen. „Doch dann ging es ihr wieder besser. Für mehrere Tage lang. Die Ärzte hatten am Anfang gesagt, dass wir uns keine zu große Hoffnungen machen sollten, aber als es immer länger anhielt, waren sie sich doch nicht mehr so sicher. Ich hatte so viel Zeit dort im Krankenhaus verbracht. Ich war die ganze Zeit bei ihr gewesen. Jede freie Sekunde und auch wenn ich nicht frei hatte. Ich hab damals so viel geschwänzt, um bei ihr zu sein... An einem Tag hatte ich mich allerdings entschieden raus zu gehen. Ich war auf einem Geburtstag eingeladen von meinem besten Freund und ich brauchte mal einen Tag frei... Ich hätte bleiben sollen. Ich hätte bei ihr bleiben sollen..."

Ich legte meine Hand auf seine Wange, aber strich die Träne, die ihm über das Gesicht lief, nicht weg. Er sollte nicht das Gefühl haben, dass er nicht weinen durfte, denn das durfte er. Keiner sollte seine Gefühle für sich behalten müssen. Wenn er weinen musste, dann sollte er weinen. Das half und vielleicht sollte ich mir das selbst auch öfters zugestehen. 

Greatest Love but Greatest FearWhere stories live. Discover now