Ein vermeintliches Doppel-Date

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Es war schon fast peinlich, wie sehr Tomoki-san sich ins Zeug legte.

Es war nun mittlerweile eine Woche her, dass ich umgezogen war. Mein neues Zuhause war perfekt, ich hatte praktisch kaum noch Stress und schlief endlich wieder gut. 

Ich verstand mich zudem gut mit den anderen beiden, wir saßen abends hin und wieder noch zusammen und tauschten uns aus. Sie kannten mittlerweile auch einen kleinen Teil meiner Vergangenheit, genau wie Kuina. Das schuldete ich ihnen, zumindest, um sie vorzuwarnen.

Die letzte Woche war wie im Flug vergangen, ich hatte Uni gehabt, mich weiter eingerichtet und Stoff nachgeholt, den ich durch den Wechsel brauchte. 

War ich froh, dass die beiden Majors so ähnlich aufgebaut waren!

Doch mit dem, was mich dieses Wochenende erwartete, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte meinen Professor echt unterschätzt.

"Was jetzt?", Obiki sah sich um, als wir mittig im Yoyogi-Park standen. Tomoki-san hatte uns vier tatsächlich abgesetzt, gegrinst und war dann mit seinem Golf-Kart wieder davongebraust. Erst hatten wir gedacht, dass es nur ein schlechter Scherz gewesen war, aber als er nach ein paar Minuten nicht wiederkam, begriffen wir, was der Sinn von diesem scheinbaren Ausflug gewesen war. 

Eine Art Doppel-Date, na super...

"Dieser hinterlistige Mann", presste ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor, bevor ich meinen Blick schweifen ließ.

"Es wäre vom Vorteil, wenn ihr euch vorher schon ein wenig kennenlernt."

Es war ein mieser Plan gewesen. 

Man brauchte etwa zwei Stunden, um den gesamten Park zu durchqueren, also konnten wir mit einer Stunde Fußmarsch rechnen. Was für ein Mist, ich hatte vorgehabt, heute produktiv zu sein und weiter Hausaufgaben zu machen! 

Außerdem gab mir dieser Ort ein seltsames Gefühl. Ich war zwar schon öfter hier gewesen, doch irgendwie war es dieses Mal anders - so, als ob ich hier etwas Schlechtes erlebt hatte.

Hinata hakte sich bei mir unter. "Woran denkst du, Ayu-chan?", wollte sie wissen, während sie mich mitzog. Unsere männlichen Begleiter folgten uns. 

"Keine Ahnung", erwiderte ich, "Ich hab irgendwie nur ein ungutes Gefühl." Ich sah Sorge, die kurz in ihren Augen aufflammte, sich aber schnell wieder verzog.

"Wir können die Zeit ja produktiv nutzen, nicht?", sie versuchte, das Eis ein wenig zu brechen, "Also: Ich bin Daiki Hinata, dieses Jahr bin ich dreiundzwanzig und in meinem vorletzten Semester der Physiotherapie. Meine Lieblingsfarbe ist gelb und ich liebe Hunde. Was ist mit euch?" 

Obiki war der Erste, der ihr antwortete: "Ich bin Obiki Ryo, auch dreiundzwanzig und bin ebenfalls fast fertig mit meiner Bildungskette." Hinata sah mich abwartend an. 

"Oh, ähm, ich bin-", mein Blick blieb an einer bestimmten Stelle haften. Unbemerkt blieb ich stehen.

Sie lief an meiner Seite und erzählte mir ein wenig von ihrem vorherigen Leben, bis plötzlich vor uns eine Frau entlanglief. Die zwei Typen vom Anfang hechteten hinter ihr her und ich hörte ein Schreien, dann ein Gurgeln, welches mich erschaudern ließ. Es hatte nicht gesund geklungen. Fenji folgte den Typen und mir blieb keine andere Wahl, dieses ebenfalls zu tun, denn sonst konnte ich verdächtig werden. Im selben Moment piepten unsere Handys wieder.

Ein saures Gefühl breitete sich in meinem Mund aus. Mir wurde übel, doch ich schaffte es, einen Würgereiz zu unterdrücken. 

Was zum Teufel war das denn bitte gewesen?

"-shi? Hallo? Kannst du mich hören?", eine Hand wedelte vor meinem Gesicht und meine Augen fokussierten sich auf 'Chishiya', der auf einmal neben mir stand. Er, sowie die anderen beiden sahen mich alarmiert an. Ich blinzelte kurz, bevor ich halbwegs begriff, was geschehen war. 

Ich hatte wohl anscheinend nicht mehr reagiert.

"Sorry... Ich war gerade irgendwie in meinen Gedanken versunken", erwiderte ich und versuchte, ein wenig zu lächeln, während ich mich verlegen im Nacken kratzte. Wie peinlich, das hat bestimmt keinen guten Eindruck gemacht...

"Ich bin Hayashi Ayuna, einundzwanzig, aber ich werde nächstes Jahr im März zweiundzwanzig. Ich bin ziemlich mittig in meinem Studium. Ja, sonst gibt es nicht viel über mich zu sagen...", ich versuchte, die Stimmung wieder ein wenig zu lockern. 

Zu meinem Glück klappte es. Hinata sah mich noch einmal mit einem Seitenblick an, bevor wir weitergingen. 

"Chishiya Shuntaro, ich bin im praktischen Teil meiner medizinischen Ausbildung. Dieses Jahr werde ich dreiundzwanzig", der blonde Mann hinter mir beendete die Vorstellungsrunde, dann gingen wir schweigend weiter. Irgendwann verfielen Obiki und Hinata in ein Gespräch über einen neuen Anime, der herausgekommen ist, weshalb sie und Chishiya Plätze tauschten.

"Du kommst mir bekannt vor", seine Stimme riss mich ein wenig aus der Fassung, während ich meinen Blick zu ihm richtete. Er guckte starr nach vorne. 

Ich schwieg kurz, bevor ich ihm antwortete: "Du mir auch." 

Er grinste leicht. 

In meinem Bauch kribbelte es ein wenig. Die Art, wie er grinste, ließ ihn ein wenig arrogant wirken, auch wenn seine Körperhaltung etwas anderes sagte. Er wirkte eher entspannt, während wir zu viert den Wanderweg entlangtrotteten.

"Wie findest du das Projekt?", wollte ich leise von ihm wissen und er überlegte kurz. 

"Nun, ich bin nicht abgeneigt, andererseits ist es aber auch ein wenig nervig", seine letzte These ließ er unbegründet und ich entschied mich dafür, ihn nicht darauf anzusprechen. Es war vielleicht besser, wenn ich nicht wusste, was er damit meinte.

"Und du?", wollte er wissen, "Was meinst du dazu?" Tatsächlich wusste ich darauf nicht wirklich eine Antwort. 

"Keine Ahnung", er hob die Augenbraue, "Es ist eine Möglichkeit, denke ich."

Er schien nicht zufrieden mit meiner Antwort, doch auch er bohrte nicht weiter nach. Stattdessen liefen wir schweigend weiter und ich genoss die sanfte Brise, die über meine Haut fuhr. Das Vogelgezwitscher lenkte mich ein wenig von meinem komischen Flashback ab, welches ich eben gehabt hatte. 

Dennoch war es komisch. Ich wusste nicht, wann ich so etwas brutales erlebt haben sollte.

"Sensei!", Hinatas Ruf lenkte meinen Blick nach vorne. Dort stand Tomoki-san. Er grinste uns entgegen, als wir auf ihn zukamen. 

"Ihr wart schneller, als ich gedacht habe", erwiderte er und Obiki sah für einen Moment aus, als würde er unseren Dozenten erwürgen wollen. Ich verkniff mir einen Kommentar und ließ mich stattdessen auf der Bank nieder, die neben ihm stand.

Schon komisch, auf einmal war ich seltsam müde. Irgendwie schien heute nicht so mein Tag zu sein.

Wenigstens hatte ich den mysteriösen, jungen Mann heute ein wenig besser kennengelernt. Wenn ich ehrlich war, machte er mich neugierig.

Und auch die Schmetterlinge, die er in mir auslöste, waren nicht zu vergessen...

Ich kannte das Gefühl nicht, aber es würde mir noch Probleme bereiten, da war ich mir sicher.


The Winners Take It All | ChishiyaWhere stories live. Discover now