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Das Menu begann mit einer einfachen Gemüsesuppe. Als Hauptspeise hatte ich einen Nussbraten mit Rosmarinkartoffeln und einer Soße vorbereitet, begleitet von einem grünen Salat.

Es schmeckte gut und die Musik im Hintergrund sorgte dafür, dass das Schweigen nicht ganz so unangenehm war.

„Das war köstlich." Christoph nahm noch einen Schluck seines Weines. „Vielen Dank fürs Kochen und für die tolle Überraschung."

„Sehr gerne."

„Ich... Es tut mir leid."

„Was tut dir leid?", fragte ich mit gerunzelter Stirn.

„Mir war nicht bewusst gewesen oder nein, anders: Ich hatte nicht realisiert, dass nur weil ich die letzten Jahre, ohne Julia, nicht so in der Weihnachtsstimmung gewesen war, das ja nicht automatisch hieß, dass es dir genauso erging." Er seufzte. „Es tut mir leid. Ich hätte mit dir darüber reden sollen und ich hätte dir ein besseres Weihnachten ermöglichen sollen."

„Nein."

„Nein?"

„Nein.", wiederholte ich. „Es sollte dir nicht leid tun. Es gibt nichts, was dir leid tun müsste. Wenn dann müsste mir es leid tun... Ich hab nicht gefragt, ob es okay ist, dass ich das heute gemacht habe. Ich versteh absolut, wenn du kein Weihnachten feiern wolltest, und es tut mir leid, dich jetzt dazu genötigt zu haben..."

„Das hast du nicht.", widersprach er. „Oder richtiger wäre wohl: Ich bin froh, dass du es getan hast. Wenn du mich gefragt hättest, ob ich Weihnachten feiern möchte, wäre meine Antwort nein gewesen, aber es war toll. Danke."

„Dann bin ich ja erleichtert." Da war ich wirklich. „Aber um zurück zu kommen. Es musst dir nichts leid tun, weil es mir genauso ging wie dir. Ich wollte in den letzten Jahren kein Weihnachten feiern. Es hatte sich... falsch angefühlt..."

Er nickte, einen wissenden Ausdruck in seinem Blick.

Wie dumm das war. Wir beiden hatten uns jetzt entschuldigt, weil wir unsicher waren, ob das was wir taten dem anderen recht war. Obwohl wir uns diese Sorgen alle hätten sparen können, wenn wir einfach ehrlich miteinander reden würden. War das denn so schwer? Eine Stimme in meinem Kopf schrie „JA!", doch ich wusste, dass diese Stimme log. Es war nicht schwer. Es sollte nicht schwer sein. Es sollte leicht sind. Es sollte selbstverständlich sein. Doch das war es nicht. Nicht für mich.

Ich war nicht ehrlich. Vielleicht nicht einmal mit mir selbst, aber ganz sicher nicht meinen Mitmenschen gegenüber. So viel verheimlichte ich meinen Freunden. Über so viele Sachen sprach ich mit niemanden, obwohl ich, tief im Inneren, wusste, dass ich darüber sprechen sollte. Wie oft hatte ich mich über die Charaktere in Bücher aufgeregt, weil sie nicht miteinander sprachen. Dass alle ihre Probleme nur an mangelnder Kommunikation lagen. Und doch tat ich genau das gleiche.

Um die Stille nicht noch länger aufrecht zu erhalten, stand ich auf. „Ich hole den Nachtisch."

„Nachtisch auch noch?"

„Ja, ich hab Tiramisu gemacht."

Seine Augen weiteten sich. „Wirklich? Das ist mein liebstes Dessert!"

Schmunzelnd nickte ich. „Ich weiß."

„Du-"

Ich warf ihm ein Lächeln zu und zuckte mit den Schultern. Es war das Dessert, welches er sich immer bestellt hatte, wenn wir zusammen irgendwo gegessen hatten. Das war zwar nicht häufig gewesen, aber seine Mimik war so eindeutig gewesen, dass das gereicht hatte.

„Das könnte das beste Tiramisu sein, was ich je gegessen habe!", rief er aus, nachdem er probiert hatte. „Von wo hast du das Rezept?"

Ein kleines Lächeln legte sich über meine Lippen und wendete ich den Blick ab und blinzelte mehrmals, um die Tränen zu verscheuchen. „Das Rezept ist von meiner Mutter."

„Oh." Er hörte auf zu essen und ich konnte förmlich dir Räder in seinem Kopf rattern hören, als er überlegte, was er jetzt tun sollte.

„Alles gut. Wirklich.", versicherte ich ihm und nickte, um das Gesagte zu unterstreichen. Zu meiner Überraschung, stimmte das sogar. Es war in Ordnung. Mir ging es gut. Es freute mich sogar, dass es ihm so gut schmeckte. Es erfüllte mich mit Stolz, dass es ein Rezept meiner Mutter war, welches sie von ihrer Mutter bekommen hatte. Ich hatte nicht einmal überlegt zu lügen und zu behaupten das Rezept sei aus dem Internet, so wie ich es vor einem Jahr ohne zu zögern gemacht hätte, falls ich überhaupt gewagt hätte ein Rezept von ihr zu machen. Dieses und noch viele weitere waren in einem Ordner auf meinem Handy gewesen, dass ich seit dem Unfall nie geöffnet hatte. Ich hatte ihn unberührt auf mein neues Handy kopiert. Erst gestern hatte ich draufgeklickt, um zu schauen, was ich dafür einkaufen musste. „Wirklich. Alles in Ordnung. Freut mich, dass es dir schmeckt."

Er warf mir noch einen besorgten Blick zu, widmete sich dann aber doch wieder dem Tiramisu. „Ich kann mich nur noch einmal bei dir bedanken. Dass du das alles vorbereitet hast," er zeigte mit einer ausladenden Geste auf das Essen, auf die Weihnachtspflanze und auf die restliche Dekoration, die ich im Raum verteilt hatte. „und dann auch noch ein köstliches Mahl bereitet hast, ist unglaublich! Danke dir."

„Hör auf dich zu bedanken." Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht schoss und war froh, dass man die Röte auf meiner Haut nicht so gut sehen konnte.

„Ich bin dir aber Dank schuldig."

„Nein bist du nicht.", widersprach ich kopfschüttelnd. „Du hast so vieles für mich getan..."

„Ich? Nein, ich hab-"

„Doch hast du. Viel mehr als ich geahnt hatte." Ich seufzte. „Und dabei war es schon... Allein, dass du mich aufgenommen hast, obwohl... Allein, dass du mich aufgenommen hast, ist mehr als ich dir jemals zurückgeben kann. Deinetwegen war ich nur wenige Woche in dem Heim. Ich hab mich nie wirklich dafür bedankt. Obwohl ich es dir schulde. Dir mehr als ein Danke schulde."

„Nein, tust du nicht."

„Doch, tue ich."

„Nein." Seine Stimme klang ernst, doch er lächelte mich dabei an. „Bedanke dich nicht deswegen bei mir. Ich habe nur das getan, was Julia von mir gewollt hätte und es war das Richtige. Ich weiß, dass du dir das alles anders vorgestellt hättest und ich weiß, dass ich es besser hätte machen können, aber ich habe es versucht, so gut ich konnte."

Sein Blick hinderte mich daran zu sprechen. Es war nicht so als hätte ich Angst davor oder etwas in der Art, aber ich wusste, dass er nicht unterbrochen werden wollte.

„Du schuldest mir kein Dank. Vor allem, weil du etwas Besseres verdient hättest, als ich dir biete."

Jetzt konnte ich doch nicht mehr schweigen. „Das stimmt nicht."

Greatest Love but Greatest FearTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang