Atmen

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"-yuna".

Ich spürte einen seltsamen Druck auf meiner Brust und versuchte, Luft zu holen. Doch es wollte mir einfach nicht gelingen. Irgendetwas versperrte mir die Luftröhre.

Ich hustete und merkte, wie ich schwungvoll auf die Seite gedreht wurde. Ein Schwall Wasser schoss mir aus dem Mund und ich hustete erneut, ich musste zeitgleich würgen und immer mehr Wasser folgte, bis ich endlich gierig nach Luft schnappte.

Ich lebte.

Wie war das möglich? Ich blinzelte und die Helligkeit hinderte mich für einen kurzen Moment daran, dass ich etwas sehen konnte. Doch als ich es endlich konnte, sah ich eine bekannte Figur neben mir hocken.

Aguni.

Wieso war er hier? Hatte er mich gerettet?

Ich wollte ihn fragen, doch mein Hals fühlte sich an, als hätte ihn jemand mit Schleifpapier glatt geschliffen. Ich würde nur husten, wenn ich jetzt mit ihm sprach.

Gequält versuchte ich, mich vom Boden hochzudrücken, doch der Anführer vom Militär drückte mich sacht zu Boden. "Vorsichtig, ich habe dir glaube ich zwei oder drei Rippen geprellt, wenn nicht sogar gebrochen", wies er mich zur Vorsicht an und ich ließ mich wieder fallen. Was war das für eine groteske Situation? Warum hatte er mir geholfen? Welche Rolle hatte er noch gleich? Ach ja, mein Onkel...

Warte, Onkel?

"Johanna... Warum? Wäre ich nicht zufällig zum Fischen hier gewesen, wärst du ertrunken!", Aguni hockte sich auf einen Stein, während ich in den Himmel starrte. Es kamen keine Möglichkeiten, also war es vorgesehen, dass ich nicht sprechen sollte. Der Mann musterte mich. "Weißt du, dein Dad - Hatter und Collin - Chishiya hatten bei mir angerufen. Ihr Signal war losgegangen, welches signalisierte, dass ihr Ziel immer weiter in die Ferne rückte. Sie konnten dich nicht erreichen. Daraufhin fragten sie mich, ob ich dich gesehen hätte. Und in jenem Moment sah ich etwas Weißes, was von der Brücke fiel. Ich dachte mir erst nichts dabei, doch dann ging auf einmal auch mein Alarm los. Und dann folgten die zwei Möglichkeiten. Entweder, ich rette dich, oder lasse dich ertrinken", er machte eine Pause, "Und ich entschied mich, dir dein Leben zu retten. Sie waren am Telefon, hatten mitbekommen, wie ich deinen Namen rief, wie ins Wasser sprang, um deinen leblosen Körper herauszufischen."

Ich sah zu ihm, das brennende Gefühl in meinem Hals klang ab. Aguni verband Privates mit dem Spiel... und das auf eine geschickte Art und Weise.

"Ich wollte nicht sterben", flüsterte ich und Aguni blickte ebenfalls zu mir, "Aber ich wurde gezwungen, die Sehnsucht zum Suizid zu haben. I-Ich will dieses verdammte Spiel nicht mehr spielen..." Er brummte.

Ich schloss die Augen, nur, um etwas später Fußstapfen zu vernehmen. Ich bemerkte eine Hand, die sich sanft auf meine Schulter legte. Als ich die Augen öffnete, blickte ich direkt in Hatters Gesicht.

"Was machst du nur für Sachen", murmelte er und für einen Moment hatte ich das Gefühl, eine andere Person vor mir zu haben. So kannte ich die Nummer 1 des Beachs gar nicht...

"Das war knapp, Ayuna", war das Chishiya? Ich schaffte es, mich aufzusetzen und die beiden anzusehen. Mein Kleid war noch immer ein wenig klamm und deshalb fror ich.

"Nur damit ihr es wisst, ich wurde gezwungen", erzählte ich nochmal und Chishiya zog die Augenbrauen hoch. Er schien es mir nicht zu glauben.

Möglichkeit 1: Erzähle ihnen die Wahrheit.

Möglichkeit 2: Lache über die Situation.

Möglichkeit 3: Wende dich ab, laufe davon.

Ich zwang meinen Körper, sich vollständig aufzurichten. Zwei von ihnen protestierten, einer blieb still. Und dieser jemand folgte mir schließlich. "Warum sagst du nichts?", wollte ich endlich wissen, als wir schon eine gefühlte Ewigkeit gelaufen waren. Er blieb stehen.

"Was soll ich denn sagen?", fragte er und ich drehte mich zu ihm. Sein arrogantes Lächeln war nicht in seinem Gesicht zu finden. Nein, dieses Mal wirkte er ernst.

Möglichkeit 1: Du fragst ihn, ob er dich eklig findet.

Möglichkeit 2: Du weinst.

Möglichkeit 3: Du fragst, warum er nicht aufgelegt hat und warum er trotzdem noch mit dir redet.

"Warum... hast du nicht aufgelegt? Warum redest du noch mit mir, wenn alle anderen es nicht tun?", es war ein Spiel mit teils Lüge und teils Wahrheit. Es spielten Gefühle von Johanna, als auch meine eigenen hinein. Er lächelte, doch es war dieses Mal eines, was ohne Arroganz kam.

"Wäre es denn besser gewesen, wenn ich aufgelegt hätte?", er schien sich einen Überblick über meine Situation machen zu wollen.

"Vielleicht ja... mit großer Chance hätte ich mich nicht von einer Brücke stürzen müssen", erwiderte ich ohne zu zögern. Er erwiderte nichts und zeigte zeitgleich ebenfalls keine Regung.

"Komm mit", meinte er plötzlich und überholte mich, nur, um dann den Weg zu weisen.

War das jetzt eine Entscheidung, die er selbst traf oder steckte das Spiel dahinter?

Er führte uns zu einem Wohnblock mit Wohnungen. Wir stiegen eine Treppe hinauf und er zog einen Schlüssel hervor, bevor er die Tür öffnete. Ich würde mich in jeder normalen Situation unwohl fühlen, doch... diese Situation war nicht mehr normal.

"Setz dich auf die Couch", befahl er mir, bevor er für einen kurzen Moment verschwand. Ich tat, was er verlangte, da ich langsam nicht mehr stehen konnte. Gerade, als ich mich ein wenig eingewöhnt hatte, kam er zurück. Er hatte einen kleinen Stapel Kleidung und einen Erste Hilfe Kasten dabei. Es war komisch, Chishiya so zu sehen.

"Darf ich mir das mal ansehen?", er deutete auf seine eigene Brust. Genauer gesagt auf seine Rippen. Ich sah ihn an.

Möglichkeit 1: Zeige ihm deine Verletzungen.

Möglichkeit 2: Verweigere die Hilfe.

Was sollte das denn jetzt? Musste ich mich jetzt ernsthaft entblößen?! Ich konnte ablehnen, doch - war das nicht eine Möglichkeit, meine Beziehung zu Collin auszubauen?

Es waren unsere Rollen, die so handelten. Wenn ich jetzt richtig entschied, war vielleicht alles anders... Und so wählte ich Möglichkeit 1 und wollte gerade mein Kleid herunterziehen, als ich etwas Entscheidendes bemerkte: Ich hatte nichts untergezogen.

Wenn ich jetzt meine Brust freigab, sah er ALLES.

Er schien es zu bemerken, denn das bekannte Grinsen schummelte sich zurück in sein Gesicht.

"Keine Sorge, ich bin Medizinstudent. Es gibt nichts, was ich nicht schon einmal gesehen habe", war das jetzt die Wahrheit oder log er mich gerade eiskalt an?

Egal, es würde jetzt eh nichts mehr ändern.

Ich hatte nun einmal die erste Variante gewählt, also musste ich sie auch durchziehen.

Vorsichtig schlüpfte ich aus den Trägern und ließ den Stoff fallen. Sofort überzog mich eine Gänsehaut und ich fröstelte, während er sich unbeeindruckt am Erste Hilfe Kasten zu schaffen machte.

Er schien die Wahrheit gesagt zu haben...

"Leg dich hin", forderte er mich auf und ich willigte ein, auch wenn ich langsam ein wenig unruhig wurde.

Verdammt, was machte ich hier überhaupt?

Und warum störte es mich nicht, dass er mich so sah?

Was machte dieser Typ nur mit mir, warum brachte er mich auf einmal so durcheinander? Ich hatte mir doch geschworen, ihn mit Vorsicht zu behandeln! Er konnte mich ausnutzen, verraten - es gab so viele Sachen, die gegen ihn standen...

Und doch war der bittere Nachgeschmack auf einmal leicht süßlich geworden.

Wie war das möglich?

Chishiya Shuntaro...

Was machst du mit mir?

The Winners Take It All | ChishiyaWhere stories live. Discover now