Das mit mir gespielte Spiel und ein geheimes Plätzchen

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Ich zögerte, den nächsten Pfeil abzuschießen. 

In der Vergangenheit hatte ich noch nie wirklich auf Objekte geschossen, die sich bewegten. Die anderen schien es nicht zu stören, denn sie schossen munter weiter. Es war wieder einmal nur ich, die mit der Veränderung Probleme zu haben schien. 

Wie sehr ich dieses Gefühl hasste.

Ich riss mich nach einer kleinen 'Verschnaufpause' zusammen, doch... ich verfehlte. Ein Stich fuhr mir durch die Brust und meine Hände begannen zu zittern, als der Pfeil einen Meter neben dem Ziel einschlug. 

Jetzt durfte ich mir nur noch einen Fehler erlauben, wie sollte ich das verdammt nochmal schafften? Es war hoffnungslos. Sie bewegten sich immer dann weg, wenn ich die Stelle traf, wo sie vorher gewesen waren. 

Ich konnte sie dann überhaupt nicht - Warte mal...

Ich hatte zum falschen Zeitpunkt geschossen! Ich war zu spät gewesen! Wenn ich ein wenig versetzt abschoss, war ich vielleicht wieder im richtigen Raster! 

Ich versuchte es und traf tatsächlich!

Du hast 6/10 Zielen getroffen!

Mein Herz beruhigte sich wieder ein wenig. Die Anspannung ließ nach und ich konnte wieder ein wenig klarer Denken. Ich setzte den nächsten Pfeil an.

Du hast 7/10 Zielen getroffen!

Ich war auf einem guten Weg.

Es verbleiben 10 Minuten!

Natürlich bemerkte ich, dass Aguni mir zusah. Er schien schon fertig zu sein, irgendwie hatte ich nichts anderes erwartet.

Ich zog einen neuen Pfeil hervor und legte ihn an die dünne Sehne. Dann visierte ich neu.

Du hast 8/10 Zielen getroffen!

Nur noch zwei Ziele, dann war ich fertig! Dann wäre ich erst einmal wieder verschont! Ich zielte erneut.

Du hast 9/10 Zielen getroffen!

Ich sah mich um. Wo war das Letzte? Meine Augen scannten die gesamte Halle.

Als ich es schließlich fand, musste ich grinsen. Nun, vielleicht war das Karma auf meiner Seite - er würde sich noch wundern! 

Die Schüsse der anderen waren mittlerweile verklungen, sie waren alle fertig.

Es verbleiben 5 Minuten!

Ich legte seelenruhig meinen vorletzten Pfeil auf meinen Bogen. In mir kribbelte Vorfreude, die ich eigentlich gar nicht von mir kannte. Was ich gleich machen würde, könnte ihn auf die Palme bringen. Wie schön, dass ich nur diesen einen Winkel hatte, um das letzte Ziel zu treffen! 

Ich visierte an und seine Augen weiteten sich. "Was hast du vor, Shorty-", rief er, dann schnellte der Pfeil los. Haarscharf zischte er an seinem Kopf vorbei und bohrte sich dann in das Schwarze der Scheibe.

Du hast 10/10 Ziele getroffen!

Gratulation! Das Spiel ist beendet!

Allen Spielern wird ein Visa von 5 Tagen ausgestellt!

Dann schaltete sich alles wieder ab. Ich spürte sofort, dass der Mut, den ich gerade noch gespürt hatte, sofort abflachte. 

Verdammt, was hatte ich getan? Warum hatte ich gerade fast Niragi abgeschossen, war ich lebensmüde? 

Ich hatte gerade definitiv nicht nachgedacht, als ich die Situation gewittert hatte.

"Was sollte das! Wieso hast du mich abgeschossen?", Niragi war noch auf dem Weg nach unten, als er zu brüllen anfing. 

Ich war am Ende, aber sowas von. 

Wäre ich doch wenigstens etwas vernünftiger gewesen, dann wäre ich jetzt nicht in dieser Situation! Ich konnte nicht weglaufen, dann war ich gefundenes Fressen für ihn. 

"Halt die Ohren steif, Niragi", zu meiner Verwunderung setzte sich Aguni plötzlich für mich ein, "Du hast im Weg gestanden." Der junge Mann drehte sich zu seinem Boss um und funkelte ihn an. Doch dieser zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. Als er an mir vorbeiging, sah er mir kurz in die Augen. "Guter Schuss", murmelte er leise und ich riss die Augen auf. Hatte er mich gerade für meine Aktion gelobt? 

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Handlung so langsam an einen Wendepunkt angelangte und sich völlig anders entwickelte, als ich es eigentlich wollte. Es fühlte sich wie eines dieser Spiele an, nur, dass es alleine mit mir gespielt wurde. Ich war die einzige Teilnehmerin.

Sakusa trat neben mich und stupste meinen Arm an. Ich sah zu ihr und sie grinste nur, bevor sie den Daumen in die Höhe reckte. Ich seufzte und zusammen verließen wir die Location wieder, dieses Mal hatte sich aber Aguni den Beifahrersitz geschnappt. Da ich nicht neben Niragi sitzen wollte, setzte sich meine Freundin neben mich. Niragi, der noch die Karte geholt hatte, setzte sich hinter das Steuer. 

Erst hatte ich Angst um mein Leben, da der Typ verrückt war. Doch erstaunlicherweise war er ein ganz guter, ruhiger Fahrer. Hätte ich ihm echt nicht zugetraut. Wir kamen tatsächlich heil beim Beach an. 

Diese Nacht war in unserem Team kein einziger gestorben. Es wurde nicht einmal jemand verletzt, was schon einem Wunder glich. 

"Hey, Ayuna! Hast du Lust, noch etwas an der Bar zu trinken?", fragte Sakusa mich und ich überlegte kurz. 

"Warum nicht?", entschied ich schließlich und folgte ihr durch die kleinen Menschenmassen nach draußen. Es war noch nicht ganz so voll, aber wir wussten, dass die Mitglieder schon bald hierher strömen würden.  Also würde die Ruhe nur kurz weilen. 

"Zwei Tequila Shots bitte!", bestellte Sakura beim Barkeeper, der sich dann um unsere Getränke kümmerte. Wir setzten uns an den Tresen und schauten kurz dabei zu. "Wo hast du denn das Bogenschießen gelernt?", wollte sie wissen, als wir unser erstes Glas getrunken hatten. 

"Ich war in der High School in der Bogenschieß AG. Ich war aber selber überrascht, dass ich es noch so gut konnte", erzählte ich und sie sah mich prüfend an. 

"Du bist doch nicht älter als 18, oder?", wollte sie wissen und ich verschluckte mich fast. 

"Was? Nein! Ich bin schon 21! Meine High School Zeit hat schon vor fast vier Jahren geendet!", prustete ich los und sie kratzte sich verlegen am Hinterkopf. 

"Oh, ehm, das ist jetzt peinlich, haha. Du siehst noch so jung aus", sie wies den Barkeeper erneut an, noch einmal nachzufüllen. 

"Wie alt bist du eigentlich, Sakura?", wollte ich nebenbei wissen und sie spielte mit ihren Fingern. 

"Ich bin zwanzig, gehe aber auch auf die 21 Jahre zu", erzählte sie mir und ich nickte. So alt hatte ich sie tatsächlich eingeschätzt. Wir bekamen unsere zweite Runde und tranken erneut, als sich plötzlich jemand neben mich setzte.

"Hey!", es war Kuina. Sakusa winkte ihr lächelnd zu und auch ich erwiderte die nette Geste. 

"Hi Kuina! Wir haben lange nicht mehr gesprochen!", meinte Sakusa und Kuina nickte. 

"Da hast du Recht, Yuki! Wie sieht es aus, hast du dich gut im Militär eingelebt?", fragte die junge Frau mit den Dreadlocks und die andere Frau neben mir nickte. 

"Es ist eigentlich ganz ruhig", erzählte sie und ich fühlte mich auf einmal ein wenig überflüssig. Sie bemerkten nicht einmal, als ich aufstand und mich langsam entfernte. 

Ich wollte sie nicht stören und außerdem war ich müde, weshalb es die beste Entscheidung war, jetzt die Biege zu machen. 

Zur Abwechslung machte ich noch einen kleinen Umweg, indem ich die Treppen nahm. Ich hatte keine Lust, den Fahrstuhl zu nehmen, da er um diese Zeit immer ein wenig stank.

Und so kam es, dass ich diesen einen, ruhigen Ort fand. Einen Ort, wo ich alleine sein konnte. Es war perfekt.

Von hier konnte ich wunderbar den Sonnenauf- und untergang beobachten, der den Himmel Tokios in ein wunderschönes Bild tauchte.

Es würde mein kleiner, geheimer Ort sein - dieses große Dach des Beaches.




The Winners Take It All | ChishiyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt