Die Philosophie des Egoismus

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"Hier ist es sicher", murmelte ich leise zum Mann, der neben mir stand und den anderen Raum begutachtete.

"Hier auch", antwortete er und ich konnte meine wunden Nerven endlich ein wenig entspannen.

Vielleicht waren es nur ein paar Minuten - doch ich war froh, ein wenig Entspannung zu finden.

Wir hatten uns entschlossen, eine Behausung für die Nacht zu suchen und am morgigen Tag die Spiele zu beginnen.

Chishiya hatte uns eine gut gelegene Wohnung ausgesucht, die wir nun zu zweit beziehen würden. Alleine bei dem Gedanken wurde mir ein wenig schlecht, da ich noch immer auf der Hut vor ihm war - zwar nicht im schlechten Sinne, aber ich traute ihm... nein... mir selbst noch nicht über den Weg.

Wer weiß, was ich noch machen würde, wenn wir zusammen in einem Raum hocken. Hoffentlich lief es nicht wieder darauf hinaus, dass ich über ihn herfiel, wie nach meinem Trinkspiel...

Doch ich war froh, dass ich nicht alleine durch die neue Phase gehen musste.

"Es gibt noch Wasser im Badezimmer, ich glaube, hier hatte schon einmal jemand gecampt. Wenn du willst, kannst du dich frischmachen", informierte er mich, als ich etwas hilflos im Türrahmen stehengeblieben war. Erst überlegte ich, ob ich seine Bemerkung als den "Wink mit dem Zaunpfahl" auffassen sollte, doch ich entschied mich dagegen. Wer weiß, was er kontern konnte - ich war gerade nicht in der richtigen Verfassung, verbal attackiert zu werden, beziehungsweise verbal zu attackieren.

Also nickte ich ihm dankbar zu und machte mich auf den Weg in das kleine Badezimmer.

Dort sah ich zum ersten Mal seit Tagen in den Spiegel. Vor Schreck hätte ich fast einen Satz nach hinten gemacht, doch die Wand bremste meinen Fluchtversuch aus.

Meine Güte, ich sah ja schlimm aus!

Meine Haut war blass, ich hatte zahlreiche Blutergüsse im Gesicht und schwarze Ränder unter den Augen.

Was für eine Traumfrau ich doch war... Oder auch nicht.

Auf einmal war mein Selbstbewusstsein wie verflogen.

Sahen mich andere Personen auch so - sah er mich so? War ich in ihren Augen hässlich?

Ich wandte den Blick ab und machte mich daran, mit dem Wasser aus den Wassereimern meine Haut ein wenig zu reinigen und anschließend mit einem Kamm meine Haare zu kämmen. Dabei versuchte ich den wilden Gedanken zu vergessen, was mir tatsächlich auch ziemlich gut gelang.

Ich musste einfach so weitermachen, wie ich es vorher getan hatte - mein Aussehen hatte damit nichts zu tun!

Da meine Haare einen ziemlich fettigen Eindruck machten, unsere Ressourcen aber nicht reichten, um sie zu waschen, flocht ich sie in zwei Bauernzöpfe ein, um die Unannehmlichkeit zu verstecken.

Tatsächlich ließ sich das Ergebnis sehen, ich sah schon wieder viel besser aus! Zumindest sagte mir das meine innere Stimme, als ich noch einmal in den Spiegel blickte.

Als ich den Raum dann wieder verließ, traf ich Chishiya im Wohnraum auf der großen Couch an, wo er interessiert in einem Buch blätterte. Ein Blick auf den Titel verriet mir, dass es über Humangenetik war. Das Gespräch beim Herz 9 Spiel fiel mir wieder ein - er hatte erwähnt, dass er Medizin studierte.

Ich ließ mich auf einen der Sessel fallen und musterte ihn.

Wie konnte er nach dem ganzen Chaos noch so... normal aussehen? Seine Kleidung war makellos, er hatte nicht einen einzigen Kratzer. War er einfach zu schlau, um sich zu verletzen oder trug er eine Art von Superkraft in sich?

The Winners Take It All | ChishiyaWhere stories live. Discover now