Ein Stück mehr Freiheit

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"Willkommen in unserem kleinen Reich!", begrüßte mich Hinata lachend an der Tür. Ich fühlte mich schon gleich gut aufgehoben, als ich meine Schuhe säuberlich im Flur abstellte.

"Meine Mitbewohnerin ist auch zu Hause, sie freut sich schon darauf, dich kennenlernen zu dürfen!", teilte sie mir mit und ich folgte ihr neugierig, als sie mich in das Wohnzimmer leitete. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit so einem... wie sollte ich es am besten sagen?

...Luxus?

Es war definitiv keine normale WG-Wohnung, dafür war sie zu gut. Ich schätzte auf gute Connections, die die beiden an diese Location gebracht hatten. 

Hinata bat mir Tee an, den ich dankend annahm, bevor wir uns auf die gemütliche Couch fallen ließen. Leise schlürften wir unser heißes Getränk und ich genoss die Ruhe, die mich umgab. 

Es kam sehr selten vor, dass ich dieses Gefühl bekam.

Eine Tür öffnete sich irgendwo und Schritte kamen in unsere Richtung, bevor eine weitere junge Frau den Raum betrat. Kurz kribbelte es wieder in meinen Fingerspitzen, mein Gehirn ratterte auf Hochtouren.

"Hi, Rizuna-chan!", Hinata bot ihr sogleich ebenfalls eine Tasse Tee an und die Frau setzte sich zu uns. Sie lächelte mich ebenfalls freundlich an. 

"Hallo, ich bin Ann Rizuna", stellte sie sich vor, "Du musst wahrscheinlich Hayashi Ayuna sein." Ich nickte höflich. 

"Freut mich, dich kennenzulernen", erwiderte ich und sie lehnte sich entspannt zurück. 

"Und? Gefällt dir der erste Eindruck?", wollte sie von mir wissen und ich nickte sofort. Sie lachte leise und Hinata stellte ihre Tasse auf den Tisch. 

"Hau raus, was willst du fragen?", wollte die Physiotherapeutin von mir wissen und ich runzelte die Stirn. War mein Gesicht so gut leserlich?

"Mmh, wie kommt ihr an eine so neue und große Wohnung?", fragte ich leise und Ann schmunzelte, während Hinata kicherte. 

"Ahahaha, das hätte ich wissen müssen!", sie fing sich relativ schnell wieder, "Mein Onkel hat uns diesen Ort gesichert." Aha, ich hatte also Recht gehabt.

Wir fielen in ein kurzes Gespräch, bevor sie mich noch ein wenig herumführten. 

Ich musste sagen, dass mir dieser Ort nun noch viel mehr gefiel.

Die Wohnung hatte vier Schlafzimmer und zwei Badezimmer. Es gab eine große Küche, ein großes Wohnzimmer und eine Abstellkammer. Die Wände waren hell gestrichen und gaben daher einen einladenden Eindruck.

Meine Entscheidung stand also fest.

"Und? Was meinst du? Können wir dich als eine potenzielle neue Mitbewohnerin sehen?", fragte Ann mich am Ende der Tour und ich grinste leicht.

"Wenn ihr mich ertragen könnt, dann gerne", antwortete ich. 

Damit stand es fest, ich hatte in den einundzwanzig Tagen doch eine neue Behausung für mich gefunden.

Was sollte ich sagen? Ich war überglücklich.

"Also. Wann könnte ich einziehen? Ich will ja nicht drängeln, aber lange halte ich es zu Hause nicht aus", meinte ich und wir brachen in schallendes Gelächter aus.

Egal, was auch passierte - ich wusste, dass ich in den beiden neue Verbündete gefunden hatte.

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Der Umzug war eine Comedy-Show. 

Meine Eltern protestierten lautstark, als ich zusammen mit Kuina und Hinata meine Sachen hinausschleppte und in einen gemieteten Lieferwagen trug.

Ihnen passte es nicht, dass es nun doch alles so schnell ging. 

In mir freute ich mich heimlich, dass es geklappt hatte, auch wenn nur abrupt. Vorgestern hatte ich den Hausbesuch gemacht, heute, am darauffolgenden Wochenende, zog ich um. Es war ein Stück mehr Freiheit, welches ich mir innerhalb weniger Tage erspielt hatte.

Erneut hatte ich mich vorerst aus ihren Fängen befreit, auch wenn es nur auf unbestimmte Zeit war. 

Aber es war ein kleiner Schritt, das war die Hauptsache.

"War das alles, Ayuna?", rief Kuina mir aus meinem ehemaligen Zimmer zu und ich nickte ihr im Vorbeigehen zu, während ich den letzten Karton hinausschleppte. Die Möbel standen noch immer im Raum, da ich sie nicht mitnehmen würde. Stattdessen standen im Lieferwagen nun neue, frisch gekaufte Einrichtungsgegenstände von Ikea. Ann und ich hatten sie gestern über das Internet vorbestellt, damit wir sie heute haben abholen können. 

Die Forensikerin (ich hatte große Augen gemacht, als ich von ihrem Beruf erfahren hatte) konnte heute leider nicht helfen, da sie arbeiten musste. Aber dafür bekam ich die Hilfe von meinen anderen, neuen Freundinnen.

Erleichtert schlossen wir die Türen des Kofferraumes. 

"Ich fahre", verkündete ich, als wir uns auf die Sitze verteilten. 

"AYUNA!", Vater versuchte, uns ein letztes Mal aufzuhalten. Ich drehte mich zu ihm und starrte ihm gewissenhaft in die Augen. Er wich meinem Blick als erstes aus. 

"Ich habe es euch gesagt", meinte ich noch einmal, "Hört auf, euch in mein Leben einzumischen. Macht weiter, wie ihr es getan habt, als ich noch klein war." Dann stieg ich ein und startete den Motor.

Oh verdammt, es fühlte sich gut an!

Ich fuhr los und bemerkte, dass Hinata und Kuina mich neugierig ansahen. "Was?", fragte ich deshalb, als wir vor einer Ampel zum Stehen kamen. Sie grinsten gleichzeitig los und ich wunderte mich, ob ich vielleicht etwas falsch gemacht hatte. Schulterzuckend entschied ich mich dazu, es einfach dabei zu lassen. Sie würden es mir irgendwann eh erzählen, oder?

Die Fahrt dauerte nicht lange. 

Vorsichtig parkte ich den Lieferwagen auf einem vorgesehenen Parkplatz und wir begannen, alles wieder reinzutragen. Es dauerte nicht lange, bis ich meine Arme zu brennen begannen. 

War ich froh, dass morgen Sonntag war! 

"Wohin müssen die Kartons?", wollte Kuina wissen, die ein wenig ratlos in der Wohnung stand. Ich zeigte ihr den Weg. Tatsächlich hatte ich mir den leeren Raum am Ende des Flurs ausgesucht, der zwei Fenster besaß. Er lag zwar zur Straße, war aber größer als der andere. 

Und ich fand es irgendwie beruhigend, das Brummen von Autos zu hören.

Wir stapelten die Kartons und Boxen, die Möbelpakete und Koffer, bis wir endlich alles hereingeschleppt hatten. 

Das konnte lustig werden, ich musste meine Schränke noch alle aufbauen...

"Dein Gesicht spricht Bände, Mädchen", lachte Kuina gerade, als sie den Blick bemerkte, den ich den Kartons schenkte. Hinata grinste ebenfalls, bevor sie sich den Schlüssel für den Lieferwagen klaute. "Ich fahre das gute Stück dann mal wieder zurück", meinte sie. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie es genoss, große Wagen zu fahren. Auch wenn der Lieferwagen nicht gerade ein Vorzeigemodell war...

"Okay, mach das! Das Geld für die Leihgebühr ist in meiner Jackentasche im Flur!", rief ich ihr noch nach, als sie verschwand. Dann sah ich meine andere Freundin an. Sie schmunzelte, während sie die Ärmel ihres Pullis hochzog.

"Dann wollen wir mal...", sie griff nach einem Cuttermesser, um die Kartons aufzuschneiden, "Sehe und staune, Bob der Baumeister macht sich an die Arbeit!"

Tja, das Möbelaufbauen wurde echt lustig, das konnte ich euch sagen...

Ich sollte mir merken, dass ich Möbel zukünftig lieber mit Ann aufbaute...!


The Winners Take It All | ChishiyaWhere stories live. Discover now